Agroa spürt Wandel vom Überfluss zum Mangel
- Veröffentlicht am

Anfang Juli bei der ersten ordentlichen Generalversammlung der Agroa Raiffeisen e. G., Eppingen, berichtete der Vorstand von einem zufriedenstellenden Jahresergebnis im ersten Geschäftsjahr 2021. Die Umsatzentwicklung sei positiv gewesen, hieß es in Sinsheim, und der Start ins laufende Geschäftsjahr 2022 sei erfreulich. Die Agroa war aus drei Bezugs- und Absatzgenossenschaften aus Eppingen, Marbach und Bad Friedrichshall entstanden.
Veränderte Rahmenbedinungen
Gleich das erste Geschäftsjahr hatte es in sich. Die Landwirtschaft in Deutschland bewegt sich nach Einschätzung von Vorstandssprecher Jürgen Freudenberg neuerdings unter veränderten Rahmenbedingungen: vom Überfluss zum Mangel. Wie Freudenberger bei seiner ersten und letzten Generalversammlung der neuen Genossenschaft in der Sinsheimer Dr.-Sieber-Halle erklärte, gelte diese Einschätzung für die Bereiche Getreide, Ölsaaten, Neumaschinen, Ersatzteile, Baustoffe, Transportkapazitäten, Düngemittel und Energie.
Die Agroa e. G. steigerte im Geschäftsjahr 2021 den Umsatz um knapp 15 Prozent auf 249,8 (Vorjahr: 217,5) Mio. Euro. Der Vergleich mit den Vorjahreszahlen ist laut Freudenberger eine Hilfskonstruktion, die sich aus dem addierten Umsatz der drei Vorgängergenossenschaften ergibt. Die Verschmelzung der drei Fusionspartner war handelsrechtlich zum 1. Januar 2021 erfolgt. Das Agrargeschäft deckt 70 Prozent des Umsatzes ab, der sich insgesamt auf sechs Teilbereiche erstreckt. Schwergewichte sind die Bereiche Vermarktung und Energie mit jeweils 25 bis 30 Prozent. Die restlichen vier mit etwa je zehn Prozent sind die Pflanzliche Produktion, der Einzelhandel, die Technik und die Tiernahrung.
Neue Marktanteile mit Saatgut
Mit der Entwicklung in der Pflanzlichen Produktion zeigte sich der Vorstand zufrieden. Beim Düngerumschlag wurden die Mengen mit einem Minus von 0,9 Prozent knapp behauptet, beim Pflanzenschutz mit einem Plus von 1,1 Prozent der Vorjahreswert gehalten und beim Saatgut mit einem Umsatzplus von 2,2 Prozent Marktanteile gewonnen. Für das laufende Jahr erwartet Freundenberger preisbedingt steigende Umsätze, während der Mengenumschlag dem Vorjahr entsprechen dürfte.
Bei der Tiernahrung zeigte sich Freudenberger „mehr als zufrieden“ mit einem überdurchschnittlichen Mengenergebnis. Deutschlandweit sinken die Tierbestände, aber in Eppingen wurde gut 5 Prozent mehr Menge verkauft. Fürs laufende Jahr seien eher stabile Verkaufsmengen zu erwarten, weil Tier- und Betriebszahlen weiter sinken. Steigende Kosten drohten in der Logistik.
Namhafter Geschäftspartner
In der Vermarktung sank der Mengenumschlag wetterbedingt um 6 Prozent. Dennoch sei das Ergebnis zufriedenstellend. Die Agroa sei mit einer Vermarktung von rund 300.000 Tonnen Getreide und Ölsaaten ein namhafter Geschäftspartner in der Branche, sagte Freudenberger. Im laufenden Jahr rechnet er mit deutlich steigenden Preisen, weil weltweit die Produktion hinter dem Verbrauch zurückbleibe. Die Verfügbarkeit der Ware sei in vielen Teilen der Welt fragwürdig, wegen des Exportstopps in Indien, weil China nur als Käufer am Weltmarkt agiert und die Ukraine bekanntermaßen derzeit zu wenig liefern kann. Die landwirtschaftlichen Agroa-Kunden hätten mit starken Verkäufen zur Ernte 2022 die Chancen der Preisabsicherung genutzt.
In der Agrartechnik entsprachen die Umsätze zwar dem Vorjahresniveau, waren aber besser als erwartet. Grundproblem sind die gestörten Lieferketten, die die Ergebnisse im Verkauf von Neumaschinen, Ersatzteilen und im Service (Werkstatt) drücken. Dieses Problem verschärfte sich zum Jahresbeginn 2022 und lässt für das Gesamtjahr Umsatzeinbußen erwarten.
Gute Geschäfte mit alter Energie
Das Energiegeschäft war einer der Hauptumsatzträger für 2021, auch wenn der Mengenumschlag in Litern leicht um 1,3 Prozent nachgegeben hatte. Allerdings wird dieser Erfolg nicht von Dauer sein, fürchtet Freudenberger, weil die Umsätze mit flüssigen und festen Brennstoffen auf fossilen Rohstoffen basieren. Das Geschäft mit erneuerbarer Energie in Form von Pellets und Solartechnik ist zwar angeschoben, wird aber Jahre brauchen, um den Erfolg der Fossilen aufzuholen.
Trotz eines leicht unter Vorjahr liegenden Umsatzes brachte auch der Einzelhandel in den Raiffeisen-Märkten gute Geschäfte. Dabei profitierte die Agroa von „richtigen Investitionsentscheidungen“ in den Vorjahren bei einem der Vorläufer, dem Kraichgau Raiffeisen Zentrum. Der Umbau von Märkten schmälere derzeit die Verkaufsmöglichkeiten. Die Tochtergesellschaften Häge Baucenter sowie Heckel und Stein Landhandel lägen auf Kurs. Bei Heckel und Stein seien allerdings das schrumpfende Futtermittelgeschäft und der teure Fuhrpark in den Geschäftszahlen zu spüren. Für die gesamte Unternehmensgruppe werden für 2022 „starke, preisbedingte Umsatzzuwächse erwartet“, sagte Freudenberger.
Abschied
Der Vorstandssprecher der Agroa, Jürgen Freudenberger (63), wurde bei der Generalversammlung in den Ruhestand verabschiedet. Freudenberger war 44 Jahre im Genossenschaftswesen aktiv, 38 Jahre davon als Vorstand. Am Anfang stand eine Banklehre bei der Volksbank Mosbach, die er 1978 nach dem Abitur begonnen hatte. Anschließend studierte er an der Fachhochschule Nürtingen Wirtschaftswissenschaften. Der Familienvater begann seine berufliche Laufbahn 1983 als Prüfungsassistent beim Badischen Genossenschaftsverband. Nur ein Jahr später wechselte er - nach dem plötzlichen Tod seines Vaters und als dessen Nachfolger – als Vorstand zum Kornhaus Sinsheim, berichtete der Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), Dr. Roman Glaser, der die Abschiedsrede hielt. Glaser charakterisierte Jürgen Freudenberger so: „Was Sie beginnen, bringen Sie zu Ende mit Zielstrebigkeit und Fleiß.“ In diesem Sinne führte Freudenberger das ehemalige Kornhaus Sinsheim über mehrere Fusionen bis zur heutigen Agroa. Jürgen Freudenbergers vielfältiges Engagement im Genossenschaftswesen würdigte der Verband mit der Verleihung der BWGV-Ehrennadel in Gold.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.