Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
BWagrar-Umfrage zur Getreideernte

Trockenheit dämpft Ertragsaussichten

Im Südwesten macht sich der fehlende Regen bemerkbar. Böden und Pflanzen werden immer trockener. Da steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die bevorstehende Getreide- und Rapsernte schwächer ausfallen wird als vorhergesagt. Auch wenn viele Kulturen bis dato noch insgesamt gut dastehen, nimmt der Trockenstress für die Pflanzen zu. Auffällig ist eine im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringere Vorvertragsquote.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Erste Trockenschäden im Weizen bereits erkennbar: Dieser Bestand aus dem Kreis Ravensburg ist sehr gepflegt, hat sich hervorragend entwickelt und leidet jetzt sichtbar unter dem Wassermangel (Stand: 20. Juni).
Erste Trockenschäden im Weizen bereits erkennbar: Dieser Bestand aus dem Kreis Ravensburg ist sehr gepflegt, hat sich hervorragend entwickelt und leidet jetzt sichtbar unter dem Wassermangel (Stand: 20. Juni).Borlinghaus
Artikel teilen:

Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) senkt seine Erwartungen an die Ernte witterungsbedingt spürbar. Am 21. Juni geht der Verband von einer Getreideernte in Höhe von 42,0 Mio. t (-3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und einer Rapsernte von 4,1 Mio. aus (-3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr)  DRV-Ernteschätzung . Im Vergleich zur Mai-Schätzung ist dies ein Rückgang um 1,2 Mio. t beim Getreide und zirka 200.000 t beim Raps. In Baden-Württemberg schätzt der DRV beim Raps einen Anstieg um über fünf Prozent auf 208.900 t nach knapp 198.000 t im Vorjahr. Fürs Getreide gibt der Verband keine Schätzungen für die einzelnen Bundesländer heraus. Je nach Region, je nach Boden- und Fruchtart gibt es bereits große Unterschiede in der Entwicklung der Bestände, die sich nun wegen der Wasserknappheit noch weiter vergrößern werden.

Versorgungslage ist gut

Bei Erfassern und dem Landhandel in Baden-Württemberg wird in diesen Tagen nur wenig Getreide gehandelt. Handel und Verarbeiter seien sehr gut eingedeckt, heißt es auf Nachfrage von BWagrar. Impulse gebe es einzig bei Raps und Braugerste. Nicht wenige Mühlen hätten sich bis in den Dezember mit Ware eingedeckt. „Die brauchen nicht ein Korn aus der Ernte“, bringt ein Händler die Marktlage am 16. Juni auf den Punkt. Bei dieser Zurückhaltung im Einkauf, die sich über fast alle Produkte erstrecke, scheint die Versorgungslage insgesamt mehr als komfortabel zu sein. Und auch bei der Abnahme von bestehenden Kontrakten laufe es eher schleppend. „Wir müssen schauen, dass uns die Kontrakte überhaupt abgenommen werden“, so der Händler. Der Markt lahmt.  

Ausnahmejahr 2022

Ganz anders war es im Vorjahr, als wegen des Ukrainekrieges weltweit ein regelrechter Run auf das Getreide und die Ölsaaten losging. Die Sorge, nicht mehr ausreichend Ware zu bekommen, war groß. In der Folge entwickelte sich ein regelrecht parabolartiger Anstieg der Preise auf über 400 Euro pro t für den Weizen und 800 Euro pro t beim Raps. „Nach der Ernte hätte man aus heutiger Sicht komplett alles verkaufen müssen. Aber wer weiß das vorher. Das hätte auch schiefgehen können“, erinnert sich ein Händler. Inwieweit sich nun in diesem Jahr wegen der Trockenheit in einigen wichtigen Anbauregionen das Szenario einer Preisrallye wiederholen könnte, ist derzeit völlig offen.

Der Handel läuft wieder

Die Erfasser können das nicht grundsätzlich ausschließen, halten es aber aus heutiger Sicht für unwahrscheinlich, zumindest was die Stärke des Preisanstiegs betrifft. Denn noch wird die enorme Überbewertung aus dem Vorjahr ausgepreist, nachdem sich gezeigt hat, dass die Warenströme trotz Engpässe ihren Weg nach Europa hineingefunden haben. Übersetzt heißt das: Wenn bei uns im Land die Ernte knapp ausfällt, wird aus anderen Regionen und Ländern zugekauft. Solange die Flüsse genügend Wasser führen, funktioniere das ohne größere Probleme. „Wir haben 2022 so hohe Weizenimporte gehabt nach Europa, wie noch nie“, so ein Händler. 8,6 Mio. t sind in die EU hereingeflossen, im Jahr 2021 waren es nur 2,4 Mio. t. Das hat dann auch den Nettoexport verringert, obwohl auch die Exporte raus aus der EU mit 30 Mio. t (Vorjahr: 26 Mio.) angestiegen sind. Vonseiten der Landwirtschaft wurde in den vergangenen Monaten wegen der schwachen Preise zu viel Getreide zurückgehalten. Was dazu führt, dass immer noch alterntige Ware angeboten wird. Auch aus Polen und Tschechien kommt zusätzlich Getreide. Solche Angebote drücken das Preisniveau bei Futtergerste (Süd-Oldenburg) und Futterweizen deutlich nach unten. Während die Trockenheit vor allem auch Deutschland fest im Griff hat, wächst wohl in Frankreich eine Rekordernte heran, ebenso in der Schwarzmeerregion werden hohe Erträge erwartet. Und nach der jüngsten Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums dürften 2023/24 weltweit rund 800,2 Mio. t Weizen erzeugt werden, dies wäre ein Plus von 12,37 Mio. t gegenüber dem Vorjahr und damit eine Ernte der Superlative. Solche Prognosen halten die Börsenkurse niedrig. Andererseits ließen die Aussichten auf mehr Hitze und Trockenheit in den USA die Kurse für den Weizen in Chicago, Kansas und Minneapolis zuletzt am 12. Juni in die Höhe schnellen.

Händler äußern sich zurückhaltend

Apropos Preise: Bei der Futtergerste wurden am 16. Juni Preise von 170 bis 180 Euro pro Tonne frei Erfassungslager genannt. „Für die Gerste zahlen wir derzeit zu viel und die Landwirte schließen nichts ab“, kommentiert ein Händler und wundert sich über die passive Haltung bei vielen Betrieben: „Die sind da mega-cool.“ Bei Weizen sind es 200 bis 230 Euro je t, je nach Qualität. Bei 210 Euro liegt der Brotweizen, bei Raps werden über 400 Euro pro t an die Erzeuger bezahlt. Entsprechend dem Spekulationspotenzial im Markt halten sich die Händler bei den Preisaussichten bedeckt. „Ich glaube schon, dass wir eine gewisse Bodenbildung derzeit erleben und denke, dass wir preismäßig mehr Luft nach oben als nach unten sehen werden“, so ein Händler aus dem Südwesten. Dabei wird die aktuelle Trockenheit als durchaus dramatisch eingestuft: „Das Wetter hat uns voll im Griff.“ Bei Winterbraugerste, Winterfuttergerste und beim Raps werden zwar nur geringe Ertragseinbußen erwartet. Beim zwei bis drei Wochen späteren Winterweizen dürfte es im Südwesten in jedem Fall zu Ertragseinbußen kommen. Mit 10 bis 20 Prozent weniger Ertrag beim Weizen wird gerechnet.

Erntebeginn voraussichtlich Anfang Juli

Als Erntebeginn wird bei der Wintergerste in der Rheinebene Anfang Juli genannt. Beim Raps soll es ab dem 10. Juli mit dem Drusch losgehen. Bestände, die unter der Trockenheit besonders leiden, sind Sommerweizen, Braugerste, Hafer, aber vor allem auch der Mais, die Sojabohne und die Zuckerrüben. Für diese Kulturen könnte es dieses Jahr in Teilen noch prekär werden, zumal sich die Aussaat wegen des feuchten Frühjahres teilweise bis weit in den Mai hinein verzögert hat und sie deshalb zu spät aufgelaufen und dann vielfach vom Krähenfraß befallen wurden. Teilweise ist bei der Braugerste auch schon Notreife zu beobachten. „Das alles macht auch für uns die Ernteplanung nicht einfacher“, so ein Erfasser. Dabei hatten die Landwirte in Baden-Württemberg den Anbau der Winterungen für die Ernte 2023 mit Blick auf eine zunehmende Trockenheit ausgedehnt und den von Sommerungen zurückgefahren. Laut Statistischem Landesamt vergrößert sich die geschätzte Anbaufläche von Winterweizen (einschließlich Dinkel und Einkorn) leicht um ein Prozent auf rund 216.000 ha. Die Flächenzunahme bei Wintergerste liegt bei neun Prozent (89.000 ha) und bei Winterraps bei 13 Prozent auf 53.000 ha.

Beim Vermarkten nicht alles auf eine Karte setzen

Wegen der seit Oktober 2022 fallenden Marktpreise fällt die Zahl der Vorkontrakte heuer deutlich geringer aus als im Vorjahr. Braugerste lief noch am besten, hier wurde das Preisniveau vom Herbst mitgenommen, aber beim Weizen und beim Raps blieb die Quote schwach. Offenkundig hatten viele Landwirte gehofft, dass die Preise rasch wieder steigen und haben deshalb auf eine Teilvermarktung verzichtet. „Wir waren alle zu gierig und haben nur die hohen Preise gesehen“, so ein Händler selbstkritisch. Er appelliert an die Betriebe, das ganze Jahr über zu vermarkten. Kontrakte machen die Bilanzen der Handelshäuser und die der Landwirte besser kalkulierbar, sind also wichtig, um die Risiken im Zaum zu halten. So kann ein Landwirt heute schon sein physisches Geschäft abschließen, er bekommt dann, wie bei einer Call-Option einen Referenzpreis, gebunden an die Matif und kann so von steigenden Märkten mit profitieren. „Da muss man sich nicht ärgern, wenn man zu früh abgeschlossen hat“, erläutert ein Händler das Sicherungsgeschäft. Er sagt: Nichts tun ist keine Option: Man sollte aktiv Risikomanagement betreiben und in Tranchen vermarkten, idealerweise schon vor der Ernte, je nach Risikotyp 20, 40 oder 60 Prozent Vorkontrakte. Für ihn steht fest: Das Pendel des Getreidemarktes ist angeschubst und derzeit ist keiner da, der es abbremst. Das ist der Grund, warum die Vermarktung spannend bleibt, erst recht in Zeiten des Klimawandels. 

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.