Koexistenz ist machbar
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Unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) untersuchte das EU-geförderte PRICE*-Projekt (http://price-coexistence.com/), ob die Koexistenz von GV- und nicht-GV-Lebensmitteln möglich ist.
In allen EU-Ländern gelten Regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Produkt als "gentechnikfrei" gekennzeichnet werden darf. Entsprechend gibt es Auflagen für den Anbau von GV- und nicht-GV-Pflanzen auf benachbarten Feldern, genauso wie für die Verarbeitung, den Transport und den Vertrieb.
Diese Maßnahmen sind mit Kosten verbunden, die teils auf die Verbraucher umgelegt werden. Strengere Vorgaben, so ein Ergebnis der Studie, würden sich wegen der die verfügbare Menge an gekennzeichneten GV-freien Nahrungsmitteln**, zum Beispiel Soja, deutlich reduzieren.
Koexistenz auf kleinen, eng benachbarten Flächen
Die Studie belegt, dass die Koexistenz-Maßnahmen auch auf kleinen Anbauflächen greifen. "In unseren zweijährigen Versuchen auf kleinen Flächen in Spanien haben wir zwei Maßnahmen überprüft," sagt Projektleiter Prof. Justus Wesseler. "Zum einen Pufferzonen zwischen GV- und nicht-GV-Feldern, zum anderen unterschiedliche Aussaatzeiten, um zu vermeiden, dass die Pflanzen zur gleichen Zeit blühen."
"In Deutschland, Tschechien und Spanien fanden zudem Versuche mit Mais statt, deren männliche Pflanze sterile Pollen produziert - eine weitere effektive Maßnahme, um Kontaminationen zu vermeiden."
Diese Ergebnisse zeigen, dass einheitliche Mindestabstandsregeln wie zum Beispiel in Deutschland vorgeschrieben, nicht in Relation zur Einhaltung des gesetzlichen Grenzwertes von 0,9 Prozent stehen und zu unnötigen Kosten und Probleme für landwirtschaftliche Betriebe führen.
Landwirte sehen Pufferzonen als realistische Möglichkeit
Die Forscher befragten darüber hinaus 1.473 Landwirte in Deutschland, Spanien, Portugal und Großbritannien zum Thema "Koexistenz". Unabhängig davon, wie die Landwirte aktuell anbauen, gaben sie zu Protokoll, prinzipiell Pufferzonen einrichten und die Daten fünf Jahre vorhalten zu können. Als eher problematisch werteten sie unterschiedliche Aussaatzeiten - und das Risiko von Schadensersatzzahlungen."
Um Landwirte bei der Entscheidung über die geeigneten Koexistenz-Maßnahmen zu unterstützen, entwickelten Wissenschaftler ein Computerprogramm. "Das Tool basiert auf Wetterdaten - zum Beispiel die vorherrschende Windrichtung -, geographischen Daten sowie der Pflanzenart und dem Genfluss. Damit können Landwirte die Wahrscheinlichkeit für Kreuzungen zwischen GV- und nicht-GV-Pflanzen berechnen. Außerdem lässt sich mit der Software ermitteln, welche Auswirkungen Pufferzonen oder Blühzeiten haben", erklärt Wesseler.
Gentechnikfreie Produkte: Nischenmarkt in Europa
Eine Umfrage in der Mais- und Soja-verarbeitenden Industrie in Deutschland, Italien, Portugal und Schweiz zeigte, dass der größte Anteil importierter Futtermittel bereits mit gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt wird.
Wesseler: "Daneben gibt es auch Gentechnik-freie Lieferketten wie zum Beispiel die entsprechend gekennzeichnete Milch in Deutschland. In Deutschland sind diese Produkte meist Teil einer größer angelegten Marketing-Strategie für Bio-, traditionelle oder regionale Produkte. Europaweit gesehen bilden GV-freie Produkte einen Nischenmarkt."
"Dank PRICE können wir belegen, dass die Koexistenz von GV- und nicht-GV-Lebensmitteln im Rahmen der EU-Gesetzgebung funktioniert. Niedrigere Grenzwerte oder strengere Auflagen würden aus unserer Sicht Engpässe im Futtermittelbereich nach sich ziehen - Beispiel Soja. Europa müsste dann mehr Endprodukte einführen und die Lebensmittelpreise würden steigen", so Wesseler abschließend.
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* PRactical Implementation of Coexistence in Europe
** Laut geltender Gesetzgebung können Pflanzen als "gentechnikfrei" gekennzeichnet werden, wenn der Anteil genveränderter Organismen bei unter 0,9 Prozent liegt. Einzelne Produzenten und Handelsketten legen deutlich strengere Vorgaben an, insbesondere für Produkte aus dem Ökolandbau.
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