Aushängeschild für die Region
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Als Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit des Obstbaus in der Region und als Plattform zur Werbung für heimisches Obst wertete Helmut Jäger die Messe. Dabei wollte der Vorsitzende der Obstregion das wirtschaftlich schlechte Umfeld für die Betriebe nicht verschweigen. Selbst wenn man das miserable Jahr 2014/15 abhake, so wirkten die Folgen des Russlandembargos, des im vergangenen Jahr eingeführten Mindestlohns und der EU-Rekordernte noch nach. Exporte in Drittstaaten seien noch immer nur zarte Pflänzchen. Der Mindestlohn verteuere die Produkten in diesem Jahr um zwei Cent pro Kilo Äpfel und im nächsten um weitere zwei Cent. Die höheren Produktionskosten lassen sich aber am Markt nicht erlösen.
Nur schwarze Null zu erwarten
"Mehr als eine schwarze Null ist wohl auch für die Erntekampagne 2015/16 nicht zu erwarten", befürchtet Jäger. Dabei übte er Kritik an den Rabattaktionen des Handels, über die heute rund 20 Prozent der Waren verschleudert würden, eine Verdoppelung binnen zehn Jahren. Obst und Gemüse seien noch immer die Köderangebote, mit denen Verbraucher in die Ladengeschäfte gelockt würden. Er appellierte an den Handel, die Existenz bäuerlicher Familienbetriebe nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Aber auch an die Politik richtete sich seine Kritik, die dem globalen Warenfluss Tür und Tor öffne. Jäger verwies dabei auf die EU-Osterweiterung sowie auf den Abbau von Handelshemmnissen mit Drittstaaten. Trotz einer Selbstversorgung von nur 60 Prozent bei Obst sei die Vermarktung auf den Export angewiesen. Ein Grund dafür sah er in der wachsenden, ungerechtfertigten Kritik am Pflanzenschutz in der konventionellen Produktion durch Nichtregierungsorganisationen, Umwelt- und Bioverbände. Der Vorsitzende der Obstregion warnte vor überzogenen Hoffnungen in die alleinige Bioproduktion. Denn wenn die Bioschiene erst mal im Discount angelangt sei, werde auch sie in den Preisstrudel nach unten gezogen.
Segel neu setzen
Schwierige Zeiten zum Anlass zu nehmen, über mögliche Änderungen nachzudenken, dazu ermunterte Dr. Manfred Büchele die Branche. Der Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee (KOB) in Bavendorf erinnerte an die Fruchtwelt vor zwei Jahren, als die Obstbauwelt nach zwei guten Ernten noch heil und die Investitionsbereitschaft hoch war. Dann aber kam das Russlandembargo und die Preise purzelten noch bevor der erste Apfel geerntet war. Schnelle Lösungen für solche Situationen gebe es nicht, nicht in der Politik und nicht in der Wissenschaft. Möglich seien nur vorausschauende Strategien und kontinuierliche Arbeit. Dies gelte auch für die Forschung am KOB, insbesondere für die neue Bedrohung des Obstbaus durch die Kirschessigfliege. Hier arbreite das KOB über die EU-Grenze hinweg in einem Interreg-Projekt mit der Schweiz zusammen bei der Suche nach Bekämpfungskonzepten. Aber auch im Biobereich werde wichtige Versuchsarbeit geleistet dank des mit Hilfe des Landes aufgebauten Ökoversuchs- und Modellbetriebs.
Für wichtiger denn je erachtet Büchele gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten den schnellen Wissenstransfer neuer Forschungserkenntnisse in die Praxis. Hier könne die vom Land neu aufgestellte Beratung hilfreich sein. Während der ökologische Beratungsdienst bereits aktiv sei, gebe es in der integrierten Produktion noch kein Angebot. Büchele forderte dazu auf, die Kräfte auch hier zu bündeln und vorhandene Potenziale zu nutzen.
Ein Lob für die enge und vorbildliche Zusammenarbeit in der Obstvermarktung am Bodensee gab es von Landwirtschaftsminister Alexander Bonde. Längst stehe die Marke Obst vom Bodensee für Qualität und Regionalität, was die Marktchencen der Erzeuger verbessere. Das Land unterstütze die Branche über Finanzmittel für Programme aus der zweiten Säule und entlohne damit Leistungen, die der Markt nicht honoriere. Das schlechte Jahr 2015 habe aber gezeigt, dass die globale Marktentwicklung einen enormen Preisdruck zur Folge haben könne. Verstärkt wurde die wirtschaftlich schlechte Situation der Obstbaubetriebe zusätzlich durch die extreme Hitze. Dies zeige, dass die Landwirtschaft dringend Instrumente zur eigenen Vorsorge brauche. Bonde forderte in diesem Zusammenhang eine steuerfreie Risikorücklage für die Landwirtschaft, um auf Marktstörungen reagieren zu können.
Außerhalb von Schutzgebieten keine Genehmigungspflicht für Netze
Bonde verwies weiter auf das Wachstumspotenzial im Öko-Obstbau. Hier gelte es den sich bietenden Markt zu besetzen, zumal die Nachfrage nach Öko-Obst aus dem eigenen Land noch nicht gedeckt werden könne. Das Land leiste hier Unterstützung über den Aktionsplan "Bio aus Baden-Württtemberg". Etwas kryptisch drückte sich der Minister zu geplanten Neuerungen beim Grünlandumbruchverbot aus und kündigte neu definierte Ausnahmen in einer Verordnung an, die noch in diesem Monat in Kraft treten soll. Eine weitere Verbesserung habe es bereits im Herbst gegeben, als die Genehmigungspflicht für Netze außerhalb von Schutzgebieten revidiert wurde. Der Anbau unter Hagelnetzen sei gute obstbauliche Praxis.
Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau, bedauerte, dass der Mindestlohn trotz vieler Initiativen nicht abgewendet werden konnte. Noch konnte durch den Mindestentgelttarif zwar eine gewisse Erleichterung erreicht werden, doch für die Zukunft sieht es laut Müller düster aus. Die Gewerkschaften forderten bereits einen Mindestlohn in Höhe von zwölf oder 13 Euro. "Das halten unsere Betriebe nicht aus", kritisierte er heftig und erneuerte seine Forderung nach einer Differenzierung der Steigerungsraten für die Saisonarbeitskräfte.
Schulterschluss der Branche
Angesichts der wachsenden Handelsmacht, wobei er auf die jüngst erfolgte Freigabe der Fusion von Tengelmann und Edeka abhob, müsse die Obstbaubranche enger zusammenrücken. Dies betreffe sowohl die Qualitätsausweisung als auch die Vermarktung. Gleichzeitig befürwortete er eine auf Bundesebene beschlossene Imagekampagne, in die die Betriebe freiwillig in einen Finanztopf einzahlen sollten.
"Der deutsche Obstbau war schon immer innovativ, kreativ, anpassungsfähig und von Natur aus zäh", erklärte Jens Stechmann, Vorsitzender des Bundesausschusses für Obst und Gemüse (bog). Diese Eigenschaften seien derzeit aber auch bitter nötig, um die Zukunft zu meistern angesichts der Vielzahl an Problemen, mit denen sie sich derzeit konfrontiert sehen. Beim Mindestlohn seien die höheren Kosten über den Markt nicht zu erlösen und bei den Dokumentationspflichten stehe der Aufwand bei weitem nicht im Einklang mit dem Nutzen. Außerdem erkenne der Berufsstand die Notwendigkeit von Kontrollen, aber nicht mit 15 bis 20 Beamten mit schussicheren Westen. Bei der Beschäftigung von Flüchtlingen seien Ge- und Verbote fehl am Platz, vielmehr müssten Leistungsanreize geschaffen werden. "Wir müssen dem Verbraucher klar machen, dass neben Saisonalität und Regionalität eben auch der Mindestlohn und Sozialstnadards faire Preise fordern", unterstrich Stechmann mit dem Verweis, dass es diese eben nicht zum Nulltarif gebe.
Strukturwandel beschleunigt
Schon heute habe der Mindestlohn erheblichen Einfluss auf den Strukturwandel im Obstbau. Bei jährlich drei Prozent Betriebsaufgaben und derzeit 3600 Baumobstbetrieben mit mehr als zwei Hektar Fläche würden in 30 Jahren nur noch 1250 Betriebe produzieren und von heute 1200 Erdbeerbetrieben blieben nur noch 450 übrig.
Auswirkungen nicht nur auf den Absatz und die Vermarktung, sondern auch direkt auf die Produktion befürchtet Stechmann durch die wachsende Konzentration des Handels. Die verbleibenden Handelsbetriebe werden wachsen, der Verdrängungswettbewerb an Schärfe zunehmen. "Hier noch neue Sorten in die Ladenregale zu bringen, das wird schwer werden, denn das bedeutet stets einen Mehraufwand, um diese bekannt zu machen" befürchtet der bog-Vorsitzende. Parallel dazu werde Beratung und das Versuchswesen abgebaut.
Heftige Kritik übte Stechmann an der immer unsachlicheren Kritik am chemischen Pflanzenschutz. "Wir haben es satt, immer wieder als Umweltverschmutzer, Vergifter der Nation und Buhmänner hingestellt zu werden", machte er seinem Unmut Luft und verwies darauf, dass ohne sachgerechten Pflanzenschutz keine Obstproduktion möglich sei. Der deutsche Obstbau handle verantwortungsbewusst. Die auch deshalb, weil jeder Obstbauer seinen Hof an die nächste Generation weitergeben wolle.
Imagekampagne soll starten
Stechmann appellierte aber auch an seine Berufskollegen, sich bundesweit auf Erzeugerebene besser aufzustellen und sich nicht gegenseitig auszuspielen. Dabei konnte er einem Zukunftsszenario, das Helwig Schwartau von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft für den Obstbau im Jahr 2050 mit bundesweit nur noch einer Erzeugerorganisation entworfen hat, durchaus Sympathien abringen. "Wenn wir im Markt bestehen wollen, dürfen wir uns gegenseitig nicht ausspielen", lautete sein Credo. Dringend nötig sei angesichts des schwindenden Apfelkonsums aber eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit. Dazu will der Berufsstand selbst Geld in die Handnehmen und die Produktion und die Arbeit der Obstbauern darstellen. Damit will man verlorenes Vertrauen der Verbraucher und Medien zurückgewinnen, wie Stechmann ankündigte. Dieses Ziel soll durch den Aufbei einer Kommunikaitonsstelle erreicht werden, die als Anpsrechpartner für Nichtregierungsorganisationen, Journalisten und weiterer Multiplikatioren wie Lehrer fungiert. Finanziert werden soll dies über eine Solidargemeinschaft der Betriebe, die freiwillig in einen Topf einzahlen sollen.
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