Nasses Grünland, neue Arten?
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Die Landschaftsökologin Dr. Julia Walter von der Universität Hohenheim befürchtet, dass sich unter dem Einfluss häufiger Staunässe die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Pflanzenfressern und den Wurzelpilzen verändern und so diese Gemeinschaften aus dem Gleichgewicht geraten könnten. Um diese Hypothese zu testen, hat sie Anfang letzten Jahres ein Forschungsprojekt gestartet, das diesen Fragen auf den Grund gehen will.
Verschiedene hydrologische Bedingungen im Experiment
Die Wissenschaftlerin hat für ihre Experimente über 120 Grünland-Soden ausgestochen und ca. 900 Graslandgemeinschaften, Monokulturen und Einzelpflanzen angesät. Alle wachsen in 30 cm hohen Töpfen.
„Diese Töpfe stehen auf einer Versuchsstation der Universität, dem Heidfeldhof“, erklärt sie. „Nun stellen wir in den Töpfen fünf verschiedene Wasserstände ein – von sehr trocken bis extrem nass. Außerdem untersuchen wir die Auswirkung von gepulstem Stress im Vergleich zu chronischem, indem wir komplette Überschwemmung bzw. Dürre für einen kurzen Zeitraum von rund drei Wochen etablieren.“
Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und anderen Organismen im Fokus
Die Forscher wollen wissen, ob sich die Produktivität der Wiesen und die Inhaltsstoffe der Pflanzen unter Wasserstress verändern. Doch nicht nur die Pflanzen selbst stehen im Fokus, sondern vor allem die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und anderen Organismen.
„Uns interessieren auch die Wechselwirkungen mit den blattfressenden Insekten. Im Experiment setzen wir Larven auf die Pflanzen oder füttern sie mit dem Aufwuchs“, berichtet Dr. Walter. Die Frage sei, ob veränderte Bodenfeuchte einen Einfluss darauf hat, wieviel sie fressen, wieviel Gewicht sie ansetzen, wie lange es bis zur Verpuppung dauert und wie viele erwachsene Tiere letztlich schlüpfen. „Man weiß, dass die Tiere bei Trockenheit etwas länger fressen, dafür aber auch schwerer werden. Ob das bei Nässe womöglich umgekehrt gilt, bleibt abzuwarten.“
Mit Bestäubern gibt es ebenfalls Wechselwirkungen, die im Projekt untersucht werden. „Eine veränderte Bodenfeuchte könnte Blütenpflanzen absterben lassen, so dass dann Gräser dominieren“, mutmaßt Dr. Walter. „Oder das Nektarangebot könnte sich ändern. Beides ist von Trockenstress bekannt, doch der Einfluss von Staunässe ist ein unbeschriebenes Blatt.“ Die Forscher wollen daher Parameter wie Gräser-Anteil, Blütengröße oder Zuckergehalt des Nektars bestimmen und die Verweildauer von Bestäuber-Insekten auf der Blüte messen.
Experimente schließen auch Wurzelpilze ein
In Zusammenarbeit mit Dr. Derek Persoh von der Ruhr-Universität Bochum steht zudem die Frage auf dem Programm, wie sich die verschiedenen hydrologischen Bedingungen auf Wurzelpilze auswirken. „Die sogenannten Mykorrhiza-Pilze leben in Symbiose mit den Pflanzen. Sie sorgen für eine verbesserte Nährstoffaufnahme“, erklärt Dr. Walter. „Wenn sie durch Staunässe geschädigt werden, kann das für die Pflanzen zum Problem werden, was wiederum Pflanzenfresser und Bestäuber beeinträchtigen kann.“
Und wenn sich die Pflanzengemeinschaft verändert, wirkt sich das auch auf die chemische Zusammensetzung der Streu und deren Abbauzeiten aus. „Das verändert den Nährstoffkreislauf im System. Eigentlich beschleunigt Feuchtigkeit den Abbau, aber wenn es zu nass wird, kann das wiederum bremsen.“
Die möglichen Konsequenzen: „Im schlimmsten Fall könnte das Netzwerk zusammenbrechen. Wenn es zu wenig oder qualitativ zu schlechte Nahrung für Bienen und Pflanzenfresser gibt, könnten ganze Populationen einbrechen. Und das kann eine Kaskade lostreten, die sich über die Nahrungskette fortsetzt.“
Doch für genauere Aussagen müssten noch viele Fragen geklärt werden, betont Dr. Walter – und baut auf die Ergebnisse ihres Projektes in drei Jahren.









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