Alte Sorten für die Zukunft
Wir haben konventionelle und ökologische Saatgutproduzenten und -händler zu ihrer Produktpalette Ökosaatgut befragt. Wie entwickelt sich der Markt? Spielen alte Landsorten und Urgetreide eine Rolle? Lesen Sie hier die vollständigen Antworten auf acht Fragen.
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Beteiligt haben sich an unserer Umfrage folgende Saatgutproduzenten und Handelshäuser:
- Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Biodynamische Pflanzenzüchtung, als Verein organisiert, züchtet seit 35 Jahren.
- Landbauschule (LBS) Dottenfelderhof: biodynamische Getreide- und Gemüsezüchtung, seit 2016 Kooperationspartner des Bundessortenamtes, offizieller Standort für einige Prüfungssortimente.
- Keyserlingk-Institut: Saatgutforschung und Getreidezüchtung im biodynamischen Landbau, als Verein organisiert.
- Deutsche Saatveredelung AG: eines der führenden deutschen Pflanzenzuchtunternehmen mit Sitz in Lippstadt, Schwerpunkt: Gräser, Raps und Getreide
- Hauptsaaten für die Rheinprovinz GmbH: Sortenvertriebs- und Dienstleistungsunternehmen, das unter dem Label „Hauptsaaten – Seed and Service“ bundesweit auftritt, züchtet nicht selbst.
- BayWa AG: Mischkonzern mit Pflanzenzucht, Hauptsitz in München
- Interessengemeinschaft (I.G.) Pflanzenzucht GmbH: Vertriebsorganisation in Deutschland mit 11 Gesellschaftern, die ihre Sorten durch die I.G. Pflanzenzucht vertreiben lassen, Marktführer beim Wintergetreide.
- EURALIS Saaten GmbH: Deutsche Niederlassung des französischen Saatgutunternehmens EURALIS Semences SAS. Entstand 2002 unter anderem aus der EURALIS Saatzucht GmbH.Schwerpunkte: Mais, Raps, Sonnenblumen, Sorghum und Soja.
- KWS SAAT SE & Co. KGaA: 1856 gegründetes Pflanzenzüchtungs- und Biotechnologie-Unternehmen mit Sitz in Einbeck. Weltweit viertgrößter Saatguthersteller nach Umsatz aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen.
- BSV Saaten: Saatgutzucht seit über 80 Jahren. Zweites Standbein: Beratung und Belieferung des Fachhandels für Heimtiernahrung, Rasen- und Gemüsesaatgut
- SECOBRA Saatzucht GmbH: Deutsche Tochter des französischen Züchterhauses SECOBRA Recherches SAS. Schwerpunkt: Weizen- und Gerstensorten.
- R.A.G.T. Saaten Deutschland GmbH: Bietet seit über 25 Jahren nahezu alle für die Landwirtschaft wichtigen Kulturarten an, Marktführer in der deutschen Soja-Zucht. Sitz im ostwestfälischen Hiddenhausen
- Saaten-Union GmbH: Vertriebsorganisation für sieben mittelständische deutsche Pflanzenzüchter. Neben Mais, Weizen, Gerste und Roggen bietet das Unternehmen eine größere Sortenauswahl bei Zwischenfrüchten, Gräsern und Erbsen.
- Limagrain: Vertriebsarm der französischen Groupe Limagrain, einem der Marktführer für landwirtschaftliches Saatgut weltweit. Sortenportfolio aus den Kulturen Mais, Getreide, Gräsern, Eiweiß- und Ölpflanzen.
Welchen Marktanteil hat Ökosaatgut in Ihrem Unternehmen? Welche Kulturen stellen den Löwenanteil?
LBS Dottenfelderhof: Als Öko-Züchter entwickeln wir Getreidesorten für die Bedingungen des Öko-Landbaus. Das heißt aber nicht, dass diese Sorten nicht auch für den konventionellen Anbau geeignet seien. Gerade die Brandresistenzen unserer Sorten dürften von Interesse sein. Die höchste Sortenvielfalt findet sich beim Winterweizen.
Keyserlingk-Institut: Einnahmen aus Saatgutverkauf decken nur 10 bis 20 Prozent der Ausgaben. Den Löwenanteil stellen Weizen und zum geringem Umfang Linsen.
Getreidezüchtung Peter Kunz gzpk: gzpk züchtet seit 35 Jahren biodynamisches Saatgut. Weizen und Dinkel machen den größten Anteil beim Getreide aus, daneben fokussieren wir uns auf Erbsen und Lupinen.
Limagrain: Ökosaatgut hat noch einen vergleichsweise geringen Anteil bei Limagrain. Das größte Angebot haben wir beim Mais. An zweiter Stelle steht das Getreide.
Saaten-Union: Der Ökobereich stellt zurzeit einen eher kleineren Anteil an unserem Gesamtumsatz dar. Besonders hervorzuheben sind aber dennoch unsere viterra®-Zwischenfruchtmischungen für den Ökobereich, Ackerbohnen, Futtererbsen, Dinkel und Hafer. Aber nicht der Löwenanteil einer Sorte bringt das Wachstum, sondern unser vielfältiges Angebot über alle ackerbaulich relevanten Kulturen.
R.A.G.T.: Innerhalb unseres Unternehmens hat Soja prozentual den größten Öko-Anteil mit mehr als 10 Prozent. Getreide und Mais liegen unter 3 Prozent.
Deutsche Saatveredelung: Der Anteil von Ökosaatgut an den Warenverkäufen der DSV beträgt rund 6 Prozent. Es werden Gräser, Klee und Zwischenfrüchte als Einzelkomponenten im Bereich Öko vermarktet. Einen großen Anteil nehmen aber auch unsere Mischungsprogramme COUNTRY Öko, das sind Grünland- und Futterbaumischungen, und TerraLife® Öko, artenreiche Zwischenfruchtmischungen, ein.
Hauptsaaten: Hauptsaaten vertreibt Öko-Raps, Öko-Mais, Öko-Getreide (Sommer und Winter) sowie Öko-Leguminosen. Den größten Anteil hat ganz klar das Getreide. Die Öko-Vermehrungsfläche bei Getreide und Leguminosen beträgt rund 12 Prozent unserer Gesamtflächen. Da die Erntemengen aber deutlich geringer sind als bei konventioneller Ware, wird der Marktanteil in unserem Unternehmen in diesem Segment rund 5 Prozent betragen. Bei Handelsware wie Raps und Mais sind die Marktanteile mangels Gesamtvolumen des Ökomarktes noch deutlich geringer.
BayWa AG: Wir verfügen über ein breites Portfolio für den ökologischen Landbau angefangen mit Getreide über Mais, Feldsaaten, Mischungen und vieles mehr. Unser Anspruch ist es, ein möglichst breites Angebot über alle Kulturen zu haben. Für die bevorstehende Aussaat können Landwirte aus über 60 Öko-Sorten an Saatgetreide, Grünland, Ackerfutter und Einzelsaaten wählen.
I.G. Pflanzenzucht: Wir sind stolz sagen zu können, dass der Anteil an Ökosaatgut bei der IG Pflanzenzucht bei 9 Prozent liegt. Den Löwenanteil stellen bei uns die Sommerungen, insbesondere unser Hafer. Knapp 30 Prozent unserer Hafer-Vermehrung dient der Produktion von Ökosaatgut.
Euralis: Euralis vertreibt Sorten der Kulturen Mais, Sonnenblume und Soja auch als Öko-Saatgut. In Deutschland wird die größte Menge an Öko-Mais nachgefragt, den größten Anteil macht aber Öko-Soja mit etwa 30 Prozent der gesamten Sojamenge aus. Als führender Züchter von GVO-freiem Sojasaatgut in Europa kann Euralis sich nun auch als Marktführer im Öko-Sonnenblumen-Segment platzieren.
KWS Saat: Öko-Saatgut hat für die KWS schon lange Bedeutung – bereits seit 2002 selektiert KWS geeignete Sorten für den ökologischen Landbau und zählt damit zu den Pionieren der Branche. Wir bieten für den ökologischen Ackerbau die gesamte Palette, in der wir auch konventionell stark sind, also Mais und Zuckerrüben sowie Getreide und Erbsen. Für die Saison 2018/19 vertreibt KWS über alle Kulturen hinweg 26 Öko-Sorten, aus denen der Landwirt für seinen Standort die passende Sorte wählen kann.
BSV Saaten: Marktanteile sind schwer schätzbar, allerdings ist der Verkauf die letzten Jahre stärker gewachsen als der Markt. Verkauft werden Saatgutmischungen für Feldfutter und Begrünung sowie Saatgetreide und Saatmais. Die Saatgutmischungen stellen den Löwenanteil.
Secobra Saatzucht: Der Marktanteil liegt noch im einstelligen prozentualen Bereich. Primär Winterweizen und Wintergerste.
Hat sich dieser Anteil in den vergangenen Jahren verändert?
LBS Dottenfelderhof: Das Angebot von ökologisch gezüchteten Sorten wächst von Jahr zu Jahr.
Keyserlingk-Institut: Nein.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Der Leguminosen-Teil konnte in den letzten Jahren aufgrund Projektfinanzierungen ausgebaut werden. Die erfolgreiche Mais- und Triticale-Züchtung musste leider aufgrund fehlender Finanzierung reduziert werden.
Limagrain: Der Anteil an Öko steigt stetig an, aber immer noch auf relativ geringem Niveau.
Saaten-Union: Der Anteil ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Dies zeigt uns wiederum, dass unsere Ausrichtung der Züchtungsziele auf Gesundheit, Nährstoffeffizienz, Qualität und Ertrag nicht nur für den konventionellen Landbau die richtige Entscheidung darstellt. Auch unsere züchterischen Anstrengungen im Bereich der extensiveren Kulturen wie Dinkel, Hafer, Erbse, Ackerbohne usw. bilden hierbei eine entscheidende Grundlage für diese positive Entwicklung.
R.A.G.T.: Die Tendenz der absoluten Verkäufe ist definitiv steigend.
Deutsche Saatveredlung: Die Ökoabsatzmenge wächst bei der DSV seit Jahren kontinuierlich. Fast jährlich um rund 10 Prozent.
Hauptsaaten: Ja, der Anteil ist deutlich gewachsen. Unsere Vermehrungsflächen konnten wir von 70 ha (Ernte 2016) auf etwa 1.300 ha (Ernte 2019) steigern. Mit Handelsware (Raps und Mais) sind wir erst in 2018 gestartet. Hier geht es ebenfalls deutlich vorwärts.
BayWa AG: Ja, Ökosaatgut hat sich über die letzten Jahre aus einer Nische hin zu einer wichtigen Säule unseres Saatgutgeschäfts entwickelt. Dabei baut unser Sortenangebot immer mehr auf eigene Vermehrungen und Sorten/Kulturen auf, die vom Landwirt im Anschluss auch vermarktet werden können.
I.G. Pflanzenzucht: Ja, zu unserer Freude steigt der Anteil an Ökosaatgut bei der IG Pflanzenzucht von Jahr zu Jahr.
Euralis: Der Öko-Markt steigt stetig an und auch der Marktanteil von Ökosaatgut hat bei Euralis ein konstantes Wachstum. Mit 60 Jahren Erfahrung in der Pflanzenzüchtung begegnet Euralis dem wachsenden Trend der Nachfrage an biologisch erzeugten Produkten mit neuen Sorten. Beim Öko-Mais verstärken die bekannten Sorten ES Metronom Bio und ES Perspective Bio das Sortiment und neben ES Comandor sind ES Favor und ES Governor die neuen Öko-Sojasorten.
KWS Saat: Insbesondere bei Mais und beim Getreide – letzteres mit Schwerpunkt bei Weizen und Roggen – hat sich ein starkes Wachstum gezeigt. In jüngster Zeit ist auch bei der Zuckerrübe ein steigender Wachstumstrend feststellbar.
BSV Saaten: Die letzten Jahre ist der Anteil der Saatgutmischungen an der Gesamtabsatzmenge eher etwas rückläufig, da Neuumsteller auf ökologische Landwirtschaft häufig mehr Saatmais in der Fruchtfolge haben, als die Betriebe, die vor 15 oder 10 Jahren umgestellt haben.
Secobra Saatzucht: Der Anteil ist insbesondere im letzten Jahr durch die Neuzulassung der Öko-Winterweizensorten Wendelin und Purino gestiegen.
Welche besonderen Anforderungen stellt der ökologische Landbau an Saatgut?Worin unterscheiden sich an den Bedarf des Ökolandbaus angepasste Sorten von Sorten für den konventionellen Ackerbau?
LBS Dottenfelderhof: Hinsichtlich der Saatgutqualität gelten im Öko-Landbau höhere Anforderungen als konventionell. Das betrifft zum Beispiel den Sporenbesatz mit Steinbrand (Tilletia ssp.) am Korn. Saatgut für den Öko-Landbau sollte fertil und nachbaufähig sein. Aufgrund des fehlenden chemischen Pflanzenschutzes müssen Öko-Sorten Unkraut unterdrücken und sind daher in der Regel länger und weisen eine andere Morphologie (planophile Blatthaltung) auf. Aus dem gleichen Grund müssen Öko-Sorten perse gesünder sein, was vor allem saatgutübertragbare Krankheiten betrifft. Da keine mineralischen N-Dünger eingesetzt werden, dürfen Öko-Sorten in Abhängigkeit von der Vermarktung nicht einseitig auf Ertrag gezüchtet werden, sondern müssen in erster Linie den Anforderungen an die Qualität (Backfähigkeit) genügen.
Keyserlingk-Institut: Saatgutanforderungen sind gesetzlich vorgegeben, da gibt es keine Sonderregelungen für den Ökolandbau.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Das Saatgut muss im Ökolandbau ohne chemische Behandlungen, ohne Pestizide und ohne mineralischen Dünger auskommen. Frohwüchsige und gesund abreifende Sorten stellen für die Ertrags- und Qualitätsbildung wichtige Faktoren dar.
Limagrain: Grundsätzlich sehen wir keine gravierend abweichenden Anforderungen zwischen dem konventionellen und dem ökologischen Anbauverfahren an das Betriebsmittel Saatgut. Für beide gelten die gleichen Qualitätsanforderungen hinsichtlich technischer Reinheit, Besatz und Keimfähigkeit. Durch die fehlende Möglichkeit der chemischen Beizung im Ökolandbau muss allerdings hinsichtlich der samenbürtigen Brandkrankheiten eine gezielte Untersuchung jeder einzelnen Saatgutpartie erfolgen.
Saaten-Union: Gesundes, keimfähiges Saatgut mit einer hohen technischen Reinheit ist sowohl für den konventionellen als auch für den ökologischen Betrieb eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Ernte. Die Verwendung von zertifiziertem Saatgut bietet hier eine entsprechende Sicherheit. Die Absicherung gegenüber samenbürtigen Krankheiten bedarf darüber hinaus weiterer Maßnahmen. Können diese in der konventionellen Saatgutproduktion zum Teil über Beizen abgesichert werden, stehen für den ökologischen Landbau hierfür diverse Techniken, wie Bürstenmaschinen, Elektronenbehandlung oder der Einsatz FiBl-gelisteter Saathilfsmittel zur Verfügung.
Ein wesentlicher Punkt bei der Sortenwahl für den ökologischen Landbau ist die Fähigkeit über Wüchsigkeit, Pflanzenlänge und Bestandsdichte eine ausreichende Konkurrenzkraft gegenüber der Ackerbegleitflora aufzubauen. Diese kann zwar durch den Einsatz mechanischer Unkrautbekämpfungsmaßnahmen relativ kurzfristig reguliert werden, jedoch ist dies ab einem gewissen Zeitpunkt auch mit einer eheblichen Schädigung der auf dem Feld lebenden Bodenbrüter, Junghasen usw. verbunden.
Resistenzen gegen Krankheiten und ein robustes Auftreten gegenüber biotischen und abiotischen Stressfaktoren sind zwar genauso interessant für die konventionelle Landwirtschaft, doch stellen sie für den ökologischen Landbau eine der wichtigsten Stellschrauben dar, um Schädigungen der Pflanzen entgegenzuwirken.
Eine weitere Betrachtung gilt den Punkten Ertrag- und Qualitätssicherheit. Hierzu muss die Pflanze in der Lage sein, Nährstoffe über einen langen Zeitraum aufzuschlüsseln, aufzunehmen und effektiv umzusetzen. Dies ist gerade in Systemen, bei denen man nicht auf eine kurzfristige Nährstoffnachlieferung zurückgreifen kann, zu berücksichtigen.
Geschmack, Inhaltsstoffe und sensorische Eigenschaften des Endproduktes sind zum Teil auch ausschlaggebende Punkte für die Sortenwahl, die aber meist von dem Verarbeiter im Vertragsanbau vorgegeben werden.
R.A.G.T.: Da im ökologischen Landbau keine Beizung erfolgt, muss das Saatgut frei von samenbürtigen Krankheiten wie Flug- und Steinbrand sein. Ein Nachweis hierzu ist erforderlich.
Deutsche Saatveredlung: Die Anforderungen der Sorten und Mischungen im konventionellen und ökologischen Landbau sind sehr ähnlich. Es geht immer um ertragreiche, gesunde und ausdauernde Sorten. Das sind seit jeher unsere Zuchtziele. Bei der Zusammenstellung der Mischungen achten wir sowohl für den konventionellen als auch für den ökologischen Anbau auf standort- und nutzungsangepasste Kombinationen mit hohem Nachhaltigkeitsfaktor, wie Gesundheit, N-Effizienz oder Verdaulichkeit in der Rinderfütterung.
Hauptsaaten: Im ökologischen Landbau geht es nicht wie bei den konventionellen Kollegen überwiegend um Ertrag und Gesundheit. Hier gibt es weitere wichtige Eigenschaften wie schnelle Jugendentwicklung und zügige Bodenbedeckung, Striegelfähigkeit, gutes Nährstoffaneignungsvermögen und sichere Qualitäten.
BayWa AG: Im Ökolandbau gilt der Grundsatz: Wenn ökologisch vermehrtes Saatgut verfügbar ist, muss dieses auch verwendet werden. Das bedeutet für Züchter und den Handel, dass Vermehrungen auf ökologisch bewirtschafteten Flächen angelegt werden müssen. Bisher ist es gängige Praxis, dass Z-Saatgut zwar ökologisch vermehrt wird, dafür allerdings konventionell vermehrtes Vorstufensaatgut verwendet wird. Konsequenterweise müsste man von Anfang an auf eine Ökozüchtung setzen. Als erste Vermehrungsorganisations-Firma (VO-Firma) in Deutschland wird die BayWa AG künftig zertifiziertes Öko-Saatgut der Winterweizen-Sorte Elixer aus ökologischem Vorstufensaatgut produzieren lassen.
Im Ökolandbau gibt es Verschiebungen im Saatgutportfolio. Zum einen nehmen insbesondere Leguminosen und Sommerungen allgemein eine wichtige Rolle bei Öko-Saatgut ein. Aber auch beim Angebot von Saatgetreide gibt es Unterschiede, so zum Beispiel beim Dinkel, der im konventionellen Bereich im Gegensatz zu Öko aktuell geringe Bedeutung hat.
I.G. Pflanzenzucht: Neben der ökologischen Erzeugung ist die Gesundheit des Saatgutes immens wichtig. So wird das Saatgut insbesondere auf samenbürtige Krankheiten wie Steinbrände untersucht. Die Sorten unterscheiden sich nicht sehr voneinander, da die Gesundheit der Sorten im konventionellen Ackerbau eine immer wichtigere Rolle spielt. Jedoch wird bei den ökologischen Sorten stärker auf Jugendentwicklung, Bodendeckungsgrad, Blattstellung und -breite sowie die Pflanzenlänge und -stabilität geachtet.
Euralis: Das Euralis Öko-Saatgut zeichnet sich aus durch:
Starke Jugendentwicklung, da ein früher Reihenschluss zur intensiven Beschattung führt und kraftvolle junge Pflanzen effiziente Komponenten der Beikrautunterdrückung sind.
Ausgeprägte Blattgesundheit, denn nur ein gesunder Blattapparat kann dem Krankheitsdruck effizient entgegenwirken.
Krankheitstoleranzen und -resistenzen, die eine große Bedeutung sowohl in der Produktion als auch beim biologischen Anbau haben.
Außerdem ist beim Öko-Mais auch eine schnelle Wasserabgabe und Trockenheitsverträglichkeit, also ein guter Dry Down, wichtig. Hier ist die Öko-Maissorte ES Perspective Bio besonders zu erwähnen, die ausgestattet mit der exklusiven Tropical dent-Genetik nicht nur besonders ertragsstark und -stabil ist, sondern auch einen starken Dry Down zeigt.
Die Anforderungen unterscheiden sich nicht stark von denen konventioneller Sorten.
KWS Saat: Unabhängig von der Wirtschaftsweise des Landwirtes ist eine optimale Saatgutqualität die Grundlage für nachhaltig erfolgreichen Ackerbau. Faktoren wie die Vermehrung des Saatgutes unter geeigneten klimatischen Bedingungen gehört ebenso zur Sicherung bester Qualitäten wie die technische Aufbereitung mit höchstem Qualitätsanspruch und eine Logistik, die eine unversehrte und termingerechte Lieferung sicherstellt. Hierzu zählen auch die Untersuchung der Partien auf Keimfähigkeit und Triebkraft. Die Triebkraft und auch die Untersuchung auf samenbürtige Krankheiten spielen im Ökolandbau eine besonders wichtige Rolle.
BSV Saaten: Das Saatgut für den ökologischen Landbau sollte über eine hohe Sortenreinheit verfügen, das heißt, weniger Besatz mit Fremdarten aufweisen. Da die ökologische Produktion des Saatgutes vielfach schwieriger ist, sind leistungsstarke Reinigungsmaschinen gefragt. Nicht immer sind, insbesondere bei Saatgutursprüngen aus dem Ausland, diese hohen Ansprüche eingehalten. Laut Saatgutverordnung dürfen – unabhängig davon ob öko oder konventionell – beispielsweise im Rotklee in einer Anerkennungsprobe von 50 Gramm fünf Ampfersamen enthalten sein. In Ökobetrieben können diese fünf Ampfersamen allerdings zum Problem werden.
Secobra Saatzucht: Eine professionelle Saatgutreinigung garantiert qualitativ hochwertiges Saatgut ohne Unkrautsamen etc.. Da Saatgut für den ökologischen Anbau nicht gebeizt wird, liegt der Fokus auf der Gesundheit der Samen, insbesondere eine Untersuchung auf Steinbrand und Zwergsteinbrand, die im konventionellen Bereich mit einer chemischen Beizung bekämpft werden, ist Pflicht und kann auch nicht-chemisch bekämpft werden.
Brauchen Ökosorten andere Eigenschaften?
LBS Dottenfelderhof: Mit Bezug auf die bereits genannten Eigenschaften sollten Öko-Sorten über eine verstärkte aktive Nährstoffmobilisierung verfügen. Gefordert wird eine hohe Konkurrenzkraft gekoppelt mit hohem Unkrautunterdrückungsvermögen. Kurzstrohsorten sind nicht geeignet, auch weil Stroh für die Tierhaltung und für eine positive Humusbilanz wichtig ist. Eine breite Pflanzengesundheit betrifft vor allem die Roste, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Resistenzen sind vor allem gegenüber den Stein- und Flugbränden erforderlich. Kriterien, die eine hohe Ernährungsqualität (Verträglichkeit, Geschmack) sichern, sind für den Öko-Landbau besonders relevant. Nicht zuletzt spielt im Rahmen der Witterungsextreme des Klimawandels die Resilienz der Sorten eine zunehmende Bedeutung. Dies zusammen mit der Sicherung der Biodiversität ist künftig unbedingt zu beachten.
Keyserlingk-Institut: siehe Antwort auf Frage 3
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Ökosorten müssen mit den besonderen Bedingungen des Ökolandbaus zurechtkommen: zum einen mit weniger Nährstoffen und zum anderen müssen sie dem Unkraut- und Krankheitsdruck besser standhalten. Sie müssen also ganz allgemein formuliert robuster sein im Vergleich zu konventionellem Saatgut.
Limagrain: Der Ertrag und die der Verwertungsrichtung entsprechende Qualität steht auch bei den Öko-Sorten ganz oben im Anforderungsprofil. Unterschiede ergeben sich in der Priorisierung einzelner Resistenzen, bei der Unkrautunterdrückung und der Ertrags- und Qualitätsbildung bei geringerem N-Angebot.
Saaten-Union: Die Anforderungen des ökologischen Landbaus und der konventionellen Landwirtschaft nähern sich immer weiter an. Noch stehen der konventionellen Landwirtschaft Mittel zur Verfügung, um verhältnismäßig kurzfristig und gezielt auf ackerbauliche Probleme zu reagieren.
Dies ist im ökologischen Landbau bis auf einige Ausnahmen nicht immer möglich und erfordert eine verstärkte Betrachtung des gesamten Systems. Daher benötigt der ökologische Landbau die Berücksichtigung anderer Eigenschaften (siehe vorherige Frage), die aber auch zunehmend für den konventionellen Bereich bedeutsam werden.
R.A.G.T.: Die Anforderungen, die aus der landwirtschaftlichen Praxis an (Getreide-) Sorten gestellt werden, sind so verschieden, wie die Betriebe selbst. Im ökologischen Landbau werden beispielsweise im Weizen sowohl den konventionellen Sorten ähnliche Typen als auch sehr langstrohige Sorten nachgefragt. Zentral ist in jedem Fall eine gute Resistenzausstattung, beim Weizen insbesondere gegen Gelbrost. Bei Getreidesorten ist auch der Bodenbedeckungsgrad, der in den offiziellen Prüfungen bestimmt wird, von zentraler Bedeutung für die Unkraut- und Ungrasunterdrückung.
Deutsche Saatveredlung: Die Unterschiede sind heute nicht mehr ausgeprägt. Öko-Betriebe brauchen auch Ertrag, Gesundheit, Ausdauer (bei mehrjährigen Kulturen) und Effizienz. Es ist heute eher so, dass gesetzliche Rahmenbedingungen immer mehr dazu führen, dass die konventionelle Landwirtschaft „ökologischer“ wird und sich immer mehr konventionell gezüchtete Sorten in Empfehlungen für den ökologischen Landbau wiederfinden.
Hauptsaaten: Nein, sie brauchen Zusatzeigenschaften, wie oben beschrieben.
BayWa AG: Bei den Sorteneigenschaften spielt die Toleranz gegenüber verschiedenen Krankheitserregern eine noch größere Rolle als bei konventionellen Sorten. Auch die Fähigkeit zur Unkrautunterdrückung und eine zügige Jugendentwicklung spielen eine wichtige Rolle. Außerdem werden andere Qualitätstypen benötigt – beim Weizen zum Beispiel werden besonders qualitätsbetonte Sorten benötigt, die mit geringer Düngung hohe Kleber Werte erreichen.
I.G. Pflanzenzucht: Nicht zwangsläufig. Viele konventionell gezüchtete Sorten eignen sich sehr gut für den ökologischen Anbau, da sie alle Eigenschaften mitbringen, die im ökologischen Anbau ebenfalls nachgefragt werden. Der Ertrag und die Qualität spielen im konventionellen wie im ökologischen Landbau eine tragende Rolle bei der Sortenwahl, hierbei gibt es keinen Unterschied zwischen konventionell und ökologisch. Im Ökolandbau wird jedoch verstärkt auf eine hohe N-Effizienz der Sorten geachtet. Ein breites Resistenzspektrum gegenüber Krankheiten ist ebenfalls unerlässlich für eine Ökosorte. Durch strengere Auflagen in der Landwirtschaft achten allerdings jetzt schon viele konventionelle Landwirte auf die Resistenzeigenschaften und N-Effizienz von Sorten, in dieser Hinsicht gibt es kaum Unterschiede der Eigenschaften zwischen konventionellen- und Ökosorten.
Aber es gibt sie noch, die kleinen Unterschiede. Bei der Betrachtung der Pflanzenlänge gehen die Vorstellungen von konventionellen und ökologischen Landwirten eher auseinander. So präferiert der konventionelle Landwirt eher kürzere Typen, während der ökologische Landwirt längere Sorten bevorzugt. Jedoch muss die Standfestigkeit bei beiden stimmen. Der einfache Grund dahinter ist die erhöhte Beschattung des Bodens einhergehend mit einem verminderten Unkrautdruck. Man merkt somit, dass die Eigenschaften zwischen konventionellen und ökologischen Sorten näher beieinander liegen, als man denkt.
Euralis: Ökosorten brauchen die oben genannten Eigenschaften (Antwort auf Frage 3), da Pflanzenschutz- und Düngemaßnahmen stark eingeschränkt sind.
KWS Saat: Aufgrund der systemimmanenten Faktoren unterscheiden sich die Sorten in einzelnen Merkmalen in den Anforderungen für den ökologischen Anbau von denen für den konventionellen Landbau. So stellt der Verzicht auf mineralische Düngung, chemisch- synthetische Pflanzenschutzmittel sowie die temporär eingeschränkte Nährstoffverfügbarkeit spezielle und zusätzliche Anforderungen an die Sortenentwicklung für die Zielumwelt „Ökolandbau“. Dazu gehören eine frühe Jugendentwicklung, eine stärkere Bodenbedeckung sowie umfangreichere Resistenzen gegen Krankheiten. Eine gute genetisch verankerte Keimfähigkeit und Triebkraft zählen ebenso zu den für den Ökosorten wichtigen Eigenschaften wie die Toleranz gegenüber (temporärem) Stickstoffstress und generell ein gute Nährstoffeffizienz
BSV Saaten: Die Sorten für den ökologischen Landbau müssen robust, gesund und frohwüchsig sein, um Unkraut bestmöglich zu unterdrücken. Daher wird bei der Sortenwahl speziell auf die Gesundheit, Stresstoleranz und Unkrautunterdrückung der Sorten geachtet.
Secobra Saatzucht: Aktuell liegt der Fokus auf Sorten mit ausgesprochen guten Resistenzen gegen alle Blatt- und Ährenkrankheiten und einer guten Bodenbedeckung zur Unkrautunterdrückung. Sorten mit langem Stroh bei gleichzeitig hoher Standfestigkeit werden bevorzugt.
Spiegeln sich diese anderen Eigenschaften/besonderen Anforderungen auch in der Züchtungsarbeit Ihres Unternehmens wider?
LBS Dottenfelderhof: Die genannten Gesichtspunkte sind von der „Arbeitsgemeinschaft biodynamischer Pflanzenzüchter“ entwickelt worden und werden aktiv von allen Öko-Züchter*innen zur Anwendung gebracht. Hier findet von Anfang an die Züchtung unter ökologischen Bedingungen statt. Dies unterscheidet sich von den Sorten, die konventionell gezüchtet wurden und nur die ökologischen Prüfungsbedingungen des Bundessortenamtes bei der Zulassung durchlaufen haben.
Ein wichtiger Gesichtspunkt zur Steigerung der Resilienz und Biodiversität besteht in der Entwicklung von Populationen (Composite Cross/Vielliniensorten) bei Weizen, Gerste, Hafer und Mais. Bereits entwickelte Sorten stehen sowohl für den Öko- als auch den konventionellen Landbau zur Verfügung oder befinden sich bereits in erfolgreichem Anbau.
Keyserlingk-Institut: Ja.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): gzpk züchtet die Pflanzen auf biodynamischen Flächen und dies an fünf bis sechs klimatisch unterschiedlichen Standorten. Die Pflanzen werden in ihrer Wachstums- und Entwicklungsphase im Feld unter den Bedingungen begleitet, die sie später im Praxisanbau auch antreffen.
Limagrain: Natürlich spielt das bei der Selektion eine Rolle. Im Fokus stehen jedoch zunächst konventionelle Sorten. Wenn darunter jedoch Sorten mit guter Öko-Eignung zu finden sind, werden sie dementsprechend auch als Öko-Sorte in Betracht gezogen und weiterverfolgt.
Saaten-Union: Unser Unternehmen hat bisher kein eigenes Öko-Züchtungs-Programm. Dennoch orientieren sich unsere züchterischen Aktivitäten gerade im Bereich der extensiveren Kulturen wie Dinkel, Hafer, Roggen und Leguminosen zwangsläufig an vielen Belangen der ökologischen Landwirtschaft. Auch unser viterra®-Zwischenfruchtprogramm für den Öko-Bereich ist bezüglich der Zusammensetzung und Sortenauswahl speziell für den ökologischen Landbau konzipiert.
Wir sind aber dabei, aus unseren bestehenden Züchtungsprogrammen passende Kandidaten auszuwählen, um den Anforderungen des Öko-Bereichs auch weiterhin gerecht zu werden.
R.A.G.T.: Ja, wir selektieren gezielt auf Zuchtmaterial, das den zentralen Anforderungen des Ökolandbaus gerecht wird.
Deutsche Saatveredlung: In der Züchtung wird bei der DSV schon immer neben Ertragsfähigkeit auch auf Gesundheit und Nährstoffeffizienz gezüchtet. So kommt es, dass diese modernen Sorten dann auch gut in den ökologischen Landbau passen.
Hauptsaaten: Wir sind ein Sortenvertrieb und züchten nicht selbst. Dies bringt für uns große Vorteile, da wir so aus einer Vielzahl von Züchtungsprogrammen die besten Sorten für die Bedürfnisse unserer Kundschaft screenen und verkaufen können. Aktuell haben wir den Zugriff auf über 30 verschiedene deutsche und internationale Züchtungsprogramme, aus denen wir selektieren. So eine breite Auswahl hat wahrscheinlich kein anderer Sortenvertrieb.
Die besonderen Anforderungen für den Ökolandbau spielen natürlich eine wichtige Rolle bei der Selektion. Wir haben reine Ökosorten, die nur als ökologisches Saatgut vertrieben werden z. B. WW Alessio oder WW Edelmann, die dann auch spezielle Ökoanforderungen erfüllen. Wir haben aber auch Sorten die konventionell und ökologisch gut funktionieren wie z. B. HA Bison, SG Avalon oder SG Leandra.
BayWa AG: Wir achten in der Auswahl unserer Sorten darauf, dass diese die im Ökolandbau notwendigen Eigenschaften erfüllen. Zusammen mit der Raiffeisen Ware Austria (RWA) haben wir eine Tochterfirma, die Intersaatzucht (ISZ) in Hohenkammer, die sich auch mit Sorten für den ökologischen Landbau beschäftigt. Außerdem sind wir an einem namhaften, französischen Züchter beteiligt, aus dessen Programm im letzten Jahr zwei Sorten, die extra für den ökologischen Landbau gezüchtet worden sind, in Deutschland zugelassen wurden. Bei der Vermehrung der Winterweizensorte Elixer haben wir in diesem Jahr erstmals mit der gängigen Praxis gebrochen und lassen künftig zertifiziertes Saatgut aus ökologisch vermehrtem Vorstufensaatgut produzieren.
I.G. Pflanzenzucht: Unsere Züchter legten schon immer neben dem Ertrag und der Qualität einen hohen Wert auf die Gesundheit der Sorten. Das Ziel unserer Züchter ist stets für jeden Landwirt, egal ob konventionell oder ökologisch, für jede Bedingung die passende Sorte zu entwickeln. Umso mehr freut es uns, dass wir so viele Kulturen und Sorten für die ökologische Landwirtschaft anbieten können und sich diese in der Praxis und in den Versuchen immer wieder aufs Neue als starke Sorten beweisen.
Euralis: Natürlich spiegeln sich diese Eigenschaften auch in der Züchtungsarbeit des Unternehmens wider. Das Euralis Öko-Sortiment basiert auf einer Sortenwahl, die durch langjährige Anbauerfahrung für den Ökomarkt zusammengestellt wurde. Bis zur Auswahl durchlaufen die Öko-Sorten Versuchsstationen an verschiedenen Standorten in ganz Europa.
KWS Saat: Selbstverständlich. Unterschiedliche Gewichtung von Zuchtzielen sowie spezifische Anforderungen des Ökolandbaus erfordern eine zusätzliche Öko-Selektion in der Sortenentwicklung für den ökologischen Landbau. Die Vorselektion des Zuchtmaterials im konventionellen Zuchtprogramm unter Berücksichtigung der öko-spezifischen Erfordernisse ermöglicht jedoch die Übernahme des Zuchtfortschrittes von ertragsabsichernden Merkmalen in die Zielumwelt „ökologischer Landbau“. In der fortlaufenden Selektion wird das Zuchtmaterial zusätzlich einer mehrortigen Leistungsprüfung auf Ökostandorte unterzogen, da die Erträge zwischen den konventionellen und den Ökostandorten nur schwach korrelieren.
BSV Saaten: Unser Unternehmen züchtet nicht selbst, arbeitet aber mit unterschiedlichen Züchtern zusammen und hat daher Zugriff auf die beste Genetik für die ökologischen Landbau.
Secobra Saatzucht: Unsere Züchtungsarbeit zielt stets darauf ab, die kommenden Herausforderungen in 10 bis 15 Jahren vorherzusagen und dementsprechend zu züchten. Mit unserer herausragenden Resistenzzüchtung über die letzten 30 Jahre sind wir sehr gut aufgestellt für die Zukunft.
Welche Rolle spielen alte Landsorten beziehungsweise Urgetreidesorten?
LBS Dottenfelderhof: Alte Landsorten haben nur sehr begrenzte Bedeutung, da sie in der Regel keinen Züchtungsfortschritt aufweisen, der für die heutigen landwirtschaftlichen Bedingungen erforderlich ist. Jedoch können Landsorten bei regionaler Vermarktung teilweise eine Rolle spielen. Als genetische Ressource sind sie unverzichtbar, da sie womöglich Eigenschaften besitzen, die in Zukunft bedeutsam sein können.Urweizen wie Einkorn und Emmer werden sowohl im Öko- als auch im konventionellen Landbau gezüchtet und erhalten. Ihr Anbau ist nur auf ärmeren oder Grenzstandorten sinnvoll.
Keyserlingk-Institut: Zunächst zu den Begrifflichkeiten, da hier oft Verwirrung herrscht: An Landsorten wurde nie gezüchtet, dies sind Sorten, die aus regionalen Herkünften selektiert wurden. Was vor der Pflanzenzüchtung angebaut wurde, waren meist Populationen und Mischungen.
Unter Urgetreide werden Einkorn, Emmer und andere Triticum-Arten (Khorasan, Rauweizen,…) verstanden. Fälschlicherweise wird Dinkel auch als Urgetreide bezeichnet, Dinkel hingegen ist von den genannten das jüngste Getreide und ist auch deutlich jünger als Weizen.
Am Keyserlingk-Institut züchten wir unter anderem an alten Sorten (heritage seed), also Sorten die vor 50 bis 100 Jahren gezüchtet wurden. Wir sind überzeugt, dass einige davon eine besondere Nahrungsqualität besitzen.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): gzpk züchtet europaweit als einzige Initiative die Urgetreideart Emmer. In unseren Zuchtgärten steht als Basis für künftige Züchtungsarbeit eine breite Vielfalt an Sorten – Landsorten, Urgetreidesorten und Sorten aus der ganzen Welt.
Limagrain: Landsorten können als pflanzengenetische Ressource zur Anreicherung des Genpools in der Züchtung sehr wertvoll sein. Beide Bewirtschaftungsformen profitieren davon gleichermaßen.
Saaten-Union: Unser Gesellschafter Süd-West-Saat beschäftigt sich mit der Züchtung von Emmer und Einkorn-Sorten. Diese Sorten haben durchaus ihre Berechtigung, werden von uns aber noch nicht eingehender bearbeitet.
R.A.G.T.: In der Züchtungsarbeit von RAGT spielen diese Sorten keine direkte Rolle.
Deutsche Saatveredlung: Die „alten“ Sorten sind Basis unserer Züchtungsarbeit. Wir sind immer auf der Suche nach besonderen Resistenzen oder Eigenschaften, die wir in neue Sorten integrieren können, um den Marktanforderungen heute sowohl im ökologischen als auch im konventionellen Anbau gerecht zu werden. Gutes Beispiel hierfür ist unsere neue Gerstensorte Paradies, die in den LSV besonders gut in den nichtbehandelten Varianten abgeschnitten hat und zudem über eine Virusresistenz verfügt. Dies sind beste Voraussetzung, um die Sorte sowohl im konventionellen als auch im ökologischen Bereich anbieten zu können.
Hauptsaaten: Im Ökobereich kommen immer mehr dieser „Urgetreide“. In unserem Unternehmen spielen sie bisher keine Rolle.
BayWa AG: Alte Landsorten und Urgetreidesorten sind begrenzte Nischen, die schon in der Vergangenheit gut frequentiert waren. Bei uns spielt das aufgrund der geringen Nachfrage unserer Kunden eine untergeordnete Rolle. Unser Ansatz ist, Saatgut enger mit den Vermarktungsmöglichkeiten zu verbinden, um unseren Landwirten auch im Biobereich einen nachhaltigen Mehrwert bieten zu können.
I.G. Pflanzenzucht: Urgetreidesorten spielen für uns eine wichtige Rolle. So sind unsere drei Dinkelsorten Franckenkorn, Comburger und Hohenloher seit mehreren Jahren fest im Markt etabliert, während das Züchtungsprogramm der Pflanzenzucht Oberlimpurg aussichtsreiche neue Sorten hervorbringt. Neben Dinkel wird Emmer von der Pflanzenzucht Oberlimpurg züchterisch bearbeitet und brachte die Sorten Ramses und Roter Heidfelder hervor, die sich in diesem kleinen Markt behaupten können.
Euralis: Alte Landsorten spielen derzeit beim Mais keine Rolle, da sie bezüglich des Ertrags unterlegen sind. Trotzdem sind sie wichtig für die genetische Diversität, da sie interessante Eigenschaften haben können und als Plattform für die Züchtung dienen.
KWS Saat: Zusätzlich zur klassischen Pflanzenzüchtung ist KWS auch im Bereich Pre-Breeding aktiv und beschäftigt Züchter, die sich ausschließlich dem Pre-Breeding widmen. Im Rahmen des Pre-Breeding spielen insbesondere alte Landsorten eine wichtige Rolle. Die Aufgabe des Pre-Breeding ist es unter anderem, genetisches Pflanzenmaterial mit Potenzial zu finden, das in die Züchtung eingebracht werden kann mit dem Ziel, für genetische Vielfalt im Zuchtmaterial zu sorgen. Das Einbringen neuer Eigenschaften bringt eine neue Genetik mit sich, wie sie noch nicht im Zuchtmaterial zu finden ist. Genetische Vielfalt ist und bleibt eine entscheidende Grundlage unserer Züchtung. Das, was die Landrassen dabei mitbringen müssen, sind interessante Eigenschaften für eine weitere Züchtung. Interessante Eigenschaften sind solche, die die Landwirtschaft bewegen, wie zum Beispiel Toleranz gegenüber Stress wie Wassermangel oder Hitze. Hochinteressant sind natürlich auch vielversprechende Ertragskomponenten und Resistenzen gegenüber Krankheiten. Mithilfe des genetischen Fingerabdrucks dieser Pflanzen lassen sich solche Eigenschaften in den Pflanzen erkennen. Sobald in den Landrassen also ein Element gefunden wurde, das eine überregionale Bedeutung hat, werden sie als Züchtungs- oder Kreuzungspartner verwendet.
BSV Saaten: Landsorten spielen eine untergeordnete Rolle, wenngleich die Nachfrage nach Urgetreidesorten leicht zugenommen hat.
Secobra Saatzucht: Alte Sorten sind oftmals eine gute Quelle für bestimmte Resistenzen, müssen jedoch in langjähriger Züchtungsarbeit in adaptierte Sorten eingekreuzt werden.
Wie fließen die Erfahrungen der Praxis in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit ein? Wie hält Ihr Unternehmen dem Kontakt zur landwirtschaftlichen Praxis?
LBS Dottenfelderhof: Alle Öko-Züchter arbeiten eng mit Praktikern, Beratern und wissenschaftlichen Institutionen zusammen. Nicht zuletzt finden die Züchtungsarbeiten im Rahmen ökologisch bewirtschafteter Betriebe, wie dem Dottenfelderhof, Bad Vilbel, oder Mönchhof, Meissner, statt.
Keyserlingk-Institut: Eine Zusammenarbeit und ein ständiger Austausch findet statt mit den Ökobauern, Bäckern und Händlern in der Region (Bodensee und Schwäbisch Alb). Anforderungen und Bedürfnisse der Wertschöpfungskette werden ernst genommen.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Neue Sorten stehen in Bio-Streifenversuchen bei den Landwirten, werden in den Ökolandessortenversuchen und an Ökofeldtagen dem interessierten Publikum vorgestellt und mittels Praxisversuchen in Netzwerk-Projekten mit Landwirten und Verarbeitern getestet. Die Rückmeldungen aus dem Versuchsanbau fließen in die Züchtungsarbeit ein.
Limagrain: Bezug zur Praxis ist besonders wichtig und spielt eine große Rolle. Züchtung findet auch heute noch entgegen der Erwartung vieler größtenteils im Feld statt. Damit ist stets gewährsleistet, dass exakt die Umweltbedingungen unsere Selektionsentscheidungen beeinflussen, wie sie auch in der Praxis herrschen. Der direkte Kontakt mit einer Vielzahl an Landwirten, auf deren Flächen wir Versuche anlegen, mit Saatgutvermehrern und letztlich mit Landwirten als unseren Endkunden sichert den Informationsfluss aus der Praxis in die Züchtung.
Saaten-Union: Momentan nutzen wir unsere langjährigen Praxiserfahrungen aus der Landwirtschaft und stehen auch nach wie vor mit Landwirten in Kontakt, die unsere Sorten unter den Gesichtspunkten des ökologischen Landbaus anbauen.
Die Rückmeldungen der Landwirte liefern uns hierbei die entscheidenden Erfahrungswerte. Gerade unsere viterra®-Zwischenfrucht-Mischungen entstehen in enger Zusammenarbeit mit ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Aber auch die Umstellung eines Betriebes unseres Gesellschafters ermöglicht es uns darüber hinaus, die Erfahrungen aus der Praxis umzusetzen.
R.A.G.T.: Sowohl Züchtung als auch Vertrieb pflegen in ihrer Region stets engen Kontakt zu landwirtschaftlichen Betrieben. Auch im Unternehmen selbst haben viele Mitarbeiter einen landwirtschaftlichen Betrieb im Hintergrund – darunter sind auch ökologisch wirtschaftende Betriebe.
Deutsche Saatveredlung: Durch die Beteiligung an vielen wissenschaftlichen Projekten und praktischen Versuchen werden unsere Sorten und Mischungen immer weiter an die sich ändernden Anforderungen in der Praxis angepasst. Darüber hinaus tauschen wir uns mit der Offizialberatung und direkt mit der Landwirtschaft aus. Unsere Berater sind in Deutschland breit verteilt, so dass wir auch Ökobetriebe flächendeckend in allen Fragen der Fruchtfolge beraten können, aber auch umgekehrt die Anforderungen der Praxis im Blick behalten. Immer mit dem Ziel, die wachsenden Anforderungen politischer aber auch ökonomischer Natur erfüllen zu können.
Hauptsaaten: Wir sind im ständigen Austausch mit Praxisbetrieben und informieren uns über neue Trends und Anforderungen. Durch unseren Zugriff auf unterschiedlichste Genetik können wir auf besondere Anforderung meist schneller reagieren als reine Züchtungsunternehmen. Nach unseren Vorprüfungen auf Kleinparzellen testen verschiedene Pilotbetriebe unsere neuen Sorten vor der Sorteneinführung unter Praxisbedingungen und geben uns ein Feedback über die Praxistauglichkeit. Diese Nähe zu Praxisbetrieben verfolgen wir schon seit vielen Jahren auch im konventionellen Bereich. Nicht die einmalige Kombination von Eigenschaften, sondern die Praxistauglichkeit einer Sorte ist für uns wichtig.
BayWa AG: Wir sind täglich im Austausch mit unseren Kollegen aus dem Vermarktungsbereich und unseren Kunden, den Landwirten. Daher kennen wir die Anforderungen der Praxis sehr gut. Diese Anforderungen fließen dann in die Auswahl der Sorten ein, die ökologisch vermehrt werden. Darüber hinaus führen wir umfangreiche Sortenversuche auf unternehmenseigenen Versuchsstationen durch. Auch diese Erkenntnisse fließen in die Sortenplanungen mit ein.
I.G. Pflanzenzucht: Da die Entwicklung einer neuen Sorte sehr langwierig ist, ist es für unsere Züchter wichtig zu wissen, welche Eigenschaften der Sorten momentan wichtig für die Praxis sind und welche es in Zukunft sein könnten. Der Kontakt zur landwirtschaftlichen Praxis ist daher ein wichtiges Werkzeug. Diesen halten wir durch Besuche und Gespräche direkt mit den Landwirten, den Händlern/Beratern vor Ort oder den entsprechenden Landwirtschaftskammern. Kleine und größere, regionale oder bundesweite Feldtage werden von uns ebenfalls genutzt, um den Kontakt zu halten. Die meisten unserer Züchter bewirtschaften zudem eigene Betriebe, aus denen sie ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Das Feedback, dass wir so erhalten und die Erfahrungen der Züchter helfen uns und den Züchtern bei der Forschung und Entwicklung geeigneter Sorten für die Praxis.
Euralis: Mit dem Produktmanagement Öko Landbau hat Euralis eine Stelle geschaffen, die alle Öko-Aktivitäten in Deutschland koordiniert. Es besteht nicht nur Kontakt zu Verbänden und Forschungseinrichtungen, sondern auch zu Öko-Landwirten und den internationalen Züchtungsteams. Außerdem ist der Euralis-Außendienst ebenfalls auf Öko-Betrieben unterwegs und hält den Kontakt zu den Öko-Landwirten. So arbeitet Euralis in enger Zusammenarbeit mit der Praxis. Erfahrungen werden ausgetauscht und Anforderungen und Wünsche aus der Praxis und das Züchtungsteam weitergeleitet.
KWS Saat: KWS bewirtschaftet mit dem Klostergut Wibrechtshausen einen eigenen Öko-Ackerbaubetrieb. Viele Erfahrungen, die wir hier machen, fließen natürlich auch in unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit ein. Des Weiteren gibt es festetablierte Veranstaltungen wie unsere Öko-Feldtage oder Agrarforen, zu denen wir Landwirte einladen. Uns ist der direkte und konstante Austausch miteinander sehr wichtig, wir möchten Erfahrungen und Know-how weitergeben und auch den Erfahrungsaustausch der Landwirte untereinander fördern. Eine wichtige Funktion übernimmt dabei natürlich auch unser Außendienst, der jederzeit ansprechbar für unsere Kunden ist und beratend zur Seite steht.
BSV Saaten: Unser Unternehmen beschäftigt Verkaufsberater, die die landwirtschaftlichen Betriebe regelmäßig vor Ort beraten und das Feedback aus der Praxis auch in die Entwicklung der Mischungsrezepturen und Sortenwahl einbringen.
Secobra Saatzucht: Über Landwirte vor Ort, unseren Handelspartnenr, Vermehrer und auch branchenweiten Messen wie die Öko-Feldtage erhalten wir Feedback zu unserer züchterischen Arbeit.
Unterscheidet sich Ökosaatgut auch bei den Preisen von konventionellem Saatgut?
LBS Dottenfelderhof: Öko-Saatgut ist teurer als konventionell erzeugtes.
Keyserlingk-Institut: Nein. Wir sind teilweise sogar günstiger.
Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk): Bei gzpk sind wir für die gesamte Züchtungsarbeit zuständig, das heißt von der ersten Kreuzung bis hin zur fertigen Sorte zuständig. Dieser Prozess dauert rund 12 bis 15 Jahre. Die Vermehrung des Saatgutes und der Verkauf obliegen unseren Vermehrungspartnern. Die Basis für die Preisbildung beim Saatgut stellt der Preis für Ökogetreide dar. Bezugsquellen und Informationen zu den biodynamisch gezüchteten Sorten sind unter www.biosaat.org abrufbar.
Limagrain: Das ist unterschiedlich. Aufgrund höherer Produktionskosten ist das Öko-Saatgut in der Regel etwas teurer.
Deutsche Saatveredlung: Die Frage nach unterschiedlichen Preise für verschiedene Sorten und Mischungen kann nicht pauschal beantwortet werden. Diese ergeben sich jeweils aus den Produktionskosten. Tendenziell sind die Produktionskosten im ökologischen Landbau in vielen Bereichen höher. Grund hierfür sind die oft geringeren Samenerträge und aufwendigeren Reinigungsabläufen.
Saaten-Union: Geringere Erträge bei der Erzeugung von ökologischem Z-Saatgut führen zwangsläufig zu höheren Kosten für ökologisch erzeugtes Saatgut.
R.A.G.T.: Ja. Ökosaatgut liegt preislich über dem konventionell erzeugten Saatgut.
Hauptsaaten: Natürlich. Die Kosten der Produktion sind höher, die Erträge sind niedriger und spezielle Untersuchungen auf Krankheiten sorgen für Zusatzkosten. Dies alles rechtfertigt aber auch einen höheren Preis. Das ökologische Z-Saatgut wird unter bestmöglichen Voraussetzungen produziert und ist der wichtigste Grundstein für eine gute und gesunde ökologische Konsumproduktion. Deshalb setzen moderne Ökobetriebe auf geprüftes Z-Saatgut!
BayWa AG: Ökosaatgut hat einen höheren Preis als konventionelles Saatgut. Die höheren Preise honorieren den höheren Aufwand, der betrieben werden muss, um Saatgut nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus zu vermehren
I.G. Pflanzenzucht: Ja. Das ökologisch erzeugte Saatgut ist aufgrund des erhöhten Aufwands in der Produktion teurer.
Euralis: Ja, Öko-Saatgut ist etwa 35 Prozent teurer als konventionelles Saatgut. Dies liegt vor allem an den höheren Produktionskosten, die durch geringere Erträge sowie einem höheren Arbeitseinsatz zustande kommen.
KWS Saat: Keine Antwort
BSV Saaten: Der Preis für Ökosaatgut liegt stellenweise deutlich über dem für konventionelles Saatgut. Hier machen sich die hohen Anforderungen an Saatgut und die Herausforderungen in der Saatgutproduktion bemerkbar.
Secobra Saatzucht: Aktuell gibt es Unterschiede in den Vermarktungs- und Saatgutpreisen.
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