Nicht nur auf den Ertrag schauen
Dieses Jahr wurden in Baden-Württemberg im Ökolandbau 18 Sorten Wintergerste geprüft. Bei der Sortenwahl ist neben dem Ertrag auch der Marktwareanteil, das Hektolitergewicht und natürlich die Gesundheit entscheidend.
- Veröffentlicht am

Die Sortenprüfungen Wintergerste im Ökolandbau in Baden-Württemberg finden seit 2015 an den Standorten Karlsruhe-Grötzingen (Betreuung durch das LTZ Augustenberg) und Stuttgart-Hohenheim (Betreuung durch die Universität Hohenheim) auf ökologisch bewirtschafteten Flächen statt. An beiden Standorten wird auch eine Wertprüfung durch das Bundessortenamt durchgeführt.
Im Jahr 2023 wurden 18 Sorten geprüft, davon sechs zweizeilige, neun mehrzeilige und drei Wertprüfungsstämme. Sechs Sorten waren zum ersten Mal im Sortiment. Bei der Sortenwahl ist neben dem Ertrag, dem Marktwareanteil und dem Hektolitergewicht auch die Gesundheit wichtig. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Anfälligkeit gegenüber dem Blattbefall mit Ramularia collo-cygni, ein Pilz, der zunehmend bedeutsam wird und dieses Jahr früh und verstärkt auftrat. Die Neigung zu Halmknicken, wie besonders in Grötzingen beobachtet, kann den Ertrag empfindlich reduzieren und sollte bei der Sortenwahl, gerade auf wüchsigen Standorten, beachtet werden.
Gute Aussaatbedingungen
Ausgesät wurden die zwei Wintergerstenversuche bei guten Bedingungen Anfang Oktober. Im feuchten und kühlen Frühjahr entwickelten sich die Bestände besonders in Grötzingen sehr gut mit hohen Bestandesdichten. Hier trat kein Lager auf, bis auf wenige Sorten wurde aber teils starkes Halmknicken bonitiert (4,4 im Durchschnitt). Besonders auffällig waren hier SU Midnight (8,0), Julia (7,8) und LG Caiman (6,3). In Hohenheim trat nur geringfügig Lager auf. An beiden Standorten gab es teils sehr starken Befall mit Ramularia-Blattflecken. In Grötzingen traten sie sehr früh und über alle Sorten nahezu gleich stark auf. Bei der Sorte Normandy wurden an beiden Standorten Flugbrandähren bonitiert.
Die Erträge in Grötzingen waren mit 55,1 dt/ha um 7 dt/ha niedriger als im Vorjahr und fielen geringer aus, als die Bestände es im Frühjahr erwarten ließen. In Hohenheim konnte der Ertrag um 14 dt/ha gegenüber dem Vorjahr auf 48,5 dt/ha zulegen.
Die Siebsortierung in Karlsruhe-Grötzingen fiel deutlich schlechter aus als im Vorjahr, das Hektolitergewicht schwankte von 66,4 bis 71,4 kg/hl und lag damit bei allen Sorten über dem für die Vermarktung in der Regel erforderlichen Hektolitergewicht von 64 kg/hl. Die Tausendkornmasse fiel an beiden Standorten, wahrscheinlich bedingt durch die Hitzeperoide Anfang Juli mit Temperaturen über 36 °C, deutlich geringer aus als im Vorjahr.
Sortensteckbriefe
Arthene (zweizeilig) ist neu im Sortiment. Die etwas kürzere Sorte zeigte sich beim Ertrag über fünf bundesweite Versuche (siehe Info am Textende) im Jahr 2023 durchschnittlich (relativ 99,5 Prozent). In Grötzingen war sie ertragsstärkste Sorte (60,7 dt/ha), in Hohenheim lagen die Erträge knapp über dem Versuchsmittel von 50,5 dt/ha. Arthene zeigte ein hohes Hektolitergewicht (74,0 kg/hl) und eine sehr gute Sortierung. An beiden Standorten in Baden-Württemberg trat hoher Ramulariabefall auf (Note 8). Züchter/Vertrieb: Saatzucht Bauer/IG Pflanzenzucht.
Bianca (zweizeilig) ist mittellang eingestuft, präsentierte sich aber an beiden Standorten als eine der kürzesten Sorten. Ertraglich lag sie an beiden Orten leicht über dem Durchschnitt. Kennzeichnend sind ein starker Ramulariabefall (7,8) und in Grötzingen Halmknicken (Note 4,0). Das Hektolitergewicht liegt mit 72 kg/hl weit über dem vorgeschriebenem Vermarktungswert von 64 kg/hl, in der Sortierung knapp unter dem Versuchsmittel. Züchter/Vertrieb: Saatzucht Streng/IG Pflanzenzucht.
Esprit (mehrzeilig) lag auch 2023 in Baden-Württemberg wie auch im mehrjährigen Ländervergleich (siehe dazu auch Info am Textende) ertraglich weit oben (relativ 104,6 und 104,1). Sie zeigte eine gute Sortierung und ein hohes Hektolitergewicht (70,6), überdies wenig Halmknicken (2,8) und weniger Ramulariabefall als die übrigen Sorten. Züchter/Vertrieb: DSV.
Goldmarie (zweizeilig) ist neu im Sortiment. Die mittellange Sorte mit guter Standfestigkeit erzielte an beiden Standorten starke Erträge (relativ 104,6), ein hohes Hektolitergewicht (73,7) und eine gute Sortierung. Beim Ramulariabefall wurde sie mit 6,8 eingestuft, in Grötzingen zeigte sie leichtes Halmknicken (3,5). Züchter/Vertrieb: Saatzucht Bauer/IG Pflanzenzucht.
Hedwig (mehrzeilig) ist eine mittellange Sorte mit mittlerer Standfestigkeit. Ertraglich lag sie in diesem Jahr in Baden-Württemberg unter dem Durchschnitt (relativ 96,4). Auch im mehrjährigen Ländervergleich zeigt sie in insgesamt 24 Versuchen seit 2019 nur unterdurchschnittliche Erträge. Das Hektolitergewicht liegt auch unter dem Versuchsdurchschnitt bei einer guten Sortierung und einer niedrigen Tausendkornmasse. Der Ramulariabefall war 2023 hoch (6,8). Sie besitzt eine Komplettresistenz gegen alle bodenbürtigen Gelbmosaikviren (BaYMV-1, BaYMV-2, BaYMMV). Züchter/Vertrieb: DSV.
Julia (mehrzeilig) ist neu im Sortiment. Die etwas längere Sorte mit guter Standfestigkeit war 2023 in Hohenheim ertragsstärkste Sorte (relativ 103,9), in Grötzingen lag sie knapp unter dem Versuchsdurchschnitt (relativ 97,5). Bei Ramularia wurde sie mit 6,0 eingestuft, beim Halmknicken in Grötzingen mit 7,8. Das Hektolitergewicht lag unter dem Versuchsmittel, die Sortierung war gut, die Tausendkornmasse niedrig. Züchter/Vertrieb: DSV.
KWS Exquis (mehrzeilig) ist ebenfalls neu im Sortiment. Die mittellange, standfeste Sorte zeigte sich in Grötzingen ertragsstark mit relativ 106,2, in Hohenheim leicht unter dem Mittel (98,4). Hektolitergewicht und Tausendkornmasse lagen unter dem Versuchsdurchschnitt, die Sortierung war gut. Halmknicken trat in Grötzingen auf (5,8), beim Ramulariabefall wurde sie mit 4,5 eingestuft. Züchter/Vertrieb: KWS Lochow.
KWS Flemming (mehrzeilig) hat eine mittlere Länge und Reife. Die Sorte konnte 2023 ihre Ertragsstärke der vergangenen Jahre nicht bestätigen. An beiden Standorten und über fünf Jahre in 22 Versuchen im Ländervergleich lag sie ertraglich nur unter dem Versuchsdurchschnitt (relativ 95,4 und 95,9). Die Qualitäten lagen alle unter dem Versuchsmittel. Sie zeigte ein sehr starkes Halmknicken in Grötzingen (8,0) und bei Ramularia wurde sie mit 6,3 bonitiert. Züchter/Vertrieb: KWS Lochow.
Auch LG Caiman (zweizeilig) ist neu im Sortiment. Die kurze, standfeste Sorte zeigte im ersten Versuchsjahr an beiden Standorten mit relativ 95,5 das insgesamt drittschlechteste Abschneiden. Die Qualitäten sind ebenfalls unterdurchschnittlich. Sie war stark mit Ramularia befallen (7,3), beim Halmknicken wurde sie mit der Note 6,3 eingestuft. Sie zeigt sich resistent gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus. Züchter/Vertrieb: Limagrain.
Lioba (mehrzeilig) ist eine biologisch-dynamisch gezüchtete Sorte, lang, standfest und ertraglich in Grötzingen knapp über dem Durchschnitt (100,2), in Hohenheim darunter (95,3). Sie weist eine gute Sortierung auf, im Hektolitergewicht lag sie unter dem Versuchsmittel. Die Sorte besitzt eine morphologische Flugbrand-Widerstandsfähigkeit. Bezüglich Ramularia wurde sie mit 6,5 bonitiert, für das Halmknicken in Grötzingen bekam sie mittlere 4,5. Züchter/Vertrieb: Dottenfelderhof.
Melia (mehrzeilig) ist neu im Sortiment. Der Ertrag der langen Sorte mit mittlerer Standfestigkeit lag in Grötzingen über dem Durchschnitt (relativ 101,2), in Hohenheim konnte sie das nicht bestätigen (relativ 90,4). Die Qualitäten waren alle überdurchschnittlich. Die Ramulariaboniturnote liegt bei 5,3, für nur wenig Halmknicken bekommt sie eine 2,5. Züchter/Vertrieb: IG Pflanzenzucht.
Die mittellange Sorte Normandy (zweizeilig) mit mittlerer Reifeeinstufung lag ertraglich über beide Standorte im Versuchsmittel (relativ 100,1). Mehrjährig und über mehrere Bundesländer ausgewertet, kann sie das mit relativ 94 nicht erreichen. Die Qualitäten liegen, außer beim Hektolitergewicht, über dem Versuchsdurchschnitt. Es gab kaum Probleme mit Halmknicken (2,5), mit Ramularia schon (6,8). Züchter/Vertrieb: Nordic Seed.
SU Laubella (zweizeilig) ist eine kürzere Sorte mit guter Standfestigkeit. Auch im zweiten Versuchsjahr lag sie ertraglich insgesamt über dem Versuchsdurchschnitt (relativ 100,9), qualitativ aber leicht darunter. Sie wurde mit mittlerer Halmknick-Note (4,5) und bezüglich Ramulariabefall mit 6,0 bonitiert. Züchter/Vertrieb: Nordsaat/Saaten-Union.
Die längere Sorte mit mittlerer Standfestigkeit, SU Midnight (mehrzeilig), bestätigte im das gute Ergebnis von 2022 nicht. An beiden Standorten war sie Schlusslicht mit relativ 86,5. Die Qualitäten waren unterdurchschnittlich. Sie zeigte starkes Halmknicken in Grötzingen (8,0) und mittelhohen Ramulariabefall (5,5). Züchter/Vertrieb: Eck/Saaten-Union.
Die lange Sorte Teuto (mehrzeilig) mit guter Standfestigkeit war in Grötzingen die zweitstärkste mit relativ 108,8, in Hohenheim schnitt sie mit relativ 96,0 unterdurchschnittlich ab. Die Qualitäten waren durchschnittlich. Bei Ramularia wurde sie mit 4,5 und beim Halmknicken mit 3,8 bonitiert. Die Sorte besitzt eine Gelbmosaikvirus Typ 1-Resistenz. Züchter/Vertrieb: Secobra.
Hinweis: Bundesweite Vergleiche beziehen sich auf sieben Standorte: Baden-Württemberg (Hohenheim, Karlsruhe-Grötzingen), Bayern (Neuhof, Berglern), Rheinland-Pfalz (Haßloch) und Hessen (Alsfeld, Bad-Vilbel). Nicht jede Sorte wurde jedes Jahr an allen Standorten geprüft.
Tabellen mit allen Sorteneigenschaften siehe Bildergalerie oben.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.