Impressionen von der Grünen Insel
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England ist der drittwichtigste Milchproduzent in der EU mit einer jährlichen Erzeugung von etwa 14,5 Millionen Tonnen Milch, das entspricht ca. 50 Prozent der jährlich in Deutschland erzeugten Milchmenge. Die Milch wird in den Molkereien zu über 50 % zu Trinkmilch verarbeitet. Lediglich knapp 30 Prozent wird zu Käse verarbeitet. Sahne- und Joghurterzeugnisse bilden mit jeweils 2 Prozent nur eine untergeordnete Rolle.
Auch in England hat sich in den vergangen Jahren die Molkereilandschaft gründlich verändert. Neben zahlreichen kleineren Molkereien wird der britische Markt von drei großen Molkereikonzernen beherrscht: Arla, Muller & Wiseman, die in Kürze Dairy Crest übernehmen wird sowie das Unternehmen First Milk.
In England gibt es noch eine Besonderheit bei der Vermarktung von Frischmilch. Die Supermarktketten schließen direkt mit den Landwirten Verträge über die Frischmilcherzeugung ab. Die Landwirte erzielen dabei einen Preisaufschlag, verpflichten sich aber die Produktionsvorgaben der jeweiligen Supermarktkette einzuhalten. Die Molkereien sind Dienstleister der Lebensmittelketten, die die Homogenisierung und das Abfüllen der Milch zu einem zuvor ausgehandelten Preis übernehmen. Dies konnten die angehenden Technikerinnen und Techniker bei der Besichtigung des Arla-Trinkmilchwerkes in Aylesbury feststellen. In diesem erst 2014 auf die grüne Wiese gebauten Trinkmilchwerk sind die Produktionsstraßen jeweils einer Supermarktkette zugordnet.
In Großbritannien hat sich seit 2005 die Anzahl der Milchviehhalter von über 20.000 auf etwa 10.000 halbiert. Die durchschnittliche Herdengröße stieg im gleichen Zeitraum von 102 auf 135 Milchkühe an. Die durchschnittliche Milchleistung der Milchkühe betrug schon von zehn Jahren 8000 kg Milch - heute erreichen die Kühe eine Leistung von knapp 9000 kg. Die Milchleistungssteigerung ist vor allem auf einen gestiegenen Kraftfuttereinsatz zurückzuführen. So ist im gleichen Zeitraum die durchschnittliche Grundfutterleistung von etwa 3000 kg auf 2200 kg zurückgegangen.
Die Erzeugerpreise für Milch langen bis zum Jahr 2006 durchschnittlich bei 18 Pence pro Liter. Seit dem Jahr 2006 stieg der Milchpreis bis zum November 2013 kontinuierlich - ohne größere Preisvolatilitäten - an. Seit dem Hoch im November 2013 mit knapp 34 Pence pro Liter Milch fallen die Erzeugerpreise von Monat zu Monat. Aktuell beträgt der durchschnittliche Milchpreis 26 Pence pro Liter. Landwirte mit einem ungünstigen Vertrag erzielen zurzeit lediglich 22 Pence pro Liter. Die etwa 600 englischen Milchviehbauern, die biologisch wirtschaften erzielen aktuell einen Erzeugerpreis von 36 Pence je Liter Milch, das sind im Vergleich zum Vorjahr etwa drei Pence weniger je Liter Milch.
Produktionskosten wie in Deutschland
Auch die englischen Milchviehhalter haben mit steigenden Produktionskosten zu kämpfen. Die 25 Prozent Besten der englischen Milchviehhalter hatten im Jahr 2014 Produktionskosten von 28 Pence pro Liter Milch. So sind die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen in den letzten fünf Jahren um knapp 30 Prozent auf über 16.000 Pfund pro Hektar gestiegen. Ebenso sind die Pachtpreise in den vergangen fünf Jahren von durchschnittlich 175 Pfund pro Hektar auf über 250 Pfund pro Hektar gestiegen. Für gutes Ackerland liegt der durchschnittliche Pachtpreis mittlerweile über 350 Pfund je Hektar. Ähnliche Preissteigerungen wie in Deutschland mussten die englischen Milchviehhalter auch beim Kraftfutter und Grundfutter hinnehmen. So entsprechen die durchschnittlichen Produktionskosten der englischen Milchviehhalter umgerechnet aktuell knapp 0,32 Euro je Liter Milch. Die Kosten sind damit genauso hoch wie in Deutschland.
Die schlechten Milchpreise in Verbindung mit den hohen Produktionskosten haben auch dazu geführt, dass in England die Milchquote seit dem Wirtschaftsjahr 2004/05 nie völlig ausgeschöpft wurde. So wurde in den vergangen fünf Jahren die Milchquote durchschnittlich um knapp zehn Prozent unterliefert.
Weil die englischen Landwirte in den vergangen Jahren nicht die Hochpreisphasen wie die deutschen Milchviehhalter hatten, haben viele Milchviehbetriebe mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Entsprechend haben wir auf unserer Fahrt keine neue Milchviehställe gesehen, sondern viele alte Ställe. Ebenso war die Agrartechnik auf den Betrieben nicht auf dem neuesten Stand.
In England gibt es - im Extremen betrachtet - zwei unterschiedliche Systeme Milchvieh zu halten. Zum einen die extensivere Milchviehhaltung auf Grünlandstandorten. Hier wird vor allem auf Weidehaltung und wenig Kraftfutter gesetzt. Die durchschnittliche Milchleistung ist mit knapp 6000 kg pro Kuh gering. Häufig sind diese Betriebe in landwirtschaftlich benachteiligten Gebieten mit niedrigen Pachtpreisen anzutreffen. Als Gegenstück gibt es noch die High-Output-Milchviehherden mit Milchleistungen von über 8500 kg Milch pro Tier. Hier werden hochwertige Gras- und Maissilagen und auch viel Kraftfutter eingesetzt. Diese Form der Milchviehhaltung ist vor allem in den landwirtschaftlichen Gunstregionen mit hohen Landpreisen vorzufinden. Beide Systeme haben jeweils die gleichen Produktionskosten je Liter Milch, wie die Berater von der Kingshay-Farming Beratungsgesellschaft berichteten haben.
Die Technikerschülerinnen und Schüler besuchten unter anderem die Red Bard Farm, ein landwirtschaftlicher Milchviehbetrieb der dem High-Output System zuzurechnen ist. Der Betrieb liegt ca. 70 km nördlich von London in einer Ackerbauregion. Es ist ein Pachtbetrieb mit ca. 75 ha landwirtschaftlicher Fläche, der seit knapp 40 Jahren von der Pächterfamilie bewirtschaftet wird. Die 140 Milchkühe und das weibliche Jungvieh werden im Tiefstreu-Laufstall gehalten. Der Landwirt versucht, da er sehr flächenknapp ist, möglichst viel Milch pro Kuh zu erzeugen. Mit seiner großrahmigen Holstein-Friesian-Herde gelingt ihm dies sehr gut. So liefert der Betrieb 10.500 kg Milch pro Kuh und Jahr mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 4,0 Prozent und 3,4 Prozent Eiweiß ab. Die Zwischenkalbezeit beträgt 380 Tagen bei einer Nutzungsdauer von vier bis fünf Laktationen. Künftig möchte er kein Jungvieh mehr aufziehen und stattdessen Färsen aus Ostdeutschland zukaufen.
Preis hinterlässt Spuren
Auch bei dieser Farm zeigt sich trotz der hohen Leistungen, dass der niedrige Milchpreis Spuren hinterlassen hat. So sind bis auf den neuen Radlader alle Maschinen schon mehrere Jahre alt. In die Gebäude wurde in den vergangen Jahren wenig investiert. Im 40 Jahre alten Melkstand, dessen Melktechnik lediglich auf den neuesten Stand angepasst wurde, können sechs Kühe gleichzeitig gemolken werden. Um den Tieren mehr Komfort während des Melkens zu bieten und die Melktechnik zu schonen, hat der Landwirt den Betonboden im Melkstand mit Gummimatten ausgelegt. Der Landwirt benötigt für seine 140 Kühe 3 Stunden pro Melkzeit. Trotz des alten Melkstands sind die Zellzahlen sehr niedrig was auf eine gute Eutergesundheit hinweist. Die Außenwirtschaft lässt der Landwirt aus Kostengründen komplett vom Lohnunternehmer erledigen.
Die hohen Milchleistungen erreicht der Landwirt durch eine Voll-TMR die ca. 40 Prozent Grassilage und 40 Prozent Maissilage beinhaltet. Ergänzt wird die Silage durch GPS aus Weizen sowie Getreideschrot, so dass bei einer durchschnittlichen Futteraufnahme 40 kg Milch erzeugt werden können. Bei gutem Wetter werden die Milchkühe über die Vegetationsperiode auf den nahegelegen Weiden gehalten um die Fitness der Tiere zu verbessern. Bei den Weiden handelt es sich nicht um Dauergrünland sondern um Ackergras, das alle sechs Jahre umgebrochen wird um Mais sowie Weizen für GPS anzugebauen.
Berater mit Forschungsauftrag
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Milchviehhaltung in England sind die Milchviehhalter gegenüber Beratung sehr aufgeschlossen. Die von uns besuchte Beratungsgesellschaft Kingshay-Farming befindet sich auf der Bride Farm in West Bradley im Südwesten von England. Neben dem klassischen Beratungsangebot für Landwirte führt die Beratungsgesellschaft auf dem angegliederten landwirtschaftlichen Betrieb verschiedene Versuche sowohl im Stall als auch im Feld durch. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb werden ca. 200 Milchkühe mit Nachzucht gehalten sowie 250 ha landwirtschaftlicher Fläche bewirtschaftet.
Bei den Ackergrasversuchen werden Saatgutmischungen auf Ertrag, Qualität und Persistenz untersucht. Eine Besonderheit ist, dass die Saatgutmischungen bzw. Gräser auch auf Schmackhaftigkeit sowohl auf der Weide, wie auch im Silo untersucht werden. Zu diesem Zweck wird die Versuchsfläche in ca. 75 m² große Teilstücke mit unterschiedlichen Saatgutmischungen eingesät. Aufgrund der unterschiedlichen Beweidung der einzelnen Teilstücke durch die Milchkühe lassen sich so Informationen über die Schmackhaftigkeit des Futters gewinnen. Die Beratungsgesellschaft kann mit den gewonnenen Informationen den Landwirten optimierte Saatgutmischungen zusammenstellen. Desweiteren werden auf dem Standort auch Silomaissortenversuche durchgeführt.
Im Milchviehstall der Bridge Farm sind 18 unterschiedliche Liegeboxensysteme sowie 17 verschiedene Liegematten eingebaut. Bei einem Rundgang machte uns der Betriebsleiter klar, dass für einen hohen Kuhkomfort ein in der Höhe und Tiefe verstellbarer Nackenriegel sowie eine verstellbare Bugschwelle erforderlich sind. Nur so können die Liegeboxen der Herdengröße optimal angepasst werden und einen hohen Kuhkomfort gewährleisten. Die daraus gewonnen Erkenntnisse sind in die Entwicklung einer eigenen Liegebox für Kühe eingeflossen, die die Beratungsgesellschaft auch verkauft. Desweiteren sind auf der Farm noch 17 unterschiedliche Kuhmatratzen verbaut. Nach Ansicht des Betriebsleiters hat aber keine Matratze so viele Vorteile wie eine Tiefbox mit Sand als Liegeunterlage.
Gerade ist die Beratungsgesellschaft dabei Computerprogramme zu entwickeln mit denen der BCS sowie Lahmheiten der Milchkühe automatisch erfasst werden können. Bestimmt werden die Technikerschüler in einigen Jahren von diesem System profitieren wenn es die Praxisreife erlangt hat.
Die englischen Milchviehhalter haben die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie deutsche Landwirte und müssen trotz ähnlicher hoher Produktionskosten mit einem wesentlich geringeren Milchpreis wirtschaften.
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