Da ist gut Schwein sein
Gesund und fit sollen Zuchtsauen, Ferkel und Mastschweine sein, dabei fruchtbar und leistungsstark: Das vom Landeskontrollverband (LKV) Baden-Württemberg jetzt initiierte Gesundheitsmonitoring Schwein setzt auf Vorsorge und eine stärkere Zusammenarbeit von Landwirten, Beratern und Tierärzten. Dadurch sollen weniger Tiere krank werden und der Antibioitikaeinsatz auf den Betrieben weiter zurückgehen.
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"Ja, mit dem Sauenplaner ist das so eine Sache. Das Computerprogramm macht leider immer wieder Probleme“, sagt Jürgen Stöckle und blickt erwartungsvoll in die Runde von Fachleuten, die an diesem Oktobervormittag bei ihm im Wohnzimmer sitzen und sich die Probleme des jungen Landwirts anhören. Kein Einzelfall, wie die Computerspezialisten und Tierärzte Stöckle indes bescheinigen. „Probleme mit den Planern gibt es immer wieder“, stützt Klaus Drössler, stellvertretender Geschäftsführer beim LKV, die Aussagen des Schweinehalters. Nun scheint es freilich eine Alternative für die bisherigen Softwarelösungen zu geben. Ein online geführter Planer, der nicht mehr auf den Rechnern der Landwirte liegt, sondern übers Internet läuft.
Stöckle, der in Ballendorf (Alb-Donau-Kreis) Ferkel und Mastschweine erzeugt, hadert in diesen Herbsttagen abermals mit seinem Sauenplaner. Das Programm führt der Vater von zwei Kindern selbsttätig am PC. Ständig müsse er die Software aktualisieren und neue, teure Updates installieren. Ein Ärgernis, das schon bald der Vergangenheit angehören könnte, wie ihm Computerexpertin Katrin Schweitzer verspricht. Sie kenne diese Schwierigkeiten zur Genüge. Umso mehr setzt die LKV-Mitarbeiterin auf die nun an den Start gehende Online-Datenbank. Programminstallationen auf dem Betriebsrechner werden dadurch überflüssig, lediglich ein Internetzugang ist nötig, um einen Blick auf Produktionsdaten, Untersuchungs- und Schlachtergebnisse der Zucht- und Mastschweine zu werfen.
Wo stehe ich mit meinen Ferkeln und Schweinen?
Schweinedatenverbund nennt sich das ehrgeizige Projekt, mit dem der Landeskontrollverband ein Online-Netzwerk schaffen will. Es soll Landwirten, Beratern und Tierärzten gleichzeitig Zugriff auf Daten wie Fruchtbarkeitskennzahlen, Mastleistungen oder Krankheitsverläufe ermöglichen, um bei Schwierigkeiten zusammen im Team nach Lösungen zu suchen. Gemeinsam statt einsam lautet das Motto, mit dem Landwirte in Zukunft checken können, wo ihr Betrieb im Vergleich zu den Berufskollegen steht, wie fruchtbar, leistungsfähig und gesund die eigenen Tiere sind, die Zucht- und Mastergebnisse im Schnitt der Betriebe ausfallen.
Stöckle, der seine Schweine auf dem ausgesiedelten Betrieb im geschlossenen System hält, ist einer von 20 Testbetrieben, mit denen der in Stuttgart ansässige Landeskontrollverband das Datenverbundsystem für Schweine erprobt. Ziel: Ein flächendeckendes Gesundheitsmonitoring. Ganz im Stil des vor fünf Jahren initiierten Gesundheitsmonitorings für Rinder sollen künftig auch die Leistungs- und Gesundheitsdaten von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen zentral erfasst und den Haltern zugänglich gemacht werden, unabhängig von einer Mitgliedschaft in einem Erzeugerring des Landeskontrollverbandes.
Datenbank steht allen Betrieben offen
Eine vom Verband Österreichischer Schweinebauern (VÖS) übernommene Online-Datenanwendung bildet die Grundlage für den geplanten Datenaustausch. Wie sehen die Leistungs- und Gesundheitszahlen im Schnitt über alle Betriebe im System aus und wo stehe ich im Vergleich? Dies können die Monitoring-Landwirte künftig via Internet einsehen. Allerdings anonymisiert. „Ansonsten würde kaum jemand mitmachen“, hat Klaus Drössler in der Startphase des Rindermonitorings erlebt. Wichtig sei zudem, dass die Datenhoheit bei den Betrieben bleibt. „Es ist die Entscheidung des Landwirts, den Zugriff auf seine Daten frei zu geben“, betont Drössler. Kein Amt und kein Veterinär habe einen Anspruch darauf.
Den anvisisierten Datenverbund für Ferkelerzeuger und Mäster begleitet der stellvertretende LKV-Geschäftsführer von Anfang an. Er ist davon überzeugt, dass von den Betriebsvergleichen alle Schweinehalter profitieren werden. Schließlich gehe es um so zentrale Fragen wie Tiergesundheit, Tierwohl und nicht zuletzt um die Nachhaltigkeit der Tierhaltung auf den Betrieben. Mit den Online-Anwendungen für Zuchtsauen- und Mastbetriebe könne künftig gezielt nach den Ursachen von Gesundheitsproblemen und/oder Leistungseinbrüchen gesucht werden.
Wissenschaftlich begleitet wird das Gesundheitsmonitoring Schwein, kurz GMON Schwein BW genannt, von Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim. Die Wissenschaftler versprechen sich von dem Online-Netzwerk, in das auch die Daten von Hoftierärzten, Schweinegesundheitsdiensten und Schlachthofveterinären einfließen, Fortschritte bei Management und Tiergesundheit auf den Betrieben. Finanziell unterstützt wird das im März 2014 gestartete und auf drei Jahre angelegte Projekt vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR), der Tierseuchenkasse (TSK) Baden-Württemberg und dem Landeskontrollverband. Mit eingebunden sind die Landestierärztekammer und der Bundesverband praktizierender Tierärzte im Land (BpT). Von dem Datennetzwerk erwarten sich die organisierten Tierärzte zusätzliche Informationen für die Betreuung der Schweine.
Mit dem Gesundheitsmonitoring für Schweine betreten die Macher beim LKV Neuland. Denn ein einheitliches Programm für die Erfassung von Leistungs- und Gesundheitsdaten von Schweinebetrieben gab es bisher nicht. Anders als beim Monitoring für Rinder, bei dem ein bestehendes Online-Herdenmanagement- und Auswertungsprogramm, das sogenannte „RDV4M“ für Milchviehhalter, für den Datentransfer genutzt werden konnte. Bisher arbeiten Mäster und Ferkelerzeuger mit Mast- beziehungsweise Sauenplanern, die sie entweder selbst am Betriebsrechner führen oder überbetrieblich führen lassen. Eine Dienstleistung, die die Erzeugerringe im LKV für ihre Mitglieder anbieten und die jetzt um besagte Online-Anwendungen erweitert wird. Möglich wird das, wie LKV-Abteilungsleiter Dr. Michael Buchholz erläutert, durch die Kooperation mit den österreichischen Kollegen. „Die dort entwickelten Online-Mast- und Sauenplaner können wir in Zukunft mit nutzen und auf die Bedürfnisse unserer Schweinehalter zurechtschneiden.“
Tierärzte nutzen Datenpool für Herdenbetreuung
Die Mast- und Sauenplaner laufen Browser gestützt übers Internet, Softwareprogramme für den einzelnen Betrieb dürften damit schon bald der Vergangenheit angehören. „Man kann sich das ungefähr wie ein Facebook für Schweine vorstellen“, erläutet Valentin Pressler, der für den LKV die österreichischen Online-Planer weiterentwickelt und optimiert. Ziel sei es, auf dem Server des LKV einen aktuellen Datenpool bereitzustellen, mit dem sich die Betriebe jederzeit anonymisiert vergleichen können. „Ein Benchmarking für den Betrieb“, erläutert Pressler, „mit der Option, sich selbst besser einzuordnen.“ Drei Jahre lang läuft das Projekt, bei dem am Ende die Promotion des jungen Tierarztes an der Klinik für Schweine der Universität München stehen soll.
Mehr Daten, mehr Information auf einen Blick – so lautet das Credo der Monitoring-Initiatoren beim Landeskontrollverband. So sollen zusätzlich zu den Reproduktions- und Mastergebnissen, den Ergebnissen von Blut- oder Kotproben sowie Sektionsberichten und Antibiogrammen auch die Schlachthofdaten, vor allem die Schlachtbefunde, erfasst werden. Außerdem wird auf der Geschäftsstelle in Stuttgart an einem Medikamentenmodul gearbeitet, mit dem die Impfstoff- und Arzneimittelmengen auf den Ferkelerzeuger- und Mastbetrieben erfasst werden können. Mit der anvisierten Online-Datenbank sollen Schweinehalter zudem die Möglichkeit erhalten, ihre Stichtags- und Bewegungsmeldungen automatisch an HIT und die TAM zu melden.
Die Vernetzung bringt Vorteile, da sind sich die Macher beim LKV sicher: „Die Tierärzte können sich im Vorfeld ihres Besuchs künftig umfassend über den jeweiligen Betrieb informieren und den Gesundheitsstatus der Tiere anhand der Leistungsdaten besser erkennen, um dadurch die Tiere optimal zu betreuen.“ Voraussetzung ist allerdings, dass die Onlineprogramme regelmäßig mit den entsprechenden Informationen gepflegt werden. In Arbeitsspitzen, ergänzen die beiden Verantwortlichen, könne der Online-Planer künftig übrigens auch kurzfristig vom Berater des Betriebes geführt werden. Das war bisher nicht möglich, weil der jeweilige Berater keinen Zugriff auf den Computer des Landwirtes hatte.
Fortschritte bei der Suche nach Krankheitsursachen
Doch nicht nur den schnelleren, umfänglicheren Informationsfluss zwischen Betrieben, Beratern und Tierärzten haben Drössler, Buchholz und ihr Team beim Kontrollverband im Auge: Die Vorbeuge von Krankheiten in den Beständen, die rasche und effektive Behandlung der Sauen, Ferkel und Mastschweine mit dem gewünscht niedrigen Einsatz von Medikamenten. Den Monitoring-Initiatoren geht es darüber hinaus um grundsätzliche Fragen, Ansichten und Standpunkte, die seit den Diskussionen um mehr Tierwohl und Tierschutz in die Betriebe hineinragen. „Wir sind davon überzeugt, dass sich Tierwohl und Leistungsfähigkeit der Schweine nicht ausschließen“, heben Drössler und Buchholz bei der Tour über die Testbetriebe etliche Male hervor.
Lange sei das anders gewesen, hätte das Prinzip „kurze Mastdauer mit sehr hohen Mastleistungen“ mehr gezählt, hatten zuallererst die täglichen Zunahmen als wichtigstes Kriterium gegolten, wenn es um die Wirtschaftsdaten der Betriebe ging. Das sehe man jetzt in Teilen anders: Gesunde Tiere entwickelten im Verlauf der Mast ein höheres Leistungspotenzial, bringen es unterm Strich damit zu größeren Gesamtleistungen als Tiere, die während der Mast krank waren und mit viel Aufwand weiter gemästet worden sind.
„Wenn ein Betrieb mit fünf bis sechs Prozent Verlust durch die Mast läuft, macht er gehörig Geld kaputt“, gibt Dr. Michael Buchholz zu bedenken und erntet zustimmendes Nicken von Dr. Christian Fischäß, Tierarzt beim Schweinegesundheitsdienst (SGD) Aulendorf, der mit seinen Kollegen einen Diagnoseschlüssel zur Erfassung von Krankheitsdaten auf den angeschlossenen Betrieben entwickelt hat. „Über den Schlüssel können wir den Gesundheitsstatus des Betriebes erfassen“, erläutert der Schweinefachtierarzt. Wie viele Zuchtsauen sind an MMA erkrankt? Wie oft musste gegen Durchfall- oder Atemwegserkrankungen in der Mast behandelt werden?
Diagnosen sollen standardisiert erfasst werden
Durch die von Betrieben, Hoftierärzten, Tierärzten der Schweinegesundheitsdienste und den Veterinären am Schlachthof eingepflegten Informationen über Leistungs-, Gesundheitsdaten, Erkrankungen und Schlachtergebnisse entstehe ein belastbarer Datenpool, „mit dem wir die tierärztliche Bestandsbetreuung verbessern und den Schweinehaltern beim Management ihrer Herden unterstützend zur Seite stehen können“, versichert Fischäß. Keine Frage für die Verantwortlichen beim LKV und den landesweit tätigen Schweinegesundheitsdienst der Tierseuchenkasse, dass auch die von der Hochschule Nürtingen jüngst entwickelten Tierwohlindikatoren in den inzwischen standardisierten Diagnoseschlüssel einfließen sollen.
Mehr Informationen zwischen Ferkelerzeugern und Mästern
Mäster Hans-Jörg Baier und seine Hoftierärztin Renate Baur wären froh, wenn sie die Gesundheitsdatenbank schon heute nutzen könnten. Seit einigen Monaten entdecken sie bei den neu eingestallten Aufzuchtferkeln immer häufiger Verletzungen durch Seitenbeißen oder auch Ansätze von Ohrnekrosen. Beeinträchtigungen, die sich durch die gesamte Mastperiode ziehen können. „Ich sehe, dass die Ferkel ein Problem mitbringen, ich weiß aber nicht warum“, beschreibt die Veterinärin ein Dilemma ihrer täglichen Arbeit als Bestandsbetreuerin. Über den geplanten Datenverbund könnte sie sich online beim Ferkelerzeuger kundig machen, ob seine Aufzeichnungen Hinweise auf Krankheiten geben. Im Idealfall findet auch eine Absprache der Tierärzte statt. Zum jetzigen Zeitpunkt sei sie ausschließlich auf den guten Willen des Ferkelproduzenten angewiesen, dass er den Mästern Schwachpunkte mitteilt.
Baurs Überzeugung nach werden die baden-württembergischen Schweineproduzenten die nächsten Jahre allerdings nur dann überleben, wenn es dem Bereich insgesamt gelingt, die Leistungen zu verbessern. Darum unterstützt sie auch das Projekt des Landeskontrollverbandes, obwohl sie eigentlich überhaupt „kein Freund von Datenbanken“ sei, wie die Tierärztin bei dem Treffen auf dem Hof von Hans-Jörg Baier in Blaubeuren-Beiningen (Alb-Donau-Kreis) zugibt. Denn in der Regel bedeutet jedes neue Programm noch mehr Bürokratie, mit der Folge, dass die Zeit für die Tiere im Stall immer weniger werde.
Auf das Gesundheitsmonitoring Schwein dürfte dieser Punkt gleichwohl nicht zutreffen. Landwirtschaftsmeister Baier geht davon aus, dass er durch die Teilnahme am Testlauf nicht mehr Aufwand für die Dateneingabe hat, bei einem ungleich höheren Nutzen. Er hofft darauf, dass ihm die Daten eine „bessere Draufsicht auf die Schweineproduktion“ ermöglichen. „Meine Betriebsdaten sind zwar wichtig“, erklärt er, „doch erst im Vergleich mit anderen bekommen sie einen hohen Aussagewert.“ Baier, der Mitglied im Vorstand des Landeskontrollverbandes ist, bewirtschaftet am Ortsrand von Beiningen zwei Mastställe mit ursprünglich rund 1200 Plätzen, die er im Zuge der Teilnahme an der Tierwohlinitiative auf 900 reduziert hat. Mit dem 1997 gebauten Außenklimastall nimmt er außerdem an FAKT teil.
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