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Antibiotikaminimierung bei Mastgeflügel

Tiergesundheit beginnt nicht erst im Maststall

Stetig steigende bundesweite Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit bei Masthühnern festgestellt. Runder Tisch "Antibiotikaminimierung" beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) identifiziert Stellschrauben mit Optimierungspotenzial.
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Annette Mayer, AR
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Die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit haben sich bei allen vom Antibiotikaminimierungskonzept betroffenen Tierarten in den ersten vier Erfassungsperioden teilweise bis zu 50 % verringert. Während bei Mastrindern, -schweinen und –puten die bundesweiten Kennzahlen seitdem auf einem verringerten Niveau konstant geblieben sind, steigen die Werte bei Masthühnern seit 2016 wieder an.

Wie können wir dem Trendwechsel begegnen?

Dieser Fragen ist der Runde Tisch „Weniger ist Mehr: nachhaltige Antibiotikaminimierung in landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen“ Ende letzten Jahres nachgegangen.

Das staatliche Antibiotikaminimierungskonzept soll die Entwicklung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen beschränken und damit die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und Tier erhalten. Der Weg dahin ist das Ziel: Verringerung der Behandlungen mit Antibiotika bei Masttieren durch eine nachhaltige Verbesserung der Tiergesundheit, denn gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika.

Bei Rindern, Schweinen und Puten scheinen seit der Einführung des staatlichen Antibiotikaminimierungskonzeptes 2014 Maßnahmen umgesetzt worden zu sein oder Strukturen vorzuliegen, die es ermöglichen, die bundesweite Therapiehäufigkeit nach einer anfänglich raschen Verringerung auf einem zumindest konstanten Niveau zu halten. Anders zeigt sich hingegen die Entwicklung bei Masthühnern. Seit 2016 steigen die bundesweiten Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit wieder stetig an.

Stellschrauben mit Optimierungspotenzial

Um die Behandlungen mit Antibiotika bei Masthähnchen wieder und bei Mastputen noch weiter zu verringern, muss die Tiergesundheit kontinuierlich verbessert und insbesondere langfristig erhalten werden. Der Runde Tisch hat daher folgende Stellschrauben mit Optimierungspotential identifiziert, von denen der Erfolg einer nachhaltigen Antibiotikaminimierung maßgeblich abhängt:

• Genetik – tiergesundheitsbezogene Zuchtziele müssen in den Mittelpunkt rücken.
Einseitige Zucht auf Mastleistung und Schlachtkörperzusammensetzung führt zu Gesundheits- und Verhaltensproblemen. Tiergesundheitsbezogene Kriterien wie langsames Wachstum, Lauffähigkeit und Fußballenrobustheit müssen weiterhin verstärkt bei den Zuchtzielen berücksichtigt werden, um die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten zu erhöhen.

• Gesunde Küken – der Grundstein wird im Elternbetrieb gelegt.
Haltung und Fütterung der Elterntiere sowie Hygiene und ordnungsgemäßer Umgang mit Bruteiern und Brut haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Kükenqualität. Nur gesunde Küken können in Mastbetrieben ohne Antibiotika aufgezogen werden.

• Fütterung – optimale Fütterung von Anfang fördert die Tiergesundheit.
Dabei soll die Darmgesundheit verstärkt berücksichtigt werden, auch wenn dies mit etwas reduzierten Zunahmen verbunden ist. Optimierte Fütterung soll auf allen Stufen der Geflügelhaltung konsequent sichergestellt werden.

• Immunisierung – breiter Immunschutz verhindert Infektionen.
Vorbeugende Impfungen sind eine der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz vor vielfältigen Krankheiten. Zwischen den Eltern- und Mastbetrieben abgestimmte Impfprogramme sollten daher standardmäßig und konsequent durchgeführt werden, um einen breiten, lebenslangen Impfschutz zu gewährleisten. Die Entwicklung neuer Impfstoffe durch pharmazeutische Unternehmen ist zudem die Voraussetzung dafür, dass betriebsindividuelle Impfregime bedarfsgerecht etabliert und umgesetzt werden können.

• Besatzdichte – mehr Platz bedeutet mehr Tierwohl.
Eine geringere Besatzdichte fördert u. a., dass Tiere ihr artgemäßes Verhalten besser ausüben können und dadurch stressfreier aufgezogen werden. Weniger Stress wiederum stärkt das Immunsystem und verringert die Anfälligkeit für Infektionen. Als positive Entwicklung wird herausgestellt, dass in Baden-Württemberg immer mehr Geflügelbetriebe an der Initiative Tierwohl teilnehmen.

• Wertschöpfungskette – auch der Handel und der Verbraucher tragen Verantwortung.
Begrenzung der Tageszunahmen und niedrigere Besatzdichte sind Maßnahmen, die sich positiv auf das Tierwohl und die Tiergesundheit auswirken. Gleichwohl sind sie für den Tierhalter mit einem finanziellen Mehraufwand verbunden, den das aktuelle Preisniveau und die Verbrauchernachfrage nicht flächendeckend abdecken können. Damit Tierwohl kein Nischenprodukt bleibt, müssen auch Handel und Verbraucher ihren Beitrag leisten.

• Tiergesundheitsindex – Tiergesundheitsdatenbank als ganzheitliche Erweiterung der Antibiotikadatenbank.
Der Antibiotikaeinsatz ist unmittelbar von der Tiergesundheit abhängig. Die Zusammenführung und Nutzung der Daten zu Tiergesundheit, Tierschutz und Verbraucherschutz würden dem Tierhalter erlauben, im Rahmen von Eigenkontrollen den Tiergesundheitszustand seiner Herde anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen und langfristig ein gezieltes Tiergesundheitsmanagement mit seinem betreuenden Tierarzt zu etablieren. Die Einführung eines Tiergesundheitsindex würde ferner die Beurteilung der Wirksamkeit des Tiergesundheitsmanagements auf Betriebsebene sowie in bundesweitem Vergleich zulassen.

Grundstein wird in der Zucht und Aufzucht gelegt

Die Tiergesundheit beginnt nicht erst im Maststall – und sie endet auch nicht dort, lautet das Fazit des Runden Tisches. Geflügelmäster haben zwar einen erheblichen Einfluss auf die Verbesserung und den Erhalt der Tiergesundheit in der Zeit, in der sich die Tiere in ihrem direkten Verantwortungsbereich befinden. Sie stoßen aber auch, trotz aller Bemühungen, an systemimmanente Grenzen. Die identifizierten Stellschrauben für eine weitere Verbesserung der Geflügelgesundheit zeigen, dass der Grundstein für eine stabile Geflügelgesundheit bereits bei den Zuchtunternehmen und den Elterntierbetrieben gelegt wird.

Die Anforderungen und die Preispolitik des Handels sowie das Kaufverhalten der Verbraucher am Ende der Wertschöpfungskette entscheiden zudem wesentlich mit, in welchem Ausmaß der gesamtgesellschaftlich veränderte Anspruch an die Nutztierhaltung von den Tierhaltern finanziell leistbar ist. Jeder, der direkt oder indirekt an der Wertschöpfungskette der Geflügelwirtschaft beteiligt ist, trägt somit Verantwortung dafür, inwieweit ein tragfähiger Kompromiss zwischen Tiergesundheit, Tierwohl und angemessener Wirtschaftlichkeit herbeigeführt werden kann.

Hintergrundinformation:
Der Runde Tisch „Weniger ist Mehr: nachhaltige Antibiotikaminimierung in landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen“ wurde vom MLR im Jahr 2014, nach in Kraft treten des staatlichen Antibiotikaminimierungskonzeptes, ins Leben gerufen. Das Ziel des Runden Tisches ist, gemeinsam, fachübergreifend, mit allen am Antibiotikaminimierungskonzept Beteiligten - Tierhaltern, landwirtschaftlichen Beratungsdiensten, praktizierenden Tierärzten, Tiergesundheitsdiensten und Überwachungsbehörden - praktische Handlungsempfehlungen zur nachhaltigen Antibiotikaminimierung in landwirtschaftlichen Tierhaltungen zu entwickeln. Bisher wurden u. a. „Maßnahmen zur Antibiotikaminimierung in landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen - Allgemeine Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Gesundheit von Rind, Schwein und Geflügel“ veröffentlicht. Die Empfehlungen sind auf den Websites des MLR und der Landratsämter abrufbar. Im Jahr 2017 hat der Runde Tisch zudem das Symposium „Antibiotikaminimierungskonzept - Chancen und Grenzen“ veranstalten, das sich im Sinne des „One-Health“-Ansatzes an die Tierärzteschaft aus der Praxis und der Verwaltung, die Landwirtschaft und die Humanmedizin richtete.


Dr. Dagmar Duda-Spiegel
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

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