Ruhen und Schlafen sind Grundbedürfnisse
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Verbraucher hinterfragen zusehends die landwirtschaftliche Viehhaltung. Sie legen insbesondere Wert auf mehr Tierwohl. Auch die Landwirte haben gesteigertes Interesse an tiergerechter Haltung, denn gesunde Tiere bringen hohe Leistungen und verursachen weniger Kosten. Tierwohl besitzt derweil keine einheitliche Definition, bedeutet aber in wissenschaftlicher Hinsicht u.a. das Unterstützen und Erhalten natürlicher Verhaltensweisen der Tiere.
Zu diesen natürlichen Verhaltensweisen zählen beim Masthuhn das Laufen, die Futteraufnahme, oft in Kombination mit Picken und Scharren, Flügelflattern, Gefiederpflege und das ungestörte Ruhen und Schlafen. Für die Auslebung dieser Verhaltensweisen muss die Haltungsumwelt entsprechend gestaltet sein. Die Stallstrukturierung schließt den Aspekt der Gestal-tung von Ruhebereichen oftmals in geringem Maße ein, ist aber bspw. kein Kriterium, mit dem Tierwohl aktuell gemessen wird.
Bisher wurde das Ruhen und Schlafen als För-derelement des Tierwohls noch wenig untersucht. Das Ruhen und Schlafen ist eine natürliche Verhaltensweise, die auch bei Masthühnern ein Grundbedürfnis darstellt. Die Ruhequalität wirkt sich bei Säugetieren auf die physiologische und psychologische Leistungsfähigkeit aus und Hühner ähneln dabei in Bezug auf die Funktion des Ruhens und Schlafens den Säugetieren sehr (WINCKLER und HEIGL 2015 S. 19 ff.). Im Rahmen des MuD Tierschutz Projektes „Hühnermast im Mobilstall“ wurde mit Hilfe kamerabasierter Beobachtung das Ruhen und Schlafen von Masthühnern auf zwei Projektbetrieben untersucht.
Tiere, Material und Methoden
Die Verhaltensbeobachtung erfolgte mittels Videotechnik auf zwei Betrieben für zwei Durchgänge (DG) in den Monaten Juni bis September 2019. Beide Betriebe wirtschaften konventionell und mästen die langsam wachsende Genetik Ranger Classic, die mit ca. 28 Lebenstagen (LT) zugekauft werden. Betrieb A mästete 150 Tiere in einem Eigenbau-Rundbogenstall ohne Bodenplatte und einer Nettostallfläche von 37 m2. Betrieb B mästete 140 Tiere in einem umge-bauten Kühl-LKW-Anhänger mit Bodenplatte und einer Nettostallfläche von 18 m2.
Pro Mastwoche wurde ein möglichst störungsfreier Tag aus-gewählt und dieser anhand von Standfotos und teilweise von Videoeinsichten im Zweistunden-Takt ausgewertet. Die Beurteilung erfolgte auf dem Boden sowie auf erhöhten Ruheorten im Stall. Anhand der Körperhaltung des Tieres wurde beurteilt, ob das zu sehende Tier schläft, döst oder ausruht. Die Definition der genannten Ruheintensitäten erfolgte nach einer Studie von BLOKHUIS (1984) (siehe Abblidung 2 im Anhang). Die Auszählung erfolgte in Prozent der sichtbaren Tiere im Stall.
Ergebnisse: Ruhezeit steigt mit steigendem Alter
Die Anzahl der sichtbaren Tiere lag auf Betrieb A zwischen 18 und 104 Tieren, auf Betrieb B konnten 21 bis 134 Tiere gezählt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Ruhen insgesamt (Summe von Ausruhen, Dösen und Schlafen) mit steigendem Lebens-alter und damit einhergehender Zunahme des Lebendgewichts (LG) anstieg (vgl. Abbildung 2). Die Nutzung der erhöhten Ruhemöglichkeiten war im ersten DG auf beiden Be-trieben sehr gering. Im zweiten DG wurde das Angebot der erhöhten Ruheorte von den Tieren vermehrt genutzt und nahm im Mastverlauf ab (vgl. Abbildung 2).
Für den Zeitraum Juni bis September begann die erste Akti-vitätsphase um 6 Uhr, im Tagesverlauf zeigten die Tiere mehrfach alternierende Ruhe- und Aktivitätsphasen. Ein deutlicher Anstieg des Ruhens erfolgte in den Abendstunden ab 20 Uhr.
Das Ruhen fand erwartungsgemäß vorwiegend in der Dunkelphase statt. Wie Tabelle 1 zeigt, lag während der Dunkelphase der Anteil der ruhenden Hühner auf Betrieb A mit 92 bis 100 % und auf Betrieb B mit 83 bis 100 % ähnlich hoch, während in der Hellphase die Werte deutlich niedriger lagen (Betrieb A 68 bis 80 %, Betrieb B 40 bis 83 %).
Diskussion: Weitere Forschung zu Haltungsbedingungen nötig
Die Zunahme des Ruhens mit zunehmendem Alter und LG entsprechen den Angaben der Literatur (BESSEI und REITER 2009 S. 215). Die Tiere zeigten im Tagesverlauf einen Anstieg der Aktivität nach einer jeweiligen Ruhephase dies deutet auf explizite alternierende Aktivitäts- und Ruhephasen im natürlichen Verhalten hin. In wie weit die Phasen alternieren, ist jedoch nur durch detailliertere Verhaltensaufnahmen analysierbar und kann durch diese Untersuchung nicht geklärt werden.
Erkennbar war ebenfalls, dass Masthühner, in diesem Falle der langsam wachsenden Genetik, noch ein arteigenes Verhalten aufweisen. Zugleich zeigen die Ergebnisse, dass das Verhalten der Tiere einen inneren Tagesrhythmus aufwies. Zudem ist zu sehen, dass Masthühner, in dieser Untersuchung in einer Herde von bis zu 150 Tieren, ein synchronisiertes Ruheverhalten zeigen und somit die Verhaltensweisen bzw. Abläufe durch die soziale Gemeinschaft beeinflusst werden.
Laut CAMPO et al. (2005) und OHARA et al. (2015) (zitiert in YNGVESSON et al. 2018 S. 7) reduziert das Aufbaumen bei Masthühnern Stress. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse von BUIJES et al. (2010), die ein zunehmendes Stresslevel mit steigendem Lebensalter allein durch die Zunahme der Besatzdichte in kg pro m2 beobachtet haben, drängt sich die Frage auf, ob die Nutzung von erhöhten Ruhemöglichkeiten als Rückzugsort mit steigendem Lebensalter zunehmen könnte. Das Ruhen auf den erhöhten Ruhemöglichkeiten nahm im Mastverlauf ab. Das im Betrieb A und B jeweils im zweiten DG höhere Angebt an erhöhten Ruhemöglichkeiten in Form von Stroh- und Luzerneballen sowie einem glatten Stein wurde durchaus angenommen (vgl. Abbildung 2). Dies
lässt vermuten, dass das Angebot der erhöhten Ruhemöglichkeiten zur Tieranzahl passen muss.
Bevorzugt wurden v.a. die Elemente, bei denen die gesamte Brustfläche aufliegen konnte, wie Strohballen und ein auf Betrieb B vorhandener Stein. Ein zur Verfügung stehender Luzerneballen mit einer Höhe von 45 cm wurde von den Tieren nicht angenommen. Dies deutet daraufhin, dass diese Höhe für die Masthühner aufgrund ihres zunehmenden Gewichts und der daraus resultierenden verminderten Mobilität ohne Aufstiegshilfen schwierig zu erreichen ist. Auch ist es denkbar, dass der Luzerneballen bzgl. der scharfkantigen Struktur der Stängel für Masthühner in Verbindung mit der sensiblen Brusthaut nicht geeignet war. Neben dem regulären Wachstum geht mit der Gewichtszunahme unweigerlich ein Anstieg des Körpervolumens der einzelnen Tiere einher.
Von Mastbeginn bis Mastende liegt die geschätzte Volumenzunahme eines jeden Tieres zwischen 300 % und 400 %. Jedes Tier nimmt mit fortschreitendem Alter mehr Raum ein, sodass die Besatzdichte als Ausdruck von kg Tier pro m2 Stallfläche eine stetige Steigerung erfährt. In der Legehennenhaltung schreibt die TierSchNutztV vergleichsweise pro Legehenne eine Sitzstangenlänge von mind. 15 cm vor. Eine vergleichbare Vorgabe wäre auch für den Masthühnerbereich ratsam. Hinsichtlich der Vorgabe wäre eine Einheit von cm pro kg Tier bzw. von m2 pro kg Tier zu bevorzugen.
Für solch eine Anpassungsmaßnahme der generellen Haltungsbedingungen bzw. Vorschriften für Masthühner bedarf es weiterer Forschung, wie dies im Sinne der Förderung des Tierwohls durchaus zu empfehlen ist. Hinzu kommt der Bedarf an weiteren Untersuchungen bzgl. der Gestaltungsform von erhöhten Sitz- und Ruhemöglichkeiten, diese sollten trotz der Gewichtszunahme zu jeder Zeit gut erreichbar sein und einen gewissen Komfort für die sensible Brustfläche bieten.
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