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Süddeutsche Butter- und Käsebörse e.V.

Die Nachfrage findet in Afrika statt

Über die Grenzen des Wachstums sprach Dr. Reiner Klingholz, Direktor Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, auf der Mitgliederversammlung der Süddeutschen Butter- und Käsebörse e.V. am 11. Juli in Kempten. Sein Thema: "Demografische Entwicklung in Deutschland und der Welt – Was hat die Milchwirtschaft zu erwarten?“
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„Pro Jahr wächst die Bevölkerung weltweit um etwa 80 Mio. Menschen“, meinte Dr. Reiner Klingholz, Direktor vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.
„Pro Jahr wächst die Bevölkerung weltweit um etwa 80 Mio. Menschen“, meinte Dr. Reiner Klingholz, Direktor vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Borlinghaus
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Wirtschaftswachstum und Bevölkerungsentwicklung sind eng miteinander verknüpft, so Dr. Reiner Klingholz. Er meinte: „In den 100 Jahren von 1900 bis 2000 fand das stärkste Wachstum statt, was die Menschheit je erlebt hat.“ In diesem einen Jahrhundert habe sich die Zahl der Menschen von 1,6 auf 6,1 Mrd. vervierfacht. Ein solches Wachstum lasse sich in den nächsten Jahren 100 allerdings nicht wiederholen, denn 24 Mrd. Menschen wären nicht zu versorgen. Sie würden sich umweltmäßig ihre Lebensgrundlagen selbst zerstören. Gleichwohl: Für 2050 rechnet Klingholz mit immerhin 9,8 Mrd. Menschen. Das wäre ein weiteres sehr starkes Wachstum, von zusätzlich 3,7 Mrd. Menschen in nur 30 Jahren. Derzeit wächst die Bevölkerung um etwa 80 Mio. Menschen pro Jahr. Zum Vergleich: „Alle fünf Stunden kommt ein Mal Kempten dazu“, veranschaulichte Klingholz den Anstieg.

Weniger Kinder in entwickelten Ländern

In allen entwickelten Ländern, das seien weltweit immerhin über 80 Länder, bekommen die Frauen statistisch gesehen weniger als 2,1 Kinder. Bei mehr als 2,1 Kindern nimmt die Bevölkerung zu, bei weniger nimmt sie ab. Zu diesen Ländern gehören mittlerweile auch Schwellenländer wie Sri Lanka, Indonesien, Brasilien oder Vietnam. Das bedeutet, dass auch diese Länder ihre Bevölkerungszahl nur durch Zuwanderung stabil halten können. Interessant ist: Im Iran ging die Kinderzahl pro Frau innerhalb nur einer Generation von sieben auf 1,8 Kinder zurück. Gründe dafür seien Urbanisierung und bessere Bildung vor allem auch für Frauen. „Das ist eine Entwicklung, die man unter der Glocke des Mullah-Regimes nicht vermuten würde,“ so Klingholz.

Deutschland braucht Zuwanderung

Deutschland: In Deutschland geht die Kinderzahl seit den 70er-Jahren zurück. Sie liegt heute bei 1,4 bis 1,5 Kindern pro Frau. „Wir bräuchten pro Jahr 300.000 bis 400.000 Zuwanderer, um die Bevölkerung zu halten,“ so Klingholz. Auf der so genannten Bevölkerungspyramide - die längst schon keine Pyramide mehr ist - schiebt sich die Babyboomer-Generation aus den 60er- bis 70er-Jahren immer mehr in Richtung Rentenalter. Noch arbeiten diese Menschen, zahlen Steuern und Sozialabgaben und sind verantwortlich dafür, dass es Deutschland so gut geht. Im Jahr 2030 aber wird jeder Jahrgang, der sich in die Rente verabschiedet, doppelt so groß sein wie der Jahrgang, der ins Erwerbsleben eintritt. Und: Bereits ab dem Jahr 2020 wird der heute schon bestehende Fachkräftemangel eine völlig neue Dimension einnehmen.

Immer mehr Menschen in Afrika

Globale Entwicklung: Das eigentliche Bevölkerungswachstum findet in West-Asien, im Nahen Osten und in Afrika vor allem südlich der Sahara statt. Afrika wird bis 2050 seine Bevölkerung verdoppeln. Die Zahlen sind beeindruckend:

  1. Nigeria ist anderthalb mal so groß wie Frankreich und hat heute 180 Mio. Einwohner. 2050 werden es 400 Mio. sein. 
  2. In Niger werden sich die Menschen von 18 Mio. auf 60 Mio. Einwohner erhöhen. 
  3. Das vergleichsweise kleine Land Tansania in Ostafrika, Nachbarland von Kenia, wird 2050 mehr Einwohner haben als Russland. 
  4. Ägypten, Äthiopien, Nigeria, Tansania, Uganda und die Demokratische Republik Kongo werden alle bis 2050 jeweils über 100 Mio. Einwohner haben. Sie werden es schwer haben, dieses Wachstum zu bewältigen, denn sie haben eine schlechte Infrastruktur, zu wenige Arbeitsplätze und schaffen es noch nicht einmal, die benötigten Schulen und Krankenhäuser für die stark wachsende Bevölkerung zu bauen.

Neue Gleichgewichte, Flüchtlingsströme nehmen zu

Die Beispiele zeigen, wie sich die globalen Gleichgewichte verschieben werden. Die Nachfrage findet also in Afrika statt. Dorthin Nahrungsmittel zu exportieren, ist allerdings problematisch, weil die Kaufkraft vielfach fehlt und heimische Märkte kaputtgemacht werden. Unzufriedenheit, Krieg, Migration und Flucht werden zunehmen. Während die Wissenschaftler darüber schon seit Jahrzehnten forschen, sind Flüchtlinge seit nunmehr erst zwei Jahren das Top-Thema auf der politischen Agenda in Deutschland. Wenn einzelne Länder instabil werden und regelrecht implodieren, wie dies in Syrien der Fall ist, machen sich Flüchtlingsströme auf den Weg.

Was bedeutet das?

Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt. Auch höherwertige Produkte werden verstärkt nachgefragt, weil durch das Wachstum insgesamt auch der Wohlstand zumindest in der Mittelschicht trotz allem insgesamt steigt. Es gibt hier viele Faktoren und regional große Unterschiede. Wohin könnte sich ein Export lohnen und wohin eher nicht?

China fängt an zu schrumpfen

In den 1980er und 1990-Jahren zum Beispiel war China das Land mit dem höchsten Bevölkerungswachstum. "Man hatte den Eindruck: Jeder Dritte ist Chinese und irgendwann sind alle Chinesen. Das ist vorbei", so Klingholz. China erlebt derzeit seinen bevölkerungsmäßigen Höhepunkt. Die Bevölkerung Chinas fängt in den nächsten Jahren an zu schrumpfen. Bis 2050 wird China rund 45 Mio. Einwohner verlieren. Nach 2050 wird sich dieser Rückgang noch deutlich beschleunigen. Es wird ein gewaltiger Alterungsprozess kommen, der auch finanziert werden muss. Deshalb bleibt China nur noch wenig Zeit, um genügend Reichtum für die vielen anstehenden Altersrenten zu erwirtschaften. Für uns heißt das: Unsere demografische Position, die lange Zeit ein Wettbewerbsnachteil gegenüber China war, wird sich wieder verbessern.

Immer weniger Japaner

In Japan ist der Rückgang besonders eklatant: Hier werden es bis 2050 vermutlich 40 Mio. Menschen weniger sein und bis 2100 vielleicht 80 Mio. Japaner weniger. Heute hat Japan 128 Mio. Einwohner. Wenn man diese Zahlen entsprechend hochrechnet „sterben die Japaner in aller Ruhe aus.“ Rein rechnerisch gäbe es in 300 Jahre nur noch einen einzigen Japaner auf der Welt.

Weniger Wodka, mehr Milch

Übrigens gehe die Bevölkerung langfristig auch in Indien und in Brasilien zurück. Russland verliere ebenso Einwohner. Zudem ist die Lebenserwartung hier bei Männern besonders gering, sie liegt bei 66 Jahren (In Deutschland sind es 78 Jahre). "Vielleicht sollten russische Männer mehr Milch und weniger Wodka trinken. Sicherlich würde sich dies lebensverlängerend auswirken", so Klingholz.
 

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