Rechtsgutachten zeigt neue Alternative
Nach den Vorgaben des Tierschutzgesetzes ist ab dem 1. Januar 2019 die betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland verboten. Für kleine und mittlere Betriebe fehlen nach wie vor Alternativen. Ein Rechtsgutachten zeigt nun einen möglichen Ausweg.
- Veröffentlicht am

Im Rahmen einer Folgenabschätzung untersuchten die Landesanstalt für Schweinezucht in Boxberg, die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Schwäbisch Gmünd sowie die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft die Auswirkungen des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweinefleischerzeugung in Süddeutschland und auf die Strukturen in der Ferkelerzeugung. Für Klaus Mugele, Vizepräsident des Landesbauernverbands (LBV), ist klar, dass es für die kleiner strukturierten süddeutschen Betriebe eine Alternativlösung geben muss. Das ist auch der Grund, weshalb der LBV zusammen mit dem Bayerischen Bauernverband das Gutachten angeregt hat.
Zum Ausstieg gezwungen
Da im europäischen Binnenmarkt Deutschland als eines der ersten bedeutenden Schweineerzeugungsländer eine gesetzliche Verschärfung für die Kastration männlicher Ferkel einführt, die in anderen bedeutenden Schweine haltenden Ländern Europas hingegen nicht vorgeschrieben ist, wird es durch die zusätzlichen Produktionskosten zwangsläufig zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schweinehalter wäre erheblich beeinträchtigt und insbesondere kleine und mittlere Ferkelerzeuger mit bis zu 250 Zuchtsauen wären verstärkt zum Ausstieg gezwungen. Da in die Kategorie 90 Prozent unserer Ferkelerzeuger fallen, würden damit in vielen Ställen für immer die Lichter ausgehen. Das wäre ein Strukturbruch, der alles Bisherige in den Schatten stellt“, stellt Mugele klar.
Die Folgenabschätzung befasst sich nicht explizit mit der Klärung rechtlicher und tierärztlicher Aspekte. Als Alternativen zur chirurgischen Kastration mit Betäubung beziehungsweise Schmerzausschaltung wurden in der Untersuchung die vom Bundeslandwirtschaftsministerium favorisierten Verfahren betrachtet: Die Jungebermast, Jungebermast mit Impfung gegen Ebergeruch (Immunokas-tration) und die chirurgische Kastration unter Inhalations- oder Injektionsnarkose. Alle Verfahren wurden in den letzten Jahren verstärkt wissenschaftlich untersucht, sind jedoch nicht völlig problemlos rechtskonform umzusetzen. Die chirurgische Kastration unter Betäubung mit Isofluran beziehungsweise Ketamin/Stresnil ist durch die derzeit faktische Notwendigkeit der Anwesenheit eines Tierarztes und die zusätzlichen Gerätekosten bei der Inhalationsnarkose mit erheblichen Zusatzkosten verbunden.
In Süddeutschland wird aufgrund der speziellen Vermarktungswege kurz- bis mittelfristig der Anteil an Eberfleisch im Schweinefleischmarkt kaum über zehn bis 20 Prozent hinausgehen. Die Akzeptanz von Fleisch von mit Improvac geimpften Ebern wird kontrovers diskutiert. Dies bedeutet, dass ab dem 1. Januar 2019 rund 60 bis 80 Prozent der männlichen Ferkel in Süddeutschland mit strukturbedingten Zusatzkosten von rund 13 Millionen Euro pro Jahr unter Betäubung kastriert werden müssen.
Lösungsansatz diskutieren
Diese Wettbewerbsbelastung werden die Ferkelerzeuger nicht aus eigener Kraft ausgleichen können. Für Mugele tut sich ein weiteres Problem auf: „Die Sauenhalter müssen direkt nach der Geburt der Ferkel entscheiden, welcher Weg gegangen wird (Kastration oder Ebermast). Hierdurch können Absatzprobleme entstehen.“ Das Rechtsgutachten zeigt nun einen möglichen Ausweg. „Gesetzlich ist nicht unbedingt eine Vollnarkose gefordert. Auch eine örtliche Schmerzausschaltung ist ausreichend. Dafür ist die Zulassung moderner Lokalanästhetika nötig. Unter diesen Voraussetzungen ist eine örtliche Schmerzausschaltung durch den Landwirt möglich“, sagte Dr. Wolfgang Hansen, Rechtsanwalt und Experte für Veterinärrecht, und öffnet damit neben den drei vom Bundeslandwirtschaftsministerium favorisierten Methoden einen tierschutzkonformen, praktikablen und wirtschaftlich tragfähigen Weg der Ferkelkastration.
Es muss keine Vollnarkose sein
Benötigt wird dazu eine Weiterentwicklung der Verfahren zur örtlichen Betäubung durch den Landwirt und eine Zulassung von wirkungsvollen und bewährten Lokalanästhetika für den Nutztierbereich. Für diesen Zweck ist in Deutschland derzeit der Wirkstoff Procain zugelassen. Das wesentlich wirksamere und vielen bekannte Lidocain ist derzeit nur für die Anwendung in der Human- und Heimtiermedizin, nicht jedoch in der Nutztiermedizin zugelassen. In Schweden dagegen wird der Wirkstoff bereits erfolgreich bei der Ferkelkastration eingesetzt. „Aus tierärztlicher Sicht könnte mit einer örtlichen Betäubung ein deutlicher Vorteil in Sachen Tierschutz verbunden sein – auch und gerade im Vergleich zu einer Vollnarkose“, sagte Dr. Andreas Randt, tierärztlicher Leiter beim TGD. Längerfristig sieht Randt eine Chance in der Zucht auf Spätreife, die Verhaltens- und Qualitätsrisiken der Ebermast reduziert und vielleicht sogar ausschalten wird.










Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.