Frischluft via Schlauch
Bisher gibt es die frische Luft via Plastikschlauch nur für Kälberställe. Doch die neuartige Frischluftlösung könnte sich schon bald auch für Milchkühe im Boxenlaufstall etablieren. Wie das gehen soll? Darüber haben wir uns mit Dr. Peter Zieger vom Innovationsteam Milch Hessen in Friedrichsdorf unterhalten. Der Tierarzt erklärt die Vorzüge des neuen Lüftungstrends.
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BWagrar: Herr Dr. Zieger, wie sind Sie und Ihre Kollegen vom Innovationsteam Milch Hessen auf die Belüftungsschläuche für Milchkühe aufmerksam geworden?
Zieger: Im Rahme des Rindergesundheitstages hat uns Prof. Ken Nordlund von der Universität Wisconsin auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht. Nach ihren dortigen Studien, die noch nicht publiziert sind, schaffen es Kühe nicht, sich mit den derzeit eingesetzten Systemen langfristig und wirksam herunter zu kühlen. Im Gegenteil: Sie heizen sich weiter am Futtertisch, Vorwartehof und Melkstand auf und stehen ein bis zwei Stunden länger am Trog mit fatalen Folgen für die Klauengesundheit.
BWagrar: Was hat Sie und Ihre Kollegen an den Lüftungsschläuchen überzeugt? Leistungsfähige Lüftungssysteme für Milchviehställe gibt es bereits.
Zieger: Alle bisherigen Systeme schaffen es nicht, frische Luft in den Stall zu bringen. Frische Luft kann immer noch Luftfeuchtigkeit und Wärme von den Kühen aufnehmen. Im Gegensatz zu Luft, die im Stall nur umgewälzt wird und meistens schon länger gesättigt ist.
BWagrar: Was denken Sie, ist der größte Vorteil der Kühlschläuche?
Zieger: Die Schläuche schaffen es als einziges System, Kühe punktgenau und ohne Wurfschatten mit Frischluft zu versorgen. Da Kühe über Wärmeabstrahlung und Konvektion sowie Hecheln versuchen, ihre Körpertemperatur zu regulieren, erleichtert in vielen Fällen frische Luft diese Temperaturregulation.
Kühe können sowohl am Futtertisch, im Vorwartebereich, Melkstand oder auch, und das ist vielleicht der größte Vorteil, in den Liegeboxen „ventiliert“ werden. Damit legen sich die Kühe selbst bei Hitzestress deutlich häufiger in ihren Liegeboxen ab, entlasten die Klauen und kauen häufiger wieder. Letztlich produzieren sie damit sogar mehr Milch. Von einer Verbesserung der Pansengesundheit (Azidose) durch eine wirksame Verringerung der Hitzebelastung ganz abgesehen.
BWagrar: Was könnte, abgesehen vom Preis, ein Nachteil der an der Decke installierten Schläuche sein?
Zieger: Den Preis sehe ich überhaupt nicht als Nachteil. Wenn man alle Systeme korrekt miteinander vergleicht, schneiden die Tubes auf Dauer sogar am preiswertesten ab. Die Anschaffung wird in der Regel etwas teurer sein als Großraumventilatoren, aber nicht teurer als in Reihe geschaltete Axialventilatoren, wenn man die zu belüftende Gesamtfläche vergleicht. Von den Stromkosten her schneiden die Tubes von allen Systemen sogar am besten ab.
Die deutlich positiven Auswirkungen einer gezielten Belüftung auf Gesundheit und Leistungsbereitschaft sind hier noch gar nicht mitberücksichtigt. Schon deshalb werden sich diese Systeme schon bald flächendeckend durchsetzen. Die Anzahl von Hitzestressphasen nimmt von Jahr zu Jahr zu und immer mehr Landwirte kommen mit ihrem Stall und den derzeitigen Lösungen an ein Limit. Ein einziger Nachteil, wenn man so will, könnte sein, dass die Tubes ein wenig des einfallenden Lichtes verschlucken, da sie relativ niedrig über den Liegeboxen hängen und es etwas dunkler wird im Stall. In ohnehin schon hellen Ställen fällt dieser Nachteil nicht ins Gewicht.
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