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Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp

Wellness oder Stress – wie wirkt sich Weidegang auf Kühe aus?

In der aktuellen Diskussion um tiergerechte Haltungsbedingungen äußern Verbraucher immer öfter den Wunsch nach Kühen auf der Weide. Wegen der Entwicklungen auf den Milchviehbetrieben in den vergangenen Jahrzehnten, kommen die Kühe heute jedoch seltener auf die Weide, da die Haltung hochleistender Milchkühe in komfortablen Ställen für die meisten Betriebe die vorteilhaftere Lösung darstellt.

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Die Gründe für den aktuellen Versuch erläutert der Präsident der Landwirtschaftskammer, Claus Heller: „Wir führen diesen Versuch durch, weil nur wir unter Versuchsbedingungen die Leistung, das Wohlbefinden, das Verhalten der Kühe im Vergleich einer Kuhgruppe auf der Weide und einer im Stall ermitteln können. Dazu kommen die arbeitswirtschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen, die der Weidegang im Vergleich zur Stallhaltung verursacht.“

Fakten versus Emotionen

Ziel sei es, Fakten zu schaffen, zuverlässige Aussagen zu treffen, die für die eine oder andere Variante sprechen. Häufig genug seien gefühlte Argumente bedeutsamer als wissenschaftlich fundierte Aussagen. Deshalb sei dieser Versuch so wichtig, weil er den echten Vergleich ermögliche und Ergebnisse erzielt würden, die sich auf die vorherrschende Rinderrasse der Schwarzbunten Holstein Friesian beziehen, so Heller weiter.

Jungvieh und Trockensteher weiden draußen, aber nur ein Bruchteil der Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein nutzt die Weide als Futtergrundlage. Aus diesem Grund soll im Lehr- und Versuchszentrum (LVZ) Futterkamp der Frage nachgegangen werden, ob Weidehaltung von Hochleistungstieren in der Praxis umsetzbar ist und eine Alternative zur reinen Stallhaltung darstellt. Aufgabe der Landwirtschaftskammer als neutrale und der Fachlichkeit verpflichtete Institution ist es, diese Frage objektiv zu beleuchten.

Belastbare Vergleiche zwischen verschiedenen Haltungssystemen

Seit wenigen Tagen ist erstmals wieder ein Teil der Futterkamper Milchkuhherde draußen, ein anderer Teil der Herde wird nach wie vor im modernen Laufstall mit hohem Kuhkomfort gehalten. Hierbei sollen dringend nötige Vergleiche zwischen beiden Haltungssystemen mit einer modernen Hochleistungsherde und zwei identischen Tiergruppen angestellt werden.

Eine Gruppe mit 36 Tieren hat mindestens sechs Stunden täglich Zugang zur Weide. Den Tieren wird zudem im Stall morgens und abends eine praxisübliche Mischration aus Gras- und Maissilage, Getreide und Rapsschrot angeboten.

Die Weide wird als Standweide genutzt, sodass den Kühen über die gesamte Weideperiode nur das Gras einer Fläche zur Verfügung steht.

Daneben wird eine Kontrollgruppe von 36 Kühen konstant im Stall gehalten, welche eine ähnliche Mischration zur freien Aufnahme erhält. Die Tiere der beiden Gruppen sind so zusammengestellt, dass die Gruppen in ihrer Laktationsleistung vergleichbar sind. Beide Gruppen werden nach den Ansprüchen ihres Haltungssystems optimal versorgt, um in beiden Systemen eine hohe Leistung und Tiergesundheit zu sichern. Der Versuch hat eine maximale Laufzeit von vier Monaten.

Welche Tierdaten werden erfasst?

  1. Futter- und Wasseraufnahme werden kontinuierlich elektronisch gemessen. Die Futteraufnahme auf der Weide wird kontrolliert.
  2. Tiergewichte werden täglich automatisch elektronisch erfasst.
  3. Einmal monatlich wird die Körperkondition (sogenannter Body-condition score, BCS) der 72 Versuchskühe in Augenschein genommen und bewertet.  
  4. Milchleistungen der Kühe werden bei jeder Melkzeit individuell elektronisch erfasst.
  5. Milchinhaltsstoffe (unter anderem Fett, Eiweiß, Harnstoff, Zellzahl) der einzelnen Kühe werden wöchentlich untersucht.

Neben diesen tierbezogenen Daten sollen im Anschluss an den Versuch auch Aussagen zur Arbeitswirtschaftlichkeit getroffen werden und die Weidehaltung auch aus dem ökonomischen Blickwinkel bewertet werden. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Tiere auf der Weide eine geringere Leistung haben werden als die Tiere im Stall.

Diese Leistungsminderung ist aufgrund einer geringeren Futteraufnahme auf der Weide zu erwarten. Zum einen ist das Fressen vom Boden für die Kühe anstrengender als beim angehobenen Futtertisch. Zum anderen ist die Energie- und Nährstoffdichte pro aufgenommenem Bissen geringer als bei der im Stall gefütterten Ration.

Des Weiteren wird vermutet, dass die Haltung melkender Kühe auf Weide Mehrarbeit in Form von Zeiten für das Treiben der Tiere und die Vorbereitung und Pflege der Weide und der Zäune verursacht. Andererseits muss weniger Futter maschinell geerntet oder beschafft werden, da das Weidegras einen Teil des Stallfutters ersetzt.

Mögliche ökonomische Nachteile werden Betrieben, die an den Weidemilchprogrammen einzelner Molkereien teilnehmen durch Aufschläge von 0,1 bis 1,0 Cent pro kg gelieferter Weidemilch ausgeglichen. Wie hoch die tatsächlichen Mehrkosten der Weidemilch-Produktion sind, ist bislang nicht geklärt.

Der aktuelle Versuch soll hierzu erste ökonomische Daten liefern. Ziel des Versuches ist es nicht, eine pauschale Haltungsempfehlung auszusprechen. Die Entscheidung für Weide- oder Stallhaltung muss am Ende der Tierhalter als landwirtschaftlicher Unternehmer selbst treffen und betriebsindividuell nach den vorliegenden Gegebenheiten entscheiden. Nur wenige Betriebe verfügen beispielsweise über ausreichend hofnahes Grünland, um alle melkenden Kühe dort über längere Zeit weiden zu lassen.

Vor- und Nachteile im Überblick

Ziel der Untersuchung ist es, unvoreingenommen die Vor- und Nachteile beider Systeme im Hinblick auf Tierwohl, Kosten und Leistung miteinander zu vergleichen. Auf wissenschaftlicher Basis soll der Hypothese nachgegangen werden, ob ein regelmäßiger Weideaustrieb zur Erhöhung des Tierwohls beiträgt. Zu diesem Zweck stehen Fruchtbarkeit und Gesundheit der Tiere im Fokus der Betrachtungen, da Gesundheit ein essenzieller Pfeiler des Tierwohls ist. Fruchtbarkeitseinbußen wiederum sind ein sehr sensibler Anzeiger für Störungen des Tierwohls. Letztlich soll der erste Versuch dieser Art am LVZ Futterkamp eine fundierte Entscheidungshilfe für Landwirte mit Interesse an der Weidemilchproduktion liefern und die Vor- und Nachteile beider Systeme in einem modernen Milchviehbetrieb objektiv bewerten.

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