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GAP-Anhörung im Landtag

Was bedeutet die GAP für den Südwesten?

Welche Auswirkungen hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 für Baden-Württemberg? Ihre Sicht erläuterten Vertreter aus EU-Kommission, Wissenschaft, Landwirtschaft und Naturschutz am 13. November 2018 im Landtag in Stuttgart.
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Bei der GAP-Anhörung der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag am 13. November 2018 in Stuttgart (v. l.): Prof. Dr. Harald Grethe, Agrarökonom von der Humboldt-Universität zu Berlin; Dr. Frieder Thomas, Geschäftsführer Baden-Württemberg der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL); Martin Scheele von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission; Horst Wenk, stv. Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV).
Bei der GAP-Anhörung der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag am 13. November 2018 in Stuttgart (v. l.): Prof. Dr. Harald Grethe, Agrarökonom von der Humboldt-Universität zu Berlin; Dr. Frieder Thomas, Geschäftsführer Baden-Württemberg der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL); Martin Scheele von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission; Horst Wenk, stv. Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV).Krehl
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Stuttgart, 13. November 2018

GAP-Anhörung von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag in Stuttgart

"Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) - Was bedeutet das für Baden-Württemberg?"


Martin Hahn sitzt am Tisch. Daneben seine Krücken. Die Mobilität des Agrarsprechers der Grünen ist noch etwas eingeschränkt. Doch die GAP nach 2020 treibt ihn um. Deren künftige Ausgestaltung ist wichtig für die Landwirte. Da will Hahn, selbst Landwirt, präsent sein. Sein Blick schweift in den Elly-Heuss-Knapp-Saal. Hahn, gemeinsam mit Martina Braun, Arbeitskreis-Vorsitzende Ländlicher Raum, und Reinhold Pix, Forstsprecher der Grünen, Gastgeber der GAP-Anhörung, fordert Ruhe ein. Dann geht es los. Hahn und Braun eröffnen die Anhörung.

Ist zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nicht schon alles gesagt? Keineswegs! Die Entscheidungen stehen noch aus. Die Zeit drängt, wenn sie noch vor den Europawahlen im Mai 2019 verabschiedet werden soll. Da kommt die Anhörung der Grünen unter anderen mit den Ministern für Landwirtschaft und Umwelt gerade zur rechten Zeit.

Neues Umsetzungsmodell

Martin Scheele von der EU-Kommission erläutert den aktuellen Stand der GAP-Verhandlungen. Wichtige Änderung ist das neue Umsetzungsmodell im Entwurf der Kommission. Danach stellt die EU nicht wie bisher detaillierte Kriterien für die Leistungsempfänger auf, sondern gewährt den EU-Mitgliedstaaten deutlich mehr Mitspracherecht. Diese sollen künftig GAP-Pläne mit Zielen, Maßnahmen und Mittelansätzen bei der EU-Kommission vorlegen. Diese benennt grundlegende Anforderungen für die Kontrolle und Umsetzung der GAP-Pläne. Die einzelnen Mitgliedstaaten wiederum sind für die detaillierten Regeln verantwortlich, nach denen die Zahlungen an die Landwirte fließen.

Erhöhte Anforderungen durch Konditionalität

Zudem sieht der Entwurf der Kommission erhöhte Anforderungen der sogenannten Konditionalität vor. Danach sind von den Landwirten verpflichtend Managementpraktiken entsprechend der EU-Standards hinsichtlich Klima, Wasser, Boden, Biodiversität und Landschaftserhalt einzuhalten. Gleiches gilt für die Auflagen aus der Nitrat-Richtlinie, Wasser-Rahmenrichtlinie und Natura 2000.

Freiwillig für die Landwirte sind dagegen die sogenannten Eco-Schemes, also die Teilnahme an Umwelt- und Klimaschutzprogrammen.

Geld für Leistungen

Prof. Dr. Harald Grethe, Agrarökonom von der Humboldt-Universität zu Berlin, plädiert für das „Leistungs-Paradigma“. Das bedeutet, öffentliches Geld wird für gesellschaftlich gewünschte Leistungen bezahlt, die der Markt nicht entsprechend honoriert. In der Vergangenheit und auch noch heute immer wieder vorgebrachte Argumente, die Armut in der Landwirtschaft mit der Agrarpolitik mindern oder beseitigen zu wollen, taugen nach Grethes Auffassung nicht zur Begründung des Agrarbudgets. Das treffe genauso für die Groß-Klein-Diskussion zu. Beispielsweise stehe die Behandlung der Nutztiere und somit das Tierwohl-Niveau nicht in kausalem Zusammenhang mit der Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes, sondern vielmehr mit der Art des Haltungsverfahrens und der Qualität des Managements.

Das neue Umsetzungsmodell der zukünftigen GAP hält der Agrarökonom für „im Prinzip richtig“. Die globalen Ziele der EU-Agrarpolitik und die Mittelansätze könnten damit zusammengebracht werden. Die Formulierung der Detailziele der GAP unterliege dagegen entsprechend dem Entwurf der Kommission zukünftig den EU-Mitgliedstaaten. Diese kämen nicht darum herum, Agrarpolitik zu gestalten, weil im Trilog zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat „vieles zu verwässern“ drohe. Wichtig sei es allerdings, gemeinsam auf EU-Ebene zu kontrollieren, ob die Ziele in der Ersten und Zweiten Säule erreicht würden.

LBV für praxistaugliche Politik

Für den Berufsstand kommt es darauf an, die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU so zu gestalten, dass die Umsetzung der GAP möglichst wenig negative Auswirkungen auf die baden-württembergische Landwirtschaft hat. Das sagt Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes (LBV), bei der GAP-Anhörung der Grünen im Landtag in Stuttgart.

Für die zukünftige EU-Agrarpolitik nach 2020 fordert der Berufsstand, wie Wenk erklärt,

  1. keine Maßnahmen, welche sich negativ auf die Einkommen der Landwirte auswirken,
  2. keine Maßnahmen, welche die Wettbewerbsfähigkeit noch weiter einschränken, sondern
  3. eine GAP, die sich mit weniger und nicht mit mehr Bürokratie umsetzen lässt.
  4. Sicherung des Haushaltsvolumens zur Erfüllung der von der Landwirtschaft geforderten Aufgaben.
  5. Sicherung der Ersten Säule als wichtigstes Instrument zur Einkommensstabilisierung.Weiterentwicklung der GAP im Sinne von „einfach, ergebnisorientiert, praxistauglich“.
  6. Gezielte Förderung der Tierhaltung sowie Innovation und Investition in moderne Haltungsverfahren über Maßnahmen der 2. Säule.
  7. Einkommenswirksame Anreizkomponente bei Agrarumweltmaßnahmen (AUM).
  8. Überprüfung und Veränderung der Toleranzgrenzen für die Flächenerfassung.
    Wenk: „Es muss Schluss damit sein, dass Bescheide wegen ein paar Quadratmetern nachträglich geändert werden.“
  9. Verbesserungen bei der Ohrmarkenprüfung im Fachrecht.

Weitere Positionen des Bauernverbandes zur GAP: LBV-Positionen zur GAP nach 2020.

Öffentliche Güter und Strukturpolitik

Dr. Frieder Thomas, Geschäftsführer Baden-Württemberg der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), bedauert den „Rückzug von der aktiven Marktpolitik“ bei der letzten EU-Agrarreform. Bei dem jetzigen Entwurf vermisst er den Ansatz, um „aktiv auf die Herausforderungen von Globalisierung und Weltmärkten zu reagieren.“ Definition- und Klärungsbedarf sieht Thomas beim Begriff „öffentliches Gut“. Wenn regionale Strukturen, wie beispielsweise ein regionaler Schlachthof, unterstützt werden sollten, geht es nach seiner Auffassung nicht nur um öffentliche Güter, sondern um „aktive Strukturpolitik“.

Der Geschäftsführer der AbL im Südwesten plädiert für die Umschichtung zwischen den beiden Säulen mit dem Ziel, die Zweite Säule zu stärken. Bei der Zweiten Säule mitzumachen, solle jedoch stets die freiwillige Entscheidung des Betriebes sein. Darauf legt er Wert. Thomas vermisst im Entwurf der Kommission „Managementsysteme in Krisenzeiten“ zur Absicherung der Marktvolatilität. Von der „Eroberung des Weltmarktes“ hält er nichts, sondern fordert eine Politik, welche kleinere Betriebe unterstützt, um in der Erzeugung hochwertiger Qualitätsprodukte erfolgreich sein zu können.

Historische Chance zum Kurswechsel

Dr. Christian Eichert, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau Baden-Württemberg (AöL), sieht in der neuen GAP die „historische Chance zum Kurswechsel zu mehr Nachhaltigkeit und Vielfalt auf Europas Äckern sowie zu mehr Tierwohl in den Ställen.“ Im Entwurf der EU-Kommission sieht er allerdings die Gefahr eines „europäischen Unterbietungs-Wettbewerbs um niedrigste Umweltleistungen.“ Ferner würde der Großteil der Zahlungen den Landbesitz belohnen statt Landwirte zu unterstützen, die mehr für Umwelt, Klima und Tierhaltung tun, kritisiert er. Die AöL fordert deshalb, Finanzmittel nur für zielführende Maßnahmen und aktive Landwirte zu gewähren.

Untersteller will Anreize für Ökologie setzen

Umweltminister Franz Untersteller ist die Verwaltungsvereinfachung ein wichtiges Anliegen, wie er versichert. Von der zukünftigen GAP erwartet er „wieder ein größeres ökologisches Plus.“ Ziel der Landesregierung sei es zudem, die Landwirtschaft „stärker wettbewerbsfähig zu machen.“ Der Minister meint dazu: „Wir sollten wirtschaftliche Anreize für ökologisch attraktive Landwirtschaft setzen.“ Ferner sei es notwendig, bei der Förderung von Umwelt und Klima weiterzukommen, „sonst drohen uns die Ressourcen wegzubrechen.“

Hauk für Stärkung der Zweiten Säule

Landwirtschaftsminister Peter Hauk spricht sich für eine zielgerichtete Agrarpolitik aus. Die vorgesehenen Klima- und Umweltmaßnahmen in der Ersten Säule, die sogenannten „Eco-Schemas“, würden nicht weiterhelfen, meint Hauk, „wir brauchen die Stärkung der Zweiten Säule.“ Der Minister plädiert dafür, Mittel von der Ersten in die Zweite Säule umzuschichten. Die Zweite Säule könnten die Länder ausgestalten, was bei der Ersten Säule nicht der Fall wäre.

Weiterhin spricht sich Hauk für die Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen aus und fordert, Bemühungen um mehr Tierschutz zu honorieren. Die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit bleibe auch zukünftig eine wichtige Maßnahme. Der Minister ist „sehr dafür, dass der Finanzrahmen der EU und die Grundsätze der neuen GAP noch vor den Europawahlen im Mai 2019 verabschiedet werden können.“

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