Artenschutz bedeutet Kraftakt für Familienbetriebe
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Joachim Rukwied zum Biodiversitäts-Stärkungsgesetz im Interview mit BWagrar
Artenschutz bedeutet Kraftakt für Familienbetriebe
Joachim Rukwied, Landwirt aus Eberstadt (Landkreis Heilbronn), ist Präsident des Landes- (LBV), Deutschen (DBV) und europäischen Bauernverbandes (COPA). Am Mittwoch vergangener Woche, 22. Juli 2020, hat der Landtag das Biodiversität-Stärkungsgesetz (BiodivStärkG) angenommen. Zuvor hatten am 18. Dezember 2019 die Agrar- und Naturschutzverbände einen Kompromiss zu den "Eckpunkten zum Insektenschutz" erzielt. Auf was es jetzt bei der Umsetzung ankommt, erläutert Rukwied in BWagrar.
BWagrar: Herr Rukwied, der Landtag in Stuttgart hat vergangene Woche das Gesetz zur Stärkung der Biodiversität (BiodivStärkG) verabschiedet. Es ändert das Naturschutzgesetz (NatSchG) und das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG). Wie bewerten Sie die Gesetzesänderungen?
Rukwied: Im vergangenen Jahr war es wichtig, das ProBiene-Volksbegehren aufzuhalten. Ein erfolgreiches Volksbegehren Artenschutz "Rettet die Bienen" hätte für unsere regionale Landwirtschaft katastrophale Folgen gehabt.
Wir haben ein Pflanzenschutzmittel-Verbot auf 440.000 Hektar verhindert und Tausende Betriebe aus einem solchen Verbot herausgeholt. Der Einsatz des Berufsstandes und die vielen Aktionen landwirtschaftlicher Betriebe vor Ort auch mit Unterstützung der Kreisbauernverbände hat den Verlauf des Volksbegehrens entscheidend be-einflusst. Letztendlich haben wir es gemeinsam geschafft, das Volksbegehren auszubremsen.
„Ein Pflanzenschutz-Verbot auf 440.000 ha haben wir verhindert und Tausende Betriebe aus einem solchen Verbot herausgeholt.“
Damit wurde das Thema Insektenschutz und Landwirtschaft erwartungsgemäß nicht von der politischen Agenda genommen, aber die radikalen Vorschläge von proBiene wurden entschärft.
Im Gegensatz zum Gesetzentwurf des Volksbegehrens Artenschutz, der strikte Vorgaben und sehr viel weitergehende Verbote vorsah, basiert das Biodiversitäts-Stärkungsgesetz auch auf Angeboten für die Landwirtschaft, um den Artenschutz zu fördern.
BWagrar: Welche Folgen haben die Gesetzesänderungen für unsere Landwirtschaft in Baden-Württemberg?
Rukwied: Das Artenschutz-Paket der Landesregierung bedeutet für die baden-württembergische Landwirtschaft einen gewaltigen Kraftakt. Insbesondere das Ziel des Landes, den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis zum Jahr 2030 um 40 bis 50 Prozent zu reduzieren, wird immer wieder zurecht kritisiert.
Als Ackerbauer weiß ich sehr genau, dass solche Reduktionsziele für den Einzelbetrieb unrealistisch sind. Deshalb war es so wichtig, dass die Landesregierung eine Evaluierung der Ziele 2023 und 2027 zugesagt hat. Wir haben also die Möglichkeit, die Wirkung der Maßnahmen und die Ziele zu überprüfen.
„Wir brauchen ein professionelles Netzwerk von Test- und Demonstrationsbetrieben, in denen praxistaugliche Maßnahmen und Alternativen für den chemischen Pflanzenschutz erarbeitet werden.“
Die Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategie muss nun fachlich und wissenschaftlich fundiert begleitet werden. Den landwirtschaftlichen Betrieben muss eine hochqualifizierte Beratung zur Seite gestellt werden.
Wir brauchen ein professionelles Netzwerk von Test- und Demonstrationsbetrieben, in denen praxistaugliche Maßnahmen und Alternativen für den chemischen Pflanzenschutz erarbeitet werden. Hierfür muss das Land zusätzliches Personal und Finanzmittel zur Verfügung stellen.
BWagrar: Sind weitere Einschränkungen im Pflanzenschutz zu erwarten?
Rukwied: Bitter ist für betroffene Betriebe das Verbot zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten. Wir erwarten von den zuständigen Behörden, dass wirklich jede Möglichkeit genutzt wird, um die betroffenen Flächen der Betriebe über Ausnahmeregelungen von diesem Verbot zu befreien. Gemeinsam mit den Betrieben müssen vor Ort Lösungen gefunden werden, die den Obst-, Wein- und Ackerbauern Perspektiven bieten.
„Wir Bauern müssen weiterhin unsere Kulturpflanzen vor Krankheiten und Schädlingen schützen können.“
Wir Bauern müssen weiterhin unsere Kulturpflanzen vor Krankheiten und Schädlingen schützen können. Hierfür sind wirksame Pflanzenschutzmaßnahmen erforderlich – unabhängig davon, ob wir ökologisch oder konventionell wirtschaften. Nur dann können wir auch zukünftig hochwertige und gesunde Lebensmittel erzeugen und die Erträge absichern.
BWagrar: Was ist jetzt für die Umsetzung der Gesetzänderungen in der landwirtschaftlichen Praxis wichtig?
„Vorgesehene Maßnahmen müssen in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Betrieben erfolgen.“
Rukwied: Wichtig ist, dass vorgesehene Maßnahmen in enger und partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Unternehmen vor Ort erfolgen. Das ist besonders wichtig beim Ausbau des Biotopverbunds, der Etablierung von Refugialflächen – landwirtschaftliche Flächen sind hochwertiges Gut und nicht vermehrbar –, der Entwicklung von Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz und dem Ausbau des Ökologischen Landbaus.
Außerdem müssen diese Leistungen der Betriebe für den Artenschutz auch angemessen honoriert werden. Die Finanzierung neuer Artenschutzmaßnahmen muss mit zusätzlichem Geld langfristig abgesichert werden.
Wir Landwirte brauchen finanzielle Planungssicherheit. Erst wenn diese gegeben ist, kann die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz gelingen.
Weitere Informationen über das Gesetz zur Stärkung der Biodiversität, die "Eckpunkte zum Pflanzenschutz", Volksantrag und Volksbegehren Artenschutz lesen Sie auf Seite 11 in BWagrar 31/20020 sowie auf www.bwagrar.de, hier und da.
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