Umsatzsteuer-Änderungen in der Kritik
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Andreas Knäuer im Interview mit BWagrar
Umsatzsteuer-Änderungen in der Kritik
Andreas Knäuer ist Geschäftsführer bei der Buchstelle LBV GmbH, Stuttgart. Das Unternehmen mit über 430 Mitarbeitern hat Standorte in Stuttgart, Aalen, Bad Waldsee, Boxberg, Ravensburg und Weinsberg. Mit Änderungen in der Umsatzsteuer-Pauschalierung ab 1. Januar 2022 will die Bundesregierung das Vertragsverletzungs- und das Beihilfeverfahren der EU gegen Deutschland abwenden. Der Steuerexperte kritisiert im Interview mit BWagrar die Vorgehensweise und zeigt Alternativen auf.
BWagrar: Herr Knäuer, die Änderungen in der Umsatzsteuer-Pauschalierung ab Januar 2022 sollen die EU-Verfahren gegen Deutschland beenden und Rückforderungen von den Betrieben vermeiden. Wie ist der aktuelle Stand?
Knäuer: Im Fokus steht die Beendigung der beiden anhängigen europäischen Verfahren, des Vertragsverletzungs- und des Beihilfeverfahrens, und damit verbunden die Vermeidung von Rückforderungen von den landwirtschaftlichen Betrieben. In beiden Verfahren geht es um den Anwendungsbereich der Pauschalierung nach Paragraf 24 Umsatzsteuer-Gesetz (UStG) und den Pauschalierungsausgleich-Prozentsatz, also die Frage der sogenannten Überkompensation.
Im Beihilfeverfahren hat sich die Bundesregierung verpflichtet, ein regelmäßiges Monitoring zu machen, also den Steuersatz zu prüfen.
Beide Verfahren sind bislang noch nicht beendet. Obwohl der Paragraf 24 UStG zum 1. Januar 2022 geändert und die Hoffnung in Aussicht gestellt wurde, dass die beiden Verfahren beendet werden können, ist das bisher nicht geschehen und es werden weitere Zugeständnisse erwartet.
BWagrar: Die Berechnung des Steuersatzes erfolgt als Durchschnitt 2017 bis 2019. Warum halten Sie den Ausgleichssatz von 9,6 statt bisher 10,7 Prozent für nicht sachgerecht?
Knäuer: Die rechnerische Ermittlung als Drei-Jahres-Wert ist problematisch. Den Berechnungsmodus hat der Bundesrechnungshof vorgegeben und das Bundesfinanzministerium übernommen. Damit werden sämtliche landwirtschaftlichen Leistungen ausgegliedert, die im Rahmen von gewerblicher Arbeit erbracht werden, zum Beispiel Lohnaufträge. Zudem werden bestimmte Werte nur anhand von Statistiken einbezogen. Es wird also nur ganz grob geschätzt, wie hoch die Prozentsätze im Rahmen der Pauschalierung richtig wären. Und diese Unschärfe wird genommen und als wahr dargestellt.
„Es wird nicht berücksichtigt, dass ab 1. Januar 2022 alle Betriebe über 600.000 Euro Umsatz aus der Pauschalierung herausfallen.“
Ab 1. Januar 2022 fallen alle Betriebe über 600.000 Euro Umsatz aus der Pauschalierung heraus. Dies wird aber aus der Statistik nicht herausgerechnet. Gleichzeitig besagt die Mehrwertsteuer-Richtlinie, dass bestimmte Prozentzahlen in der Überprüfung zu runden sind. Eine Anpassung wäre also gar nicht vorzunehmen, wenn die Abweichung weniger als ein Prozentpunkt beträgt.
BWagrar: Was fordern Sie und wie beurteilen Sie die Chance für eine praktikable Lösung?
Knäuer: Wir fordern, dass die Berechnungsgrundlage alle landwirtschaftlichen Leistungen beinhaltet, ohne Differenzierung, ob es gewerbliche oder rein ertragssteuerliche landwirtschaftliche Leistungen sind.
Man muss die Zahlen in der Realität anschauen und nicht abstrakt auf dem Papier. Momentan findet keine sachgerechte Diskussion statt, sondern wir befinden uns mitten im Wahlkampf.
Nach derzeitigem Stand wird die Änderung des Pauschal-Steuersatzes zum 1. Januar 2022 umgesetzt werden.
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