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Interview-Reihe zur Bundestagswahl

Schrade: Von den Grünen zur AfD

Noch sechs Wochen bis zur Bundestagswahl. Wir stellen Kandidatinnen und Kandidaten aus Baden-Württemberg näher vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die  persönlichen Einstellungen und Motivationen. Diese Woche: Hansjörg Schrade, AfD.

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   Hansjörg Schrade, AfD, im Interview mit BWagrar-Chefredakteur Guido Krisam. 
Hansjörg Schrade, AfD, im Interview mit BWagrar-Chefredakteur Guido Krisam.  BWagrar/Krisam
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Hansjörg Schrade ist 63 Jahre alt, hat Agrarwissenschaften in Hohenheim studiert und kandidiert für die AfD im Wahlkreis Reutlingen.

BWagrar: Herr Schrade, bitte stellen Sie sich unserer Leserschaft vor und beschreiben Sie kurz Ihren Bezug zum Thema Landwirtschaft.

Schrade: Als Stadtkind habe ich tatsächlich Landwirtschaft studiert, weil ich später einen Hof führen wollte. Aus der Landwirtschaft wurde nichts, auch die Verwandtschaft hat Äcker lieber an die Stadt verkauft, als an die Nichte und deren Mann zu verpachten. Wenigstens habe ich dann fast so viel wie ein Bauer gearbeitet: als Wochenmarkter und Gemüsehändler waren es dann über zwanzig Jahre auch 60 Stunden und mehr in der Woche. Dreißig Jahre nach dem Studium habe ich schließlich im Sommer 2016 als Älpler im Berner Oberland drei Monate lang 15 Kühe gemolken, mit Generator, Standeimer und Warmwasser, zum Putzen des Melkzeugs, vom Holzherd – ich war zufrieden, dass Keim- und Zellzahl kurz vor dem Trockenstellen mit unter 5000 und 66.000 ähnlich wie beim Chef selbst waren. Das war eine harte, aber tolle Zeit. Die von Studenten organisierte Vortragsreihe zum biologischen Landbau in Hohenheim habe ich im Winter 81/82 begonnen, sie läuft bis heute, darauf bin ich ein bisschen stolz.

BWagrar: Wie sieht für Sie Landwirtschaft im Jahre 2050 aus?

Schrade: Schweiz oder Kasachstan – Bauern oder wenige Agrarkonzerne, das ist die Frage. Alles hängt von der Politik ab, die bisher mit Vollgas Richtung Kasachstan fährt. Mein Idealbild heißt ganz klar Schweiz: teilweiser Grenzschutz (an der EU-Außengrenze), scharfe Umwelt- und Rückstandsrestriktionen bei Importen, hohe Förderung von Landwirten in Grenzlagen. Dazu bedarf es unbürokratischer Erleichterungen aller Art für traditionelle Tierhaltung und Direktvermarktung. Wir brauchen eine Kappung/Obergrenze bei Förderungen aus der Ersten und aus der Zweiten Säule.

„Die AfD ist in Sachfragen zur Zusammenarbeit mit allen Parteien bereit.“ Hansjörg Schrade, AfD

BWagrar: Wie muss für Sie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen? In Deutschland, speziell in Baden Württemberg?

Schrade: Zukunftsfähig heißt für mich, dass unser Land, unsere Heimat wie in den vergangenen 70 Jahren gut bewirtschaftet wird, dass keine Flächen veröden, weil Bauern zur Aufgabe gezwungen werden, dass nicht Subventionen aus dem EEG oder für Bioökonomie oder immer schärfere Auflagen aller Art dazu führen, dass Flächen und Familien "aus der Produktion fallen", wie das verharmlosend heißt. Ganz natürlich ist die Hauptaufgabe der Landwirtschaft, unsere Bevölkerung zu ernähren. Corona hat in der Industrie gezeigt, wie schnell Lieferketten zusammenbrechen können – wer will das für die Landwirtschaft ausschließen? Für Futtermittel-, Fleisch- oder Butterimporte? Ich bin deshalb gegen Flächenstilllegungen, gegen Photovoltaik in der Fläche, gegen Unternehmensflurbereinigungen. Die Politik hat die Bauern von der Gesellschaft entfremdet.

BWagrar: Gehen wir davon aus, dass es Ihnen gelingt, ein Mandat zu erlangen. Was möchten Sie persönlich in der nächsten Legislaturperiode erreichen?

Schrade: Die Verteilung der bisherigen drei Milliarden aus der Ersten Säule mit der Gießkanne waren „der Brandbeschleuniger des Strukturwandels„ – sagt der CDU-Abgeordnete und Landwirt Hans-Georg von der Marwitz. Bei der Neuordnung der GAP möchte ich unbedingt erreichen, dass alle Förderungen stark von größeren auf kleinere Betriebe umgeschichtet werden. Ich möchte für hofnahe Verarbeitung und Direktvermarktung umfangreiche Erleichterungen. Die Düngeverordnung muss entschlackt und auf rote Gebiete begrenzt werden. Alle Pflanzenschutzreduktionen müssen laufend evaluiert werden, ob sie zur Aufgabe von Kulturen führen und dann auch wieder zurückgenommen werden. Bei der Ferkelkastration brauchen wir den vierten Weg, die lokale Betäubung durch geschulte Bauern. Und bei der Biodiversität möchte ich zeigen und in praktische Politik umsetzen, wie kleine Flächen und damit mehr Feldränder zu Biodiversität genauso beitragen wie die Umstellung auf bio.

BWagrar: In den letzten Jahren haben immer mehr Landwirte ihrer Unzufriedenheit mit der Agrarpolitik öffentlich Luft gemacht. Trecker-Demos in Berlin und vielen anderen Städten. Was sagen Sie diesen – offensichtlich unzufriedenen – Landwirten?

Schrade: Ich sage diesen Bauern, dass sie nicht mehr CDU und Grüne wählen können, weil diese Parteien für die Agrarpolitik in Bund und Land der letzten 60, 70 Jahre verantwortlich sind. Mein Schwiegervater, Bauer in Nordhessen, sagte oft, dass es den Bauern unter der SPD/FDP-Regierung Brandt und Genscher am besten gegangen sei. Heute würde die SPD eine grün-linke Politik machen, die Erinnerung an Brandt und Genscher hilft hier nicht weiter. Nur die FDP traut sich manche Schritte zu, wenn die AfD vorangeht.

BWagrar: Wir wollen Sie in diesem Interview persönlich etwas besser kennenlernen. Trotzdem können wir die Schlagworte, mit denen die Landwirtschaft sich gerade beschäftigt, nicht außen vor lassen. Bitte kommentieren Sie diese kurz. Am liebsten je einen Satz:

Schrade: Fördermittel... müssen grundsätzlich anders verteilt werden – bisher hat das größte ein Prozent der Betriebe 22 Prozent der drei Milliarden aus der Ersen Säule im Jahr bekommen und die 50 Prozent der kleineren Betriebe nur sieben Prozent – da hat das Geld mehr Schaden angerichtet. PSM-Reduktion... allein wird am Insektensterben gar nichts ändern, darf nicht allein von den Bauern mit Ertragseinbußen „bezahlt” werden und Alternativ-Kulturen müssen entsprechend gefördert werden. Biodiversität... – wer Biodiversität will, muss die Bauern richtig fördern: Weidehaltung, kleinere Schlaggrößen, vielfältigere Fruchtfolgen, weniger Herbizideinsatz auch im konventionellen Anbau, spätere Schnitte von Teilflächen, Untersaaten, lichte Waldweiden, Hecken, Mistmieten, Gründüngungen, Blühstreifen, und so weiter und so fort. Nur Verbote werden gar nichts erreichen.

BWagrar: Warum engagieren Sie sich politisch und bewerben sich um ein Mandat?

Schrade: Ich denke, ich habe so einen ganz tiefsitzenden Weltverbesserungsantrieb. Vielleicht bin ich der typische Älteste in einer Familie. Ich habe schon dieses „Lieber-Selber-Machen in mir“. Im Herbst 2015, zu Beginn meines Engagements für die AfD, waren wir mit einem Boykottaufruf gegen die eigene Firma konfrontiert. Trotzdem trägt der größte Teil der Familie mein politisches Engagement mit.

BWagrar: Ihr politisches Engagement begann bei den Grünen, heute sind Sie Kandidat der AfD, wie kam es dazu?

Schrade: Für mich war die Staatsverschuldung immer schon eines der größten politischen Themen. Ich sehe mich mehr als Fachmann, denn als Bierzeltrhetoriker. Deshalb habe ich Björn Höcke auch einen Brief geschrieben, dass die AfD auf Sportpalast-Rhetorik gut verzichten kann. Mein politisches Vorbild bei den Grünen war Oswald Metzger (Anm. Der Redaktion: Oswald Metzger, Politiker und Publizist, begann seine politische Karriere bei der SPD, für die Grünen saß er von 1994 bis 2002 im Bundestag, seit 2002 ist er Mitglied der CDU).

BWagrar: Herr Schrade, Ihr Schlusssatz. Landwirtschaft ist für mich…

Schrade: … unsere Lebensgrundlage, der beste Heimatschutz, Agrarkultur mit vielen Aspekten und Quelle vieler Genüsse.

In Baden-Württemberg haben 27 Parteien eine Liste zur Bundestagswahl beim Landeswahlleiter eingereicht. Wir konzentrieren uns auf die im aktuellen 19. Bundestag vertretenen Parteien. Bis zur Wahl am 26. September werden Sie jede Woche in alphabetischer Reihenfolge Interviews der AfD, Bündnis 90 / Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP und SPD lesen.

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