Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Interview-Reihe Bundestagswahl

Ebner: "Höfe- und Artensterben gehören zusammen"

Noch sechs Wochen bis zur Bundestagswahl. Wir stellen Kandidatinnen und Kandidaten aus Baden-Württemberg näher vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die  persönlichen Einstellungen und Motivationen. Diese Woche: Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen, im Interview mit Chefredakteur Guido Krisam 
Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen, im Interview mit Chefredakteur Guido Krisam BWagrar/Krisam
Artikel teilen:

Harald Ebner. Der 57-Jährige sitzt seit 2011 für Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag und ist Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.

BWagrar: Herr Ebner, bitte stellen Sie sich kurz unseren Leserinnen und Lesern vor und beschreiben Sie bitte kurz Ihren Bezug zum Thema Landwirtschaft.

Ebner: Ich bin auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen. Ich bin Jahrgang 1964, damals waren die 1500 Legehennen meiner Eltern viel. Acht Milchkühe waren auch damals schon nicht viel.  Als ich zwölf war, haben meine Eltern den Hof aufgegeben. Mich hat die Landwirtschaft aber nicht losgelassen. Der Geruch von Heu, der Geruch von frisch gedroschenem Weizen, das triggert mich bis heute. Deshalb habe ich Agrarwissenschaften in Hohenheim studiert. Ich habe dann als Landschaftsökologe in der Naturschutzverwaltung gearbeitet, bis ich 2011 in den Bundestag nachrücken konnte.

BWagrar: Wie sieht für Sie Landwirtschaft im Jahre 2050 aus?

Ebner: Ich hoffe, dass wir es bis 2050 geschafft haben, eine bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten, die Hofnachfolger findet, die auskömmlich ist und die geliebt wird. Ich möchte, dass die Menschen in diesem Land ihre Landwirtschaft lieben. Das heißt, wir haben dann das Höfesterben und Artensterben gestoppt. Diese zwei Dinge gehören für mich untrennbar zusammen. Dass wir eine naturverträgliche Landwirtschaft betreiben, die auskömmlich ist, heißt aber auch, dass wir die Agrarpolitik bis dahin umgebaut haben. Die Gemeinsame Agrarpolitik in Europa wird dann die Dinge honorieren, die der Markt nicht honoriert. Und das ist eben nicht Flächenbesitz, sondern das ist Gemeinwohlleistung, wie sauberes Grundwasser oder Artenvielfalt. Das ist genau das, was der Landwirt eigentlich gerne erbringen möchte, was ihm aber keiner zahlt.

BWagrar: Gehen wir davon aus, dass es Ihnen wieder gelingt, ein Mandat zu erlangen. Was möchten Sie persönlich in der nächsten Legislaturperiode erreichen?

Ebner: Wir müssen den Klimaschutz anpacken, um Landwirtschaft auf diesem Planeten zu retten. Wie sollen wir denn Landwirtschaft betreiben, wenn wir kein stabiles Wetter mehr haben, weil der Jetstream verrücktspielt, weil der Golfstrom weg und ist und wir am Ende nicht mehr wissen, ob es im Sommer kalt oder warm, nass oder trocken ist. Ich möchte daran arbeiten, Landwirtschaft und Gesellschaft zusammenzubringen. Zum Beispiel möchte ich daran mitwirken, dass wir die wesentlichen Punkte der Borchert-Kommission umsetzen. Wir müssen die Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen, im Einklang mit Umwelt, im Einklang mit Tierschutz und im Einklang mit der Gesellschaft. Wir müssen die Erkenntnisse der Verhaltensbiologie einer artgerechten Tierhaltung bestmöglich umsetzen, so dass wir weniger Tiere halten, die dafür aber besser. Dazu gehört dann aber auch, dass wir dafür von der Gesellschaft einen guten Preis bekommen. Der Pestizidverzicht sollte von der Landwirtschaft nicht als Zumutung empfunden werden. Wir müssen ein Angebot machen, wie die Landwirtschaft mit weniger Stoffen auskommen kann. Hier möchte ich mit dafür sorgen, dass die Forschungsgelder in die richtige Richtung laufen.

„Ich möchte, dass die Menschen Landwirtschaft lieben!“
Harald Ebner, Bündnis 90/ Die Grünen

BWagrar: In den letzten Jahren haben immer mehr Landwirte ihre Unzufriedenheit in die Öffentlichkeit getragen. Trecker-Demos in Berlin und vielen anderen Städten. Was sagen Sie diesen Landwirten?

Ebner: Ich kann diesen Frust verstehen. Man buckelt, man macht seit Jahren das, was die Beratung einem sagt und dann ist es immer nicht recht. Oder die Preise stimmen nicht. Auf einmal steht man als Landwirt dann als Buhmann der Nation da. „Ihr bringt Pestizide aus, ihr tragt zum Artensterben bei, ihr quält die Tiere.“ Diese Themen fallen aber nicht vom Himmel und werden auch nicht von irgendwelchen böswilligen Menschen gemacht. Das hat ja alles irgendwo seine Grundlage. Die Landwirte sind da irgendwie reingerutscht. Auf einmal stellt man fest, dass es plötzlich einen Graben, eine Kampflinie zur Gesellschaft gibt. Wir müssen uns dabei aber auch ehrlich in die Augen schauen, denn wir müssen bei der Tierhaltung und beim Grundwasser etwas ändern. Da hilft es uns nichts, über eine Änderung des Messstellennetzes beispielsweise zu diskutieren, um Werte zu verändern.

BWagrar: Wir wollen Sie in diesem Interview persönlich etwas besser kennenlernen. Trotzdem können wir die Schlagworte, mit denen die Landwirtschaft sich gerade beschäftigt, nicht außen vor lassen. Bitte kommentieren Sie diese jeweils so kurz und knapp wie möglich.

Ebner: Fördermittel sollen das fördern, was gesellschaftspolitisch notwendig erscheint. Fördermittel müssen auch in der Agrarpolitik dem Gemeinwohl nutzen. Das sind die Umwelt und die Tierschutzbelange, aber auch die ganz grundsätzliche Frage: “Schaffe ich es, Landwirtschaft als Kulturlandschaftsträger im Land zu halten?” Bei der PSM-Reduktion dürfen wir nicht in Mittel-Substitution denken, sondern in Methoden-Substitution. Mehrgliedrige Fruchtfolgen rechnen sich heute oft betriebswirtschaftlich nicht. Wenn es sich makroökonomisch rechnet, dann muss man eben die Weichen so stellen, dass es sich mikroökonomisch auch lohnt. Wenn eine Erbse beispielsweise in der Fruchtfolge sinnvoll ist, kann ich als Maßnahme zur Pestizidreduktion auch Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für solche wertvollen Glieder einer Fruchtfolge fördern. Fruchtfolge ist aktiver Pflanzenschutz. Biodiversität ist für mich die Grundlage von funktionierenden Agrarökosystemen. Sie ist die Lebens- und Arbeitsgrundlage der Landwirtschaft. Ohne Biodiversität im Bodenleben sind wir aufgeschmissen.

BWagrar: Warum engagieren Sie sich politisch und bewerben sich um ein Mandat?

Ebner: Ich könnte es flapsig formulieren „Ich wurde gezwungen“. 1999 haben mich die Grünen gefragt, ob ich nicht für den Gemeinderat kandidieren wolle.  Ich wollte erst nicht, die waren aber erstaunlich hartnäckig. Ich war dann fünf Jahre im Gemeinderat aktiv und habe dort quasi meine politische Grundausbildung bekommen. Wer zu dieser Zeit für die Grünen kandidierte, hat das rein aus Überzeugung getan und nicht, weil man sich ernsthaft Chancen auf ein Mandat ausgerechnet hat. So auch bei der Bundestagswahl 2009, bei der ich Listenplatz 12 hatte. 11 grüne Abgeordnete sind in den Bundestag eingezogen und ich konnte 2011 nachrücken.

BWagrar: Herr Ebner, Ihr Schlusssatz. Landwirtschaft ist für mich…

Ebner: Grundlage für alles. Grundlage für funktionierende Gesellschaften, wenn sie auf funktionierenden Ökosystemen aufbaut. Wir haben es in der Hand, das gemeinsam zu gestalten. Mit guter Landwirtschaft können wir vieles besser machen.

In Baden-Württemberg haben 27 Parteien eine Liste zur Bundestagswahl beim Landeswahlleiter eingereicht. Wir konzentrieren uns auf die im aktuellen 19. Bundestag vertretenen Parteien. Bis zur Wahl am 26. September werden Sie jede Woche in alphabetischer Reihenfolge Interviews der AfD, Bündnis 90 / Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP und SPD lesen.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.