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Nachgefragt bei Joachim Rukwied

Politik fährt Betriebe an die Wand

Viele Landwirte befürchten Einkommensverluste durch die Reform der  Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Wir haben beim Präsidenten des Landesbauernverbandes und des Deutschen Bauernverbands nachgefragt, wie er die Situation aktuell einschätzt.

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Joachim Rukwied, Präsident im Landesbauernverband
Joachim Rukwied, Präsident im LandesbauernverbandDr. Krehl
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BWagrar: Die Umsetzung der GAP nimmt langsam Gestalt an. Die wesentlichen nationalen Beschlüsse sind gefasst. Wo liegen die Probleme?

Rukwied: Die mittlerweile bekannten Punkte zur Umsetzung der GAP ab 2023 entlarven immer deutlicher die erschreckende Distanz der politischen Entscheidungsträger zur landwirtschaftlichen Praxis. Unsere zahlreichen Vorschläge und Stellungnahmen wurden weitestgehend ignoriert. Beispielhaft für diese Ignoranz sind die Beschlüsse zur Konditionalität hinsichtlich der Mindestbodenbedeckung und den nichtproduktiven Flächen. Die Vorgabe einer Mindestbodenbedeckung vom 1. Dezember bis zum 15. Januar kommt de facto einem Pflugverbot gleich und ist schlicht praxisuntauglich. Gerade in Baden-Württemberg ist klima- und bodenbedingt eine Winterfurche zu Sommerkulturen sinnvoll und zwingend notwendig. Diese Vorgabe muss dringend korrigiert werden. Die EU ermöglicht im Rahmen der nichtproduktiven Flächen auch die Anrechnung von Eiweißpflanzen und Zwischenfrüchten. Deutschland hat sich hingegen für eine pauschale Stilllegung von 4 Prozent wertvoller Ackerfläche entschieden. Ackerbaulich, aber auch aus naturschutzfachlicher Sicht völlig widersinnig ist die Vorgabe des Bundesrates, wonach die Ackerflächen der Selbstbegrünung überlassen werden müssen, und dies bereits nach Ernte der Hauptkultur im Vorjahr. Wir Ackerbauern sind bereit, geeignete Blühmischungen zur aktiven Begrünung einzusäen und damit einen wichtigen Beitrag für den Artenschutz zu leisten. Hierfür brauchen wir dringend die Möglichkeit der aktiven Begrünung und der leichten Bodenbearbeitung.

Die Politik muss die Fehler unverzüglich korrigieren Joachim Rukwied, LBV/DBV-Präsident

BWagrar: Werden die zusätzlichen Angebote bei den Ökoauflagen und über Umweltprogramme der Zweiten Säule wie zum Beispiel FAKT nicht dazu führen, dass Betriebe auch zusätzliche Einnahmen haben?

Rukwied: Bei nüchterner Betrachtung werden die meisten Betriebe bei den Einkommen aus der GAP ein massives Minus haben. Allein die Basis- und Greeningprämie wird bis 2026 um rund 110 Euro pro Hektar gegenüber heute gekürzt. Dabei sind die Auflagen durch die erweiterte Konditionalität sogar gestiegen und in der Praxis häufig nicht umsetzbar. Die zusätzlichen Zahlungen über die ersten Hektare, die Junglandwirte- oder die Tierprämien können den Verlust bei Weitem nicht ausgleichen. Die geplanten Prämien für Eco-Scheme-Maßnahmen liegen vielfach auf Dumpingpreisniveau, deutlich unterhalb bewährter vergleichbarer Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der Zweiten Säule. Dabei gleichen Zahlungen solcher Programme ohnehin höchstens die gestiegenen Aufwendungen aus. Ein Teil der Betriebe wird mangels wirtschaftlicher Attraktivität sicher aus dem Fördersystem aussteigen. Im Ergebnis sehe ich einen klassischen Fehlstart der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ab 2023 auf uns zukommen.

BWagrar: Die Ökolandwirtschaft soll ja bekanntlich deutlich ausgebaut werden. Unterstützt die neue GAP dieses Ziel?

Rukwied: Nein. Auch die Ökobetriebe müssen nach jetzigem Stand deutliche  Einkommenseinbußen hinnehmen. Die bisherige Ökoförderung soll für die nichtproduktiven Flächen komplett wegfallen. Des Weiteren soll den Ökobetrieben im Falle der Teilnahme an den Eco-Schemes zur gesamtbetrieblichen Grünlandextensivierung und beim Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz die Ökoförderung deutlich gekürzt werden. Der Bauernverband hat viele Vorschläge gemacht, mit denen man unter der Zielsetzung einer grüneren GAP den landwirtschaftlichen Betrieben Entwicklungsperspektiven eröffnet hätte. Die nun vorgesehenen Maßnahmen sind durch absurde Vorgaben in den allermeisten Betrieben nicht sinnvoll umsetzbar. Als Ackerbauer kann ich den massiven und wachsenden Unmut meiner Kollegen mehr als nachvollziehen. Die Politik muss die Brisanz endlich erkennen und die Fehler jetzt unverzüglich korrigieren.

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