Landwirtschaft muss umdenken
Die Kölner Marktforschungsagentur Rheingold Salon hat eine Studie über die Möglichkeiten, wie die deutsche Landwirtschaft neues Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen könnte, erstellt. Auf der Mitgliederversammlung des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg wurde sie nun vorgestellt.
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Jens Lönneker ist Mitgründer der Agentur Rheingold Salon, die die Studie erstellt hat, die dem Projekt „Zukunftsbauer“ zugrunde liegt. Für BWagrar hat der Psychologe einige Fragen beantwortet.
BWagrar: Sie haben in der Studie die These aufgestellt, Landwirtschaft und der Rest der Gesellschaft leben in Parallelwelten. Geht das anderen Branchen nicht genauso?
Lönneker: Bezogen auf die beruflichen Aktivitäten ist das natürlich so. Ich sitze ja nicht jeden Tag beim Schreiner in der Werkstatt. Das gleiche gilt für Ingenieure, Pädagogen, Psychologen. Die Berührungsflächen zu Landwirten sind im Vergleich aber deutlich geringer.
BWagrar: Ist es nicht paradox, da wir doch alle täglich landwirtschaftliche Produkte konsumieren?
Lönneker: Das hängt damit zusammen, dass die Landwirtschaft seit Jahren nicht mehr aktiv in den Rest der Öffentlichkeit hinein kommuniziert hat. Man könnte genauso gut sagen, ich bin jetzt auch nicht alle naselang bei Mercedes Benz in der Montagehalle. Dennoch habe ich ein relativ klares Bild von Mercedes Benz. Weil die viel machen. Es gibt klassische Werbung und es gibt natürlich gediegene Mercedes Benz-Fahrer, die mir ihre Erfahrungen mit dem Produkt berichten.
BWagrar: Heißt das, dass die Landwirtschaft selbst eine Art Marke werden müsste?
Lönneker: Ich sehe es schon so, dass es hier darum geht, für die gesamte Branche etwas aufzubauen, das einen Markencharakter hat. Andere Branchen haben uns vorgemacht, wie das geht. Die Hauptaufgabe sehe ich darin, überhaupt Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, am Ende Mittel bereitzustellen, mit denen man in der Lage ist, eine reichweitenstarke Öffentlichkeitsarbeit überhaupt zu betreiben. Wenn ich die Landwirtschaft von außen betrachte, bestehen diese Strukturen heute überhaupt nicht. Für mich führt daran aber kein Weg vorbei, denn sonst bleibt man immer auf der Ebene von nicht durchsetzungsstarken Aktionen. Wenn ich auf der anderen Seite einen so konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel habe, der mit Budgetgrößen von einer halben Milliarde unterwegs ist, dann weiß ich nicht, wie die Landwirtschaft anders aus der Position, über den Preis erpressbar zu sein, herauskommen kann. Auch die Umwelt-, Tierschutzorganisationen und andere NGOs haben über viele Jahre eine sehr professionelle Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Sie sind aber in der Gesellschaft – und das ist eine blöde Situation für die Landwirtschaft – nie so richtig als Lobbyvertreter wahrgenommen worden.
BWagrar: Wie sollte die Landwirtschaft künftig richtig mit Verbrauchern kommunizieren?
Lönneker: Verbraucher wollen nicht belehrt werden, sondern Verbraucher haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche, die zum Teil auch miteinander im Widerspruch stehen. Ein Beispiel dafür ist, dass Tierwohl gefordert wird, dann aber doch Fleisch aus Haltungsstufe 1 gekauft wird. In der Psychologie nennen wir das „Mind-Behavior-Gap“, also eine Lücke zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir tun. Das kann man beklagen oder sogar für Schizophrenie halten. Man kann aber auch zwei unterschiedliche Wünsche daraus lesen. Man will eben auf der einen Seite weiter Fleisch im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten konsumieren. Dazu gehören unter anderem die finanziellen Möglichkeiten. Man will aber eben auch, dass es den Tieren gut geht. Wir müssen hier auch berücksichtigen, dass beide Wünsche unterschiedlich präsent sind. Wir haben beispielsweise den Einkauf auf der einen Seite und eine Umfrage zur Tierhaltung auf der anderen. Diese Lücke kann man nur schließen, indem man den Verbrauchern Lösungen anbietet.
BWagrar: Macht es für Sie einen Unterschied, ob wir von Verbrauchern oder Kunden sprechen?
Lönneker: „Zukunftsbauer“ ist ein Prozess und in diesem Prozess ist es hilfreich, Verbraucher als Kunden zu sehen. Nicht nur, wenn man in der Direktvermarktung tätig ist. Die Landwirtschaft erwartet die Wertschätzung von den Verbrauchern, weil wir sie mit Lebensmitteln versorgen. Wenn ich darüber nachdenke, ist es aber so, dass ich einem Autohersteller ja auch nicht zutiefst dankbar bin, dass er dieses Auto gebaut hat. Es ist eher umgekehrt. Ich erwarte als Kunde Wertschätzung. Hier müssen wir auch in der Landwirtschaft umdenken
Mehr zur Studie unter https://www.bauernver band.de/themendossiers/zukunftsbauern
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