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Podiumsdiskussion

Ideen aus dem Mittelstand

Die Wirtschaftspolitik in Deutschland gibt immer wieder Grund zur Kritik. Die Volkswirtschaft schrumpft, das Bruttoinlandsprodukt stagniert. Auf dem Podium der Mitgliederversammlung des Landesbauernverbands gaben Vertreter aus dem Mittelstand eine Einschätzung zur aktuellen Lage.

von Silvia Rueß erschienen am 27.11.2024
Podiumsdiskussion auf der LBV-Mitgliederversammlung. © Silvia Rueß
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Die vier Vertreter aus dem Mittelstand in Baden-Württemberg um Moderator und BWagrar-Chefredakteur Guido Krisam hatten alle Sorgenfalten auf der Stirn, sehen aber noch gute Chancen für Deutschland.

Dr. Patrick Rapp, Staatssekretär Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus in Baden-Württemberg, bestätigte, dass in Baden-Württemberg das Bruttoinlandsprodukt sinkt. Kaum ein Betrieb traue sich derzeit große Investitionen zu tätigen. Er stellte fest, dass es möglicherweise ein Fehler ist, wenn der Staat zu viel regulieren will. Manchmal gehe bei den vielen staatlichen Zielen der Blick auf den echten Markt verloren, räumte er ein.

Rainer Reichhold, Präsident der Handwerkskammer der Region Stuttgart, stellte fest, dass es im Handwerk auch positive Entwicklungen gibt. So haben beispielsweise die Heizungs- und Installationsbetrieben derzeit eine gute Auftragslage. Anders als die Baubranche. Diese spürt die Investitionszurückhaltung an allen Ecken und Enden. Und auch das Lebensmittelhandwerk sei von Filialschließungen und fehlendem Nachwuchs betroffen.

Dr. Matthias Neth, Präsident im Sparkassenverband Baden-Württemberg, stimmte seinen Vorrednern zu. Derzeit sei eine massive Investitionszurückhaltung in der Wirtschaft zu spüren. Viele fragen Kredite an und rufen sie nicht ab. Ähnlich zeige es sich beim privaten Wohnbau. Was ein weiterer deutlicher Indikator sei, dass es wirtschaftlich schwierige Zeiten sind, zeige sich am Rating vieler Firmen, die sich leise, aber spürbar verschlechtern. „Wir merken, dass es nicht den einen großen Knall gibt, sondern alles leise passiert“, sorgte sich Neth.

Jürgen Mäder, Vorstand der EDEKA Südwest, versuchte eine positive Grundstimmung zu erhalten. Während in der Pandemie Versorgungsthemen enorm wichtig wurden, sorgte der Angriff Russlands auf die Ukraine für ein komplett geändertes Einkaufsverhalten. Um den verunsicherten Verbraucher in den Laden zu bekommen, mussten die Preise gesenkt werden. Zum Glück leiste sich der Verbraucher im Süden noch etwas, auch wenn hier Verunsicherung zu spüren sei. Neth bestätigte, dass Privatpersonen finanziell eigentlich gut dastehen. Die Nachrichten auf der Welt sorgen allerdings dafür, dass Konsumenten weniger berechenbar werden. Konsum ist nicht mehr so vorhersehbar wie in früheren Zeiten.

Fachkräftemangel macht Sorgen

Fachkräftemangel herrscht in allen Branchen. Dass es im Handwerk um den Fachkräftemangel ruhiger wird, sieht Reichhold auch in den Auftragsrückgängen. Gehe ein Mitarbeiter in Ruhestand, muss dieser bei schlechter Auftragslage nicht ersetzt werden. Reichhold sprach an, dass wir in den kommenden Jahren Zuwanderung brauchen, um dies auszugleichen, wenn die Nachfrage anzieht. Dabei sei in Baden-Württemberg derzeit wenig Willkommenskultur zu sehen. Hier müsse die Politik ein besseres Klima schaffen.

Auch Mäder stellte fest, dass in seiner Branche, in der „viel von Menschenhand bewegt wird“, Fachkräfte fehlen. Doch er hob hervor: Wer innovativ ist, bekommt Nachwuchs. Aber man müsse viel investieren.

Keine Industrie mehr im Land?

Die Frage, ob in Deutschland „Deindustrialisierung“ vorherrsche, verneinte Dr. Patrick Rapp deutlich. Er sieht kein politisches Ziel, die Industrie aus dem Land zu vertreiben. Er gesteht allerdings auch ein, dass es Entscheidungen gebe, die Wirtschaftsbetriebe ausbremsen. Ukraine, Naher Osten, Ferner Osten, Zölle in Amerika und Transformation in der Wirtschaft führten dazu, dass Investitionszurückhaltung entstehe und durch steigenden Wettbewerbsdruck Zurückhaltung zu spüren sei. Jetzt gilt es die Nachteile wie Lohnkosten oder Energiekosten zu kompensieren. Mit Qualität und Fokussierung, so Rapp.

Die Ärmel hochkrempeln

Neth betonte, dass sich jeder Einzelne die Frage stellen muss, wo die Wertschöpfung künftig herkommen soll? Die Bürger wollen einen sozialen Staat, eine Energiewende schaffen, die demografischen Defizite bearbeiten und in Infrastruktur investieren. Auf der anderen Seite steht die Vier-Tage-Woche. Die Frage ist dann: Wer soll all die Forderungen bezahlen? Hier müsse die Gesellschaft ehrlich zu sich sein, welche Priorität wichtig ist. Mäder findet ebenfalls, dass man wieder mehr die Ärmel hochkrempeln müsse und die Dinge anpacken sollte. „Das haben wir selber in der Hand.“ Rapp betonte, dass Deutschland wohl wirklich das einzige Land sei, in dem das Absenken der Wochenarbeitszeit parallel zur Lohnerhöhung diskutiert wird. „Wir brauchen wieder mehr Eigenverantwortung bei den Menschen“, stellte er fest. Es werde in diesem Land zu schnell nach dem Staat gerufen und weniger geschaut, wie man es selber regeln kann. Reichhold hätte gerne im Wahlprogramm stehen, dass sich der Staat neu aufbauen muss. Der Bürger werde degradiert zum Befehlsempfänger. Für ihn muss sich vor allem die Arbeit wieder mehr lohnen.


Die vollständige Podiumsdiskussion sehen Sie ab 1:30 h.

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