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Kälberaufzucht

Die ersten Schlucke zählen

Die schnelle und ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Kolostrum ist entscheidend für einen gesunden Start ins Kälberleben. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass bis zu 40 Prozent der Kälber eine unzureichende Immunglobulinversorgung aufweisen. Die Gründe für eine unzureichende Aufnahme beziehungsweise Absorption der Immunglobuline im Darm sind vielfältig und hängen vom Zeitpunkt und der verabreichten Menge sowie der Qualität des Erstkolostrums ab.

von Dr. Christian Koch, Hofgut Neumühle, Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, Fachhochschule Kiel Quelle Dr. Christian Koch, Hofgut Neumühle, Prof. Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, Fachhochschule Kiel erschienen am 25.06.2025
Um gesund ins Leben zu starten, benötigen genügend und qualitativ hochwertiges Kolostrum. Wie eine Studie ergeben hat, nehmen die Jungtiere die meisten Immunglobuline auf, wenn sie an ihrer Kuhmutter säugen können und zusätzlich eine Tränke erhalten. © Petra Ast
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Die schnelle und ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Kolostrum der Mutter ist wichtig für einen gesunden Start ins Kälberleben. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass bis zu 40 Prozent (%) der Kälber nur unzureichend mit Immunglobulinen versorgt werden. Die Gründe für eine unzureichende Aufnahme beziehungsweise Absorption der Immunglobuline im Darm sind vielfältig und hängen vom Zeitpunkt und der verabreichten Menge sowie der Qualität des Erstkolostrums ab. Ob darüber hinaus auch ein Einfluss besteht, wenn die Kälber ihre erste Mahlzeit im Leben von ihrer Kuhmutter erhalten, erläutert der nachfolgende Beitrag.

Kolostrum – mehr als nur Nährstoffe

Eine rasche und ausreichende Versorgung der Kälber mit möglichst drei Litern (l) und mehr muttergebundenem Kolostrum innerhalb der ersten Lebensstunde ist wichtig für eine optimale Prägung und Entwicklung des Immunsystems. Neben den lebensnotwendigen Immunglobulinen (Antikörper) enthält mütterliches Kolostrum zahlreiche Nährstoffe, eine Vielzahl von bioaktiven Wirkstoffen sowie lebende maternale Immunzellen. Die Nährstoffe (Laktose, Fett und Eiweiß) sind wichtig für ein gesundes Wachstum und für die Anpassung des Magen-Darm-Trakts an die neue Fütterungssituation, da die Ernährung des Kalbes während der Trächtigkeit über Glukose von der Mutter erfolgte. Nach der Geburt muss die Ernährung dann auf Laktose aus der Milch umgestellt werden. Hierbei helfen das Kolostrum und die Transitmilch in den ersten fünf Laktationstagen, weshalb es empfehlenswert ist, die Kälber über die ersten fünf Lebenstage mit der Transitmilch ihrer Mütter zu versorgen.

Die bioaktiven Stoffe im Kolostrum führen zu einer raschen und stabilen Entwicklung der Darmzotten. Diese bilden die erste physikalische Barriere im Darm gegen Krankheitserreger und besitzen somit eine wichtige Funktion im Immunsystem und der Entwicklung des Mikrobioms im Darm.

Immunglobulinversorgung überprüfen

Um die Qualität der Immunglobulinversorgung zu überprüfen, hat es sich bei Versuchsanstellern bewährt, den Protein- und/oder Immunglobulingehalt der Kälber 24 bis 48 Stunden nach der Kolostrumaufnahme zu untersuchen. Hier sollten die Kälber möglichst mehr als 60 Gramm (g) Gesamtprotein pro l beziehungsweise mehr als 10 g Immunglobuline pro l Blutserum aufweisen. In der Praxis ist diese Überprüfung der Kälber hinsichtlich ihrer Immunglobulinversorgung alleine schon deshalb nicht verbreitet, weil die Blutprobennahme bei Kälbern bedeutend schwieriger ist als bei Kühen und hierfür zwangsläufig ein veterinärmedizinischer Sachverstand vonnöten ist. Gerade daher ist es umso wichtiger, zumindest die Qualität des verabreichten Kolostrums zu überprüfen.

Neben dem Zeitpunkt der Biestmilchgabe und der verfütterten Kolostrummenge spielen scheinbar weitere Faktoren, wie beispielsweise Stress, eine wichtige Rolle für die Resorption im Dünndarm. Nur wenn die Dünndarmschleimhaut die großmolekularen Immunglobuline aufnehmen, also absorbieren kann, helfen diese dem Kalb bei der Immunität.

Kolostrum richtig managen

In der Praxis wird aktuell immer häufiger, dem Wunsch der meisten Verbraucher folgend, über eine mutter- beziehungsweise kuhgebundene Kälberaufzucht diskutiert. Zweifelsohne gibt es hierfür mindestens genauso viele Argumente, die für ein solches Vorgehen sprechen, wie Argumente dagegen. Einzelbetrieblich muss eine genaue Abwägung aller „Pro- und Kontra-Argumente“ erfolgen. Dafür aber sind auch wissenschaftliche Studien notwendig. Eine solche hat sich mit dem Einfluss der Erstkolostrumversorgung an der Mutter auf den Immunstatus der Kälber beschäftigt (Lora et al., 2018).

Im Rahmen dieser Studie wurden in zwei italienischen Milchkuhbetrieben insgesamt 107 Holsteinkälber in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. Die drei Gruppen unterschieden sich jeweils in der Verabreichung des Erstkolostrums. Eine Gruppe (n=50) wurde mittels Nuckelflasche per Hand innerhalb der ersten beiden Lebensstunden getränkt und danach in Einzeliglus gehalten. Die Kälber der Gruppe 2 (n=27) wurden gemischt getränkt, das heißt sie erhielten innerhalb der ersten sechs Lebensstunden 3 l Kolostrum ihrer Mütter über eine Nuckelflasche und durften danach zwölf Stunden bei ihren Müttern verbleiben. In der Gruppe 3 (n=30) erfolgte keine Kolostrumgabe durch den Menschen. Hier durften die Kälber an der Mutter trinken und blieben über die ersten zwölf Lebensstunden bei diesen.

Um den Immunstatus der Kälber zu überprüfen, wurde von allen Kälbern in der ersten Lebenswoche (Tag 1 bis 5) eine Blutprobe entnommen und auf den Immunglobulingehalt untersucht. Nach zwölf Stunden erfolgte die Aufstallung der Kälber der Gruppe 2 und 3 ebenfalls in Einzeliglus. Dort erhielten sie täglich 6 l Vollmilch und wurden von der neunten bis zur elften Lebenswoche abgetränkt. Die Ergebnisse ergeben folgendes Bild:   

Die Kälber, die das Kolostrum per Nuckelflasche erhielten, tranken durchschnittlich 1,9 l. Hingegen realisierten die Kälber der Gruppe 2, die von Hand getränkt wurden und dann über zwölf Stunden bei ihren Müttern bleiben durften, eine Kolostrumaufnahme von 2 l.

Der Anteil der mit Immunglobulinen unterversorgten Kälber (weniger als 10 g IgG pro l Blutserum) lag in der gemischt gefütterten Gruppe 2 mit 11,1 % am niedrigsten, gefolgt von denen der handgefütterten Gruppe 1 mit 22 %. In der Gruppe 3 jedoch war der prozentuale Anteil der unterversorgten Kälber mit 60 % stark erhöht. In dieser Gruppe durften die Kälber ohne menschliches Zutun an ihren Müttern trinken. Diese Ergebnisse waren statistisch signifikant. Der Anteil der Kälber, die mit mehr als 16 g IgG pro l Blutserum die beste Versorgung aufwiesen, war in der gemischt gefütterten Gruppe 2 am höchsten (siehe Abbildung).

Damit zeigen die Ergebnisse dieser Studie große Unterschiede in Hinblick auf den Immunglobulinstatus neugeborener Kälber in Abhängigkeit des Kolostrummanagements. Wurden die Kälber direkt nach der Geburt mit Kolostrum ihrer Mütter per Nuckelflasche mit durchschnittlich 1,9 l versorgt (Gruppe 1 „Handgefüttert“), zeigten 78 % der Kälber eine ausreichend hohe Immunglobulinversorgung (mehr als 10 g IgG pro l) im Blut.

Erhielten die Kälber direkt nach der Geburt per Nuckelflasche durchschnittlich 2 l Kolostrum und verblieben dann noch bis zu zwölf Stunden bei ihren Müttern (Gruppe 2 „Gemischt“), wo sie mit Sicherheit ebenfalls noch Milch aufnahmen, stieg der Anteil der ausreichend mit Immunglobulinen versorgten Kälber um 11 % auf 89 %. In dieser gemischt gefütterten Gruppe 2 lag auch der Anteil der am besten versorgten Kälber (mit einem Immunglobulingehalt von mehr als 16 g pro ml Blutserum) mit 56 % auf dem höchsten Niveau.

Dürfen die Kälber selbst an ihren Müttern trinken, scheint es für viele Kälber schwierig zu sein, eine ausreichend hohe Menge an Erstkolostrum aus dem Euter aufzunehmen. Des Weiteren ist der Zeitpunkt der Erstkolostrumaufnahme an der Kuh kaum zu kontrollieren, was der hohe Anteil an mit Immunglobulinen unterversorgten Kälbern verdeutlicht.

Den höchsten Immunglobulingehalt (IgG) wiesen Kälber auf, die an der Kuhmutter Kolostrum aufnehmen konnten und die zusätzlich getränkt wurden.
Den höchsten Immunglobulingehalt (IgG) wiesen Kälber auf, die an der Kuhmutter Kolostrum aufnehmen konnten und die zusätzlich getränkt wurden. © Koch, nach Lora et al., 2019
Nuckelflasche sichert Versorgung

Die dargestellten Resultate bestätigen die Untersuchungsergebnisse früherer Arbeiten, wie beispielsweise die der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, wonach die unkontrollierte und alleinige Kolostrumversorgung der Kälber an ihren Müttern den Immunstatus der Kälber direkt nach der Geburt in der Regel nicht sicherstellen kann. Wenn die mutter- beziehungsweise kuhgebundene Kälberaufzucht umgesetzt werden soll, darf der Zufall über die Erstkolostrumversorgung nicht entscheiden. Die beste Art der Lebensversicherung erhalten die Kälber, wenn der Mensch sie mit mehr als 3 l Erstkolostrum so schnell wie möglich nach der Geburt per Nuckelflasche beziehungsweise -eimer versorgt.

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