
Auf die Signale der Kälber achten
Kälber zeigen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, bevor sie richtig krank werden. Wer seine Tiere gut beobachtet, kann frühzeitig reagieren. Worauf es im Einzelnen ankommt und wie sie mögliche Symptome erkennen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.
von Dr. Michael Götz, M. Götz Agrarjournalist GmbH, Eggersriet, Schweiz Quelle Dr. Michael Götz, Agrarjournalist, Eggersriet (Schweiz) erschienen am 07.05.2025Kälber reagieren empfindlich auf krankmachende Keime und schlechtes Stallklima. Sie brauchen Zeit, ihr eigenes Immunsystem aufzubauen. „Wenn Kälber krank sind, geht es schnell abwärts“, sagt Pirmin Zürcher von der Fachstelle Rindvieh des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen (LZSG) in der Schweiz. Umso wichtiger ist es, dass man möglichst schnell erkennt, wenn ein Tier krank ist. Es sind oft kleine Zeichen, für die man den Blick schärfen muss.
Körpersprache verrät viel
Deutliche und einfach erkennbare Körpersignale, die auf eine Krankheit hinweisen, sind ein krummer Rücken, ein eingezogener Schwanz, Tränen- oder Nasenfluss oder ein struppiges Haarkleid. Sie können verschiedene Ursachen haben, zeigen aber alle, dass es dem Kalb oder dem Jungrind nicht wohl ist. Nicht so gut ersichtlich ist, wenn der Körperbau nicht harmonisch entwickelt ist, zum Beispiel der Kopf im Vergleich zum Körper zu groß ist. Bei Tieren, die auffallen, ist nach dem FARM-Prinzip vorzugehen, rät Zürcher (Abb. 1). Fieber weist auf eine Abwehrreaktion des Körpers hin. Kranke Tiere liegen vermehrt. Ein praller Bauch, eingefallene Flanken, übel riechender Kot oder Durchfall sind Symptome für Fütterungsfehler oder Verdauungsstörungen.
Eingefallene Flanken
Gesund aussehende Kälber mit eingefallenen Flanken erhalten oft zu wenig Milch.Es beginnt mit der Fütterung der Kolostralmilch. „So früh, so viel und so lange wie möglich“, betont Zürcher. Bei Kälbern, die nach der Geburt keine Milch saugen wollen, solle man „drenchen“, das heißt, dem Kalb mit einem Gummischlauch wenigstens vier Liter Kolostralmilch eingeben. Dies ist aber nur bei Kälbern mit wirklicher Trinkschwäche und in den ersten 24 Lebensstunden anzuwenden. Am besten lässt man sich das richtige Einführen des Schlauches vom Tierarzt zeigen. Vor allem Kühe, die das erste Mal kalben, lassen sich nicht gleich nach der Geburt melken. Deswegen ist es angebracht, Kolostralmilch anderer Kühe einzufrieren und in Reserve zu haben. Nur, wenn genügend Energie vorhanden ist, funktioniert das Immunsystem, betont der Jungviehspezialist, das heißt man sollte bei den Kälbern nicht mit der Milch sparen. Untersuchungen zeigen, dass es bei täglichen Milchgaben von unter sechs Litern deutlich mehr Erkrankungen und beträchtlich mehr Abgänge gibt als bei täglichen Milchgaben von über acht Litern. „Sechs Liter sind zu wenig für ein drei Wochen altes Kalb, mindestens acht, besser zehn Liter pro Tag sollten es sein“, empfiehlt Zürcher.
Kälber besaugen sich gegenseitig
Oft beobachtet man, dass sich Kälber vor allem nach der Milchaufnahme am Eimer gegenseitig besaugen. Um dies zu verhindern, lassen Landwirte ihre Kälber oft eine Zeitlang im Fressgitter eingesperrt. Das gegenseitige Besaugen ist eine Befriedigung des Saugtriebes am Ersatzobjekt. Das Saugen löst Endorphine, sogenannte Glückshormone, aus und macht das Saugen zusätzlich zum Stillen des Hungers attraktiv, erklärt Zürcher. Bei Mutterkuhkälbern, die zwölf bis 20 Mal pro Tag an ihrer Mutter saugen, kommt gegenseitiges Besaugen nicht oder kaum vor. Sie saugen mit einem Unterdruck von 60 Kilo-Pascal (kPa) – Melkmaschinen arbeiten im Vergleich dazu mit einem Druck von 40 kPa. Dadurch, dass Mutterkuhkälber sich stark um die Milch bemühen müssen, produzieren sie viel Speichel, mit dem sie Verdauungsenzyme in die Milch abgeben.
Das gegenseitige Besaugen ist ein Signal für den Landwirt, dem Kalb die Milch anders anzubieten, nämlich öfters und ähnlich, wie das Kalb an der Mutter saugt. Es soll den Kopf nach oben halten. Das fördere den Schlundrinnenreflex, sagt Zürcher. Die Milch gelangt in den Labmagen und nicht in den Pansen. Da es im Labmagen eines zwei Wochen alten Kalbes nur Platz für etwa zwei bis zweieinhalb Liter Milch gibt, sollte die Milchmenge aufs Mal nicht grösser sein, also die Kälber mindestens drei Mal am Tag mit Milch füttern. Besser ist ein Milchautomat mit mehr Fütterungszeiten. Die Öffnung des Nippels sollte nicht zu groß sein, damit das Kalb die Milch gut einspeichelt. Wer die Kälbermilch mit Milchpulver anmischt, muss darauf achten, dass der Gehalt der Milch ähnlich ist wie derjenige von natürlicher Milch, da sonst die Milch schlechter gerinnt.
Husten und Ausfluss
Husten ist ein gefürchtetes Signal oder Krankheitssymptom im Kälberstall, denn Kälber sind im Gegensatz zu Jungtieren anderer Säugetierarten besonders anfällig für Lungenentzündungen. Ihre Lunge ist erst im Alter von zehn bis zwölf Monaten ganz entwickelt. Auch habe das Rind im Verhältnis zu seinem Körpervolumen eine kleine Lunge. Um genügend Sauerstoff in seine Körperzellen zu transportieren, muss es mehr atmen. Dies macht das Rind, insbesondere das Kalb, besonders empfindlich auf eine hohe Keimbelastung der Luft. Im Kälberstall sollte es deswegen immer frische Luft haben. Die Vorboten einer Erkältung oder sogar Lungenentzündung sind eine wässrige oder sogar gerötete Nase sowie Nasen- und Augenausfluss. Das Tier schleckt sich vermehrt. „Kühe und Kälber im selben Stall kommt selten gut“, sagt Zürcher. Denn dort ist die Luft vom Atmen der Tiere meistens feucht und keimbelastet. Kälber sowie ausgewachsene Rinder sollten nicht auf hoher Tiefstreu liegen, da dort viel Ammoniak entweicht, das die Schleimhäute reizt. Auch beim Liegen sieht man es den Kälbern an, ob sie gesund sind. Halten sie den Kopf mit hängenden Ohren nach unten, stimmt etwas nicht. „Ich möchte Ohren, nichts als Ohren sehen“, habe es ein auf Kälbergesundheit spezialisierter Tierarzt ausgedrückt.
Durchfall oder übel riechender Kot
Es gibt Kälber, die viel Milch und später auch viel Raufutter aufnehmen, einen dicken Bauch haben, aber doch geringe Zunahmen aufweisen. Hier müsse man an einen Kokzidienbefall denken und möglichst schnell entwurmen. Oft seien es „Dreckfresser“, das heißt, sie nehmen viel Schmutz und damit Bakterien auf. Die Kotbeschaffenheit ist ein wichtiges Signal, ob die Verdauung in Ordnung ist. Durchfall, übel riechender und zu fester Kot lassen sich auf falsche Fütterung, aber auch auf Infektionen oder innere Parasiten zurückführen. Ein bisher kaum beachtetes Signal ist, wenn die Kälber nasse Stellen am Bauch aufweisen. Diese entstehen, weil die Kälber sich dort schlecken. Sie lassen auf Bauchweh schließen, weil der Pansen-pH wegen Übersäuerungen schwankt. Aufgrund eines Signals allein lässt sich oft noch kein sicherer Rückschluss ziehen, aber es macht den Tierhalter aufmerksam und er kann reagieren, zum Beispiel Kotproben nehmen oder die Fütterung anpassen. Wie erwähnt, mit Kälbern geht es schnell abwärts, wenn sie krank sind. Darum ist es wichtig, frühzeitig Signale zu erkennen und schnell zu reagieren.
Das Farm-Prinzip umfasst die Begriffe Fieber, Aktivität, Ranzen und Mist. Fieber weist auf eine Abwehrreaktion des Körpers hin. Kranke Tiere sind weniger aktiv. Der Ranzen (Bauch) sowie der Mist (Kot und Harn) geben Hinweise auf die Verdauung. Ein praller Bauch, eingefallene Flanken, übel riechender Kot oder Durchfall sind Symptome für Fütterungsfehler oder Verdauungsstörungen.
Kälber reagieren besonders empfindlich auf Krankheitskeime und schlechtes Stallklima.
Sie senden Signale aus, bevor sie richtig krank werden. Das FARM-Prinzip hilft, die Signale zu erkennen.
Dank einer schnellen Diagnose kann man der Krankheit zuvorkommen oder ihre Auswirkungen mindern.
Vermehrtes Liegen und ein krummer Rücken sind erste Signale, dass es dem Kalb nicht wohl ist.
Ein unharmonischer Körperbau zeigt, dass es dem Kalb schon länger nicht gut geht.
Kälber sollen die Milch über den Tag verteilt, mindestens drei Mal am Tag aufnehmen.
Sechs Liter pro Tag sind für über drei Wochen alte Kälber zu wenig.
Nasse Stellen am Fell entstehen, wenn Kälber sich schlecken. Grund kann Bauchweh als Folge einer Pansen-Übersäuerung sein.
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