
Alles Land unter
Langanhaltender Regen und gesättigte Böden haben in Baden-Württemberg an vielen Orten für Überschwemmungen gesorgt. Zur Wochenmitte hat sich die Hochwasserlage in Baden-Württemberg zwar entspannt. Zurück bleiben aber Kulturen, die noch unter Wasser stehen und nicht befahrbare Flächen aufgrund der wassergesättigten Böden.
von Brigitte Werner-Gnann, Silvia Rueß erschienen am 05.06.2024
In Baden-Württemberg herrschte in den vergangenen Tagen an vielen Orten Ausnahmezustand. Andauernder Niederschlag und Starkregen haben dafür gesorgt, dass es vielerorts zu Überflutungen gekommen ist. Noch sind die Schäden in der Landwirtschaft durch die extremen Niederschläge von bis zu 200 mm in wenigen Tagen nicht genau zu beziffern. Aber sie sind immens.
Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge rechnet Landwirtschaftsminister Peter Hauk mit einem Schaden an landwirtschaftlichen Kulturen in Höhe von 50 Millionen Euro. Bei einem Vor-Ort-Termin auf dem Betrieb von Peter Keirath in Obermarchtal-Mittenhausen im Alb-Donau-Kreis informierte er sich über die aktuelle Situation im Überflutungsbereich der Donau. Für das gesamte Land nannte er eine betroffene Fläche von rund 100.000 ha Ackerbau, etwa 80.000 ha Grünland und 5000 ha Sonderkulturen, die in unterschiedlichem Ausmaß von den Wassermassen betroffen sind.
Winterfutter fehlt
Achselzuckend blickt Peter Keirath auf seine Wiesen und Weiden, die unmittelbar an die Donau angrenzen. Bis zu einem Meter hoch steht das Wasser auf 40 ha der 70 ha großen Betriebsfläche. „Da bleibt nur abzuwarten und Geduld zu haben, bis das Wasser abgeflossen ist“, meint der 58-jährige Landwirtschaftsmeister des Biobetriebs mit Rindermast. Erst dann wird sich zeigen, ob der Aufwuchs wenigstens noch als Einstreu nutzbar ist oder ob er entsorgt werden muss. Eigentlich wollte er auf den Flächen Heu bereiten, das er zur Winterfütterung seiner Tiere benötigt. Doch nun wird nichts mehr daraus. Vielmehr bleibt abzuwarten, welcher Aufwand nötig ist, um den auf den Flächen angeschwemmten Unrat zu entsorgen. Derzeit ist auch nicht an einen Weidegang zu denken, sodass bereits jetzt Futter aus seinen Vorräten im Stall vorgelegt werden muss.
Den Schaden schätzt er auf rund 30.000 Euro. Er könnte sich noch ausweiten, sollte der Viehbestand aufgrund des fehlenden Winterfutters abgestockt werden müssen. Ob er Heu zukauft? Keirath winkt zum jetzigen Zeitpunkt ab. Zum einen braucht er Futter in Bioqualität, zum anderen ist er eher skeptisch, was die Kosten betrifft.
Der Landwirtschaftsminister rechnet damit, dass es durch den Klimawandel künftig häufiger und zu heftigerem Hochwasser kommt. „Das sind keine Lokalereignisse mehr. Da sind Flüsse betroffen und das schon im Oberlauf“, meint er. Anlass für Hauk, darüber nachzudenken, ob eine Mehrgefahrenversicherung nach dem Modell aus dem Obst- und Weinbau mit einem 50-prozentigen Zuschuss des Landes zur Versicherungsprämie eine Lösung für die Betriebe sein könnte, um zumindest einen Teil der Risiken abzudecken. „Auch wenn nicht jeder seine ganze Fläche versichern wird, so lässt sich damit zumindest ein Teil des Schadens abfedern“, meint der Minister.
Verstärkter Pilzdruck
Die sintflutartigen Regenfälle des vergangenen Wochenendes haben auch im Obstbau zu Problemen geführt. „Niederschläge bedeuten stets auch Pilzgefahr. Doch viele Anlagen sind aufgrund der durchweichten Böden nicht befahrbar“, erklärt WOG-Obstbauberater Klaus Altherr aus Ravensburg. Zwar sei die Ascosporenzeit beim Schorf zum Glück vorbei, eine termingerechte Weiterbehandlung wäre dennoch nötig, zumal der Fungizidbelag durch Niederschlagsmengen, die am östlichen Bodensee bis zu 200 mm erreichten, komplett abgewaschen wurde. Fatal waren die Regenmengen auch für nicht geschützte Kirschenanlagen. „Bei Frühsorten ohne Dach ist die Ernte hinüber“, erklärt der Berater.
Aus dem Landkreis Göppingen berichtet ein Landwirt, dass es am Sonntagabend binnen einer Stunde 60 Liter geregnet hatte – zu den bereits rund 100 Litern pro Quadratmeter der beiden Vortage. Für die wassergesättigten Böden war dies zu viel. Die Folge: Im Stall und auch im Keller des Bauernhauses standen rund 30 Zentimeter Wasser. „Wir sind dabei noch glimpflich davongekommen“, stellt er fest und denkt an den Nachbarort, wo Menschen per Hubschrauber evakuiert wurden.
Gefahr im Wald
Gefahr besteht derzeit auch bei Waldgängen. Die Wassermassen haben in vielen Regionen teilweise das Wurzelwerk ausgespült, sodass Bäume ihren Halt verlieren. „Die riesigen Wassermassen haben im Wald zu zahlreichen Gefahrenquellen geführt. Wir warnen vor dem Betreten solcher Waldbereiche. Vor allem Waldgebiete entlang von Bächen oder in Senken sollten tunlichst gemieden werden, bis die Schäden erfasst und die Gefahrenstellen gesichert sind“, so Forstamtsleiter Thomas Maier vom Landratsamt Göppingen. Die Sicherung der geschädigten Waldbereiche könnte andauern. Geduld sei hier gefragt.

Regnet es in kurzer Zeit sehr intensiv und meist lokal begrenzt, ist von Starkregenereignissen die Rede. Der Deutsche Wetterdienst warnt in drei Stufen:
- Starkregen: 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde oder 20 bis 35 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden.
- Heftiger Starkregen: 25 bis 40 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde oder 35 bis 60 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden.
- Extrem heftiger Starkregen: mehr als 40 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde oder mehr als 60 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden.
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