Schlachten auf dem Hof
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Stressfreie Schlachtung ist das Ziel des zum Januar 2017 gestarteten Europäischen Innovations-Partnerschaftsprojektes (EIP) in Hessen. In der dazu gebildeten Gruppe „Extrawurst“ arbeiten Landwirte, Metzger, Forschung, Verbände und Verwaltung eng zusammen. Am 28. Februar übergab die hessische Agrarministerin Priska Hinz dem Projekt den offiziellen Förderbescheid.
„Transport und fremde Umgebung vor dem Schlachten stressen die Rinder und führen zu schlechterer Fleischqualität, deshalb wollen wir einen Teil des Schlachtens, das Töten, auf dem Hof ermöglichen und dann den Tierkörper zur weiteren Bearbeitung in den Schlachtbetrieb bringen“, sagt Hans-Jürgen Müller, selbst Rinderhalter und Vorsitzender des Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung. Zusammen mit anderen Landwirten, mit Metzgern, Veterinären und der Universität Kassel untersucht die vom Land und der EU geförderte Gruppe „Extrawurst“, die Möglichkeiten, wie eine solche Schlachtung, nicht nur für Rinder, sondern auch für Schafe und Ziegen praktisch und unter Beachtung der Rechtslage aussehen könnte.
Auf zwei Jahre angelegt
„Innovation und Dialog zwischen den Akteuren steht im Mittelpunkt des auf über zwei Jahre hin angelegten Projektes“, betont Dr. Andrea Fink-Keßler von den Landforschern. Ihr Büro ist Leadpartner und hat dieses Projekt in enger Verbindung mit den beteiligten Landwirten, Veterinären und Verbänden entwickelt. Ziel ist, dass das neue Verfahren von den nationalen Kontrollbehörden anerkannt wird. „Dazu werden wir einen mit den Behörden abgestimmten Leitfaden entwickeln“.
Bisher dürfen nur Rinder, die ganzjährig im Freien gehalten werden – meist durch Kugelschuss – im Haltungsbetrieb getötet werden. „Das Neue ist, dass die Tötung der Rinder im Haltungsbetrieb auch für Betriebe möglich gemacht werden soll, die ihre Tiere nicht ganzjährig im Freien halten. Mit Hilfe eines mobilen Betäubungsstandes und eines speziellen Transportanhängers, der das sofortige Entbluten ermöglicht, könnte der Schlachtbetrieb einen Teil der eigentlichen Schlachtung auf dem Hof des Landwirtes durchführen. Ein Lebendviehtransport könnte dann ganz entfallen. Zum Betäuben käme wie im Schlachtbetrieb der Bolzenschuss zum Einsatz.
Arbeitsunfälle vermeiden
Besonders bei der Mutterkuhhaltung wird den Tieren heute mehr Bewegungsfreiheit gegeben. In der Folge sind sie dann den Umgang mit dem Menschen weniger gewohnt und sie lassen sich nicht mehr so einfach verladen und in den Schlachtraum bringen. Dadurch werden neben Stress auch oft Arbeitsunfälle verursacht. So kann dieses Verfahren auch ein Beitrag zum Arbeitsschutz sein.
Das Projekt reagiert damit auch auf die zunehmende Sensibilität der Verbraucher gegenüber dem Thema Schlachtung und Tiertransporte. „Wir möchten unseren Kunden mit gutem Gewissen und in ständiger Weiterentwicklung sagen können, dass wir alles dafür tun, dass unsere Tiere vor dem Tod keine Angst und keine Schmerzen erfahren mussten“, betont Metzgermeister Sven Lindauer, der beratend das Projekt begleitet.
Zugleich, so Lindauer, könnten Landwirte wie Metzger sich über solches Fleisch einen neuen Wettbewerbsvorteil am Markt einholen. Ein neuer Absatzmarkt könnte sich öffnen, der die Beziehung im ländlichen Raum zwischen Bauern, Metzgern und Kunden neu belebt.
Hintergrund: Das Projekt und die dazu gebildete sogenannte operationelle Gruppe „Extrawurst“ werden bis Mitte 2019 gefördert vom Land Hessen über die Europäischen Innovationspartnerschaft "Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit" (EIP-Agri). Mehr Informationen: www.landforscher de, www.biofleischhandwerk.de und zu EIP-Agri in Hessen siehe https://umweltministerium.hessen.de/landwirtschaft/foerderung-der-innovation-und-zusammenarbeit ..
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