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Süddeutsche Butter- und Käse-Börse e.V.

Fettmangel in Frankreich

Über die Milchwirtschaft in Frankreich und Deutschland, berichtete der Terminmarkt-Analyst Stefan Nether auf der Mitgliederversammlung der Süddeutschen Butter- und Käsebörse e.V.. Das Jahrestreffen fand am 10. Juli in Kempten statt.

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"Das Jahr 2018 hat uns gezeigt, dass der Milchmarkt mehr denn je in Bewegung ist und stets für Überraschungen gut ist“, meinte der Börsen-Vorsitzende Heinz Hahn beim Blick auf das Jahr 2018.
"Das Jahr 2018 hat uns gezeigt, dass der Milchmarkt mehr denn je in Bewegung ist und stets für Überraschungen gut ist“, meinte der Börsen-Vorsitzende Heinz Hahn beim Blick auf das Jahr 2018.Borlinghaus
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Die Franzosen brauchen dringend Milchfett und Butter,“ erklärte der Terminmarkt-Analyst Stefan Nether. Nether arbeitet für die amerikanische Börsenfirma „INTL FCStone“ im Bereich Business Developement. Geboren ist der Dairy Vice President in München. Heute macht er seine Geschäfte von Paris aus und hat unter anderem auch den Aufbau der EEX Börse in Leipzig mit vorangetrieben. Durch dieses Fett-Defizit seien die Märkte in Frankreich derzeit stark aufnahmefähig für Käse, Sahne und Butter, was deutsche Firmen noch besser nutzen sollten, meinte Nether. Im Industriebereich würden fast 100 Prozent der Sahne und 61 Prozent der Butter importiert und zur Weiterverarbeitung verwendet, also zum Beispiel zur Herstellung von Croissants oder von Pizza. Ein Vorteil bestünde darin, dass die Zahl der französischen Nahrungsmittelhersteller gering und Preisverhandlungen jederzeit möglich seien.

Im Einzelhandel schottet sich Frankreich ab

Die anschließende Diskussion machte deutlich, dass im Gegensatz zum Industriebereich der französische Einzelhandelsmarkt ziemlich stark abgeschottet wird. Noch vor einigen Jahren wurde gerne H-Milch aus Deutschland eingeführt. Zwischenzeitlich wurde das Produkt aus dem Markt gedrängt. Auch abgepackte Butter aus Deutschland könne kaum noch ins Nachbarland exportiert werden. Denn dort reagiert man empfindlich auf Milchprodukte, die nicht mit französischer Milch hergestellt worden sind. Es findet eine regionale Auslobung statt. Jeder kennt das Bild brennender Autoreifen oder wütender Landwirten, die einen Supermarkt lahmlegen, um sich gegen Preisdumping zu wehren.

Investitionen im Ausland

Frankreich, so Nether, sei heute längst nicht mehr das große Exportland für Agrarprodukte wie es früher einmal war. Von über sieben Prozent Exportanteil am Weltmarkt im Jahr 2000 gingen die Exporte auf unter fünf Prozent im Jahr 2015 zurück. Statt die Exporte zu erhöhen, investiert die französische Milchwirtschaft lieber massiv im Ausland - aber auch in Frankreich selbst. „Im Ausland investieren die Franzosen wie verrückt und das auf der ganzen Welt“, so Nether. Die französische Milchwirtschaft ist de facto doppelt so groß, wie es auf den ersten Blick aussieht. So werden insgesamt 45 Mrd. Liter verarbeitet, aber nur 24 Mrd. Liter Milch in Frankreich erzeugt. In Deutschland hingegen werden 35 Mrd. Liter verarbeitet und der Großteil, rund 30 Mrd. Liter, kommen auch aus dem Inland.

Exporte müssen sich lohnen

Die Käseproduktion hat in Deutschland und in Frankreich eine lange Tradition. In beiden Ländern sei Qualität gefragt, wobei die Qualität unterschiedlich definiert werde. „Die Franzosen können oft nicht glauben, dass wir ihnen Paroli bieten können, wenn wir von Qualität reden“, meinte der Börsenvorsitzende Heinz Hahn. Trotz einer mengenmäßig ausgeglichenen Handelsbilanz sei die Wertschöpfung des französischen Käses jedoch immer noch deutlich höher. „Da muss man schauen, dass sich der deutsche Export lohnt“, so Heinz Hahn. Mit Blick auf die Exporte im Allgemeinen meinte Stefan Hiebl vom bayerischen Landwirtschaftsministerium: „Der Export ist nur nachhaltig, wenn er wertschöpfend ist.“ Billigexporte seien gefährlich, weil sie Märkte in den Entwicklungsländern kaputt machen könnten. Für den Export bayerischer Milchprodukte stünden deshalb vor allem Länder mit höherer Kaufkraft im Fokus, wie zum Beispiel Japan.

Vertrieb über Discounter erschwert die Wertschöpfung

Für Nether liegt ein Grund für die hohe Wertschöpfung des französischen Käses darin, dass in Deutschland der Vertrieb größtenteils über die Discounter Lidl und Aldi laufe. Dort sei das Sortiment im Käseregal begrenzt. Im Käseland-Frankreich hingegen sei die Auswahl an Käse deutlich größer, gerade auch in den großen Einkaufszentren. Nether erklärt das so: „Wenn Sie viel Auswahl haben, ist die Marketingvielfalt groß. Wenn Sie viel Marketingvielfalt haben, gibt es bessere Preise und wenn es bessere Preise gibt, gibt es mehr Premiumprodukte.“  Und: „Sobald das Sortiment reduziert ist, müssen Sie Massenprodukte verkaufen. Das können Sie in Deutschland viel besser als die Franzosen.“

Starke Marken und Produktion vor Ort

So konzentriert sich die Milchwirtschaft in Frankreich weiterhin stark auf Käse und setzt weltweit auf ihre starken Marken. Im Inland ist Fett gesucht, es gibt weniger Trockenware beziehungsweise das anfallende Pulver muss exportiert werden. Flüssige Milch werde kaum importiert, bei 98 Prozent der Milch handelt es sich um eigene Milch. Im Ausland wird am besten in eigenen Werken produziert, mit Milch vor Ort. Stichworte: „Mulit-Sourcing. Mehrere Länder, mehrere Vertriebskanäle.“ Große französische Molkereikonzerne wie Lactalis oder die Savencia-Molkereigruppe sind auch in Süddeutschland verankert.

Neues von der Börse

"Das Jahr 2018 hat uns gezeigt, dass der Milchmarkt mehr denn je in Bewegung und stets für Überraschungen gut ist“, so der Vorsitzende Heinz Hahn. Bei der Börse wurde die Preisfeststellung bei Molkenpulver an die veränderten Marktbedingungen angepasst. Seit Januar 2019 wird anstatt eines Einzelwertes nun eine Preisspanne angegeben. Die Notierung von Limburger Käse 20 Prozent wurde wegen einer zu geringen Zahl an Meldern und an Meldemengen zum 1. Mai 2019 eingestellt.

Solide Daten und Markttransparenz

Wie Geschäftsführer Clemens Rück berichtete, nimmt das Interesse an der Börse zu. Besonders am Mittwochnachmittag und am Donnerstag, wenn die neuen Wochenpreise veröffentlicht werden, schnellen die Click-Zahlen auf http://www.butterkaeseboerse.de nach oben. Die Süddeutsche Butter- und Käse-Börse trägt mit ihren Daten in hohem Maße zur Markttransparenz bei. Mit den Daten aus der Butternotierung und der Preisfeststellung für Magermilchpulver wird unter anderen auch der Kieler Rohstoffwert errechnet.

Gertrud Knoll, stellvertretende Landrätin Oberallgäu, versprach, dass man im Allgäu alles tun werde, um auch künftig die Käseküche Deutschlands zu bleiben. Für Stefan Hiebl vom Landwirtschaftsministerium Bayern sind gesicherte Marktdaten wegen einer zunehmenden Volatilität wichtiger denn je. Auch wenn es in der Milchwirtschaft derzeit rund läuft, sollte man die Risiken im Auge behalten, so Hiebl. China zum Beispiel sei ein wichtiger Abnehmer für deutsches Milchpulver, was sich aber auch schnell ändern könnte. Der ungeordnete Brexit würde die Agrarprodukte hart treffen und auch die weitere Verlängerung des Embargos nach Russland belaste die Branche und der andauernde Preiskampf zwischen Aldi und Lidl. Insgesamt werde der gesamte Prozess von der Erzeugung bis zum Verkauf zunehmend kritisch hinterfragt. „Nachhaltigkeit wird der Wettbewerbsfaktor der Zukunft sein“, ist Hiebl überzeugt.

Debatte um mehr Tierwohl

Das Thema Tierwohl steht derzeit besonders im Fokus, berichtete Stefan Hiebl. So habe Aldi sein Trinkmilchsortiment um Weidemilch erweitert. Der Tierschutzbund zeichne diese Milch mit seiner Premiumstufe aus. Auch Lidl biete Weidemilch an. In Irland sei die Weidehaltung das agrarpolitische Markenzeichen. Neuseeland erwäge man sogar den Export von lebenden Rindern zu verbieten. So werde das Tierwohl zum Wettbewerbsfaktor und Differenzierungsmerkmal. Hier dürfe das Allgäu nicht ins Hintertreffen geraten darf.

Von der Anbindehaltung zur Kombinationshaltung

Politisches Ziel sei es, möglichst viele Betriebe auf dem Weg zu mehr Tierwohl mitzunehmen. Noch hätten in Bayern 50 Prozent der Betriebe eine ganzjährige Anbindehaltung. „Für diese Betriebe brauchen wir Lösungen“, so Stefan Hiebl. Mit Hochdruck wurde an einer Definition der Kombinationshaltung gearbeitet. Dabei wird die Anbindehaltung mit einem ausreichend langem Bewegungszeitraum kombiniert. Soll heißen: Die Tiere brauchen mindestens 120 Tage im Jahr Bewegung. Bewegung bedeutet einen Laufhof, eine Weide oder Buchten. Betriebe, die besondere Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls nachweisen könnten, bei denen reichten mindestens 90 Tage aus. Mit dieser Definition gebe es nun mehr Tierwohl, ein Strukturbruch werde vermieden und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Bayern sei sichergestellt. „Der Weg zu dieser Definition war nicht einfach, aber die Mühe hat sich gelohnt“ so Hiebl. Weiter werde beim Stallbau die Umstellung auf Laufstall oder Kombihaltung gefördert.

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