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Interview mit Dr. Heinz Schweer

Vion sieht LEH in der Pflicht

Der Rindfleischmarkt steht extrem unter Druck. Er ist von den Einschränkungen im Außer-Haus-Verzehr besonders betroffen. Die Schlachtzahlen sinken deutlich. Zuletzt lagen sie in Baden-Württemberg in der Woche 18 bei nur noch 5129 Stück Großvieh. In normalen Wochen sind es zwischen 6000 und 8000 Stück. Die Preise tendieren sowohl bei den Bullen als auch bei den Kühen nach unten. Wir haben bei Dr. Heinz Schweer nachgfragt. Der promovierte Landwirt ist seit 2007 Direktor Landwirtschaft von Vion Deutschland. Er ist Mitinitiator der Tierwohldiskussion in deutschen Fleischunternehmen und verfügt über langjährige Erfahrungen an den Fleischmärkten.
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"Vion erwartet, dass auch der deutsche Lebensmitteleinzelhandel verstärkt Fleischartikel aus heimischer Produktion vertreibt. Das wäre in dieser schwierigen Zeit solidarisch", sagt Dr. Heinz Schweer, Direktor von Vion Deutschland, im Interview mit BWagrar.
"Vion erwartet, dass auch der deutsche Lebensmitteleinzelhandel verstärkt Fleischartikel aus heimischer Produktion vertreibt. Das wäre in dieser schwierigen Zeit solidarisch", sagt Dr. Heinz Schweer, Direktor von Vion Deutschland, im Interview mit BWagrar. Vion
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BWagrar: Wie haben Sie den Rindfleischmarkt seit Ausbruch der Corona Pandemie Mitte März erlebt?
Schweer: Die Schließung der Gaststätten und Hotels war für den Rindfleischabsatz ein herber Schlag. Die Nachfrage nach Edelteilen, besonders von in Restaurants bevorzugtem Färsenfleisch, brach komplett ein. Die Landwirte erzielen für Färsen derzeit nur noch Preise auf dem Niveau von Kühen. Die Schließung der Burger-Restaurants ist für den Kuhfleischabsatz zudem ein gravierender Einschnitt. Bekanntlich werden ja 25 Prozent der Vorderviertel von deutschen Schlachtkühen zu Hackfleisch-Pattys für Burger-Restaurants verarbeitet. Außerdem musste der wichtige Export von Kuhfleisch nach Spanien und Frankreich auf ein Minimum runtergefahren werden. Franzosen und Spanier haben mit ähnlichen Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen wie wir in Deutschland. Die Ausgangssperre in diesen Ländern bietet den Restaurants nicht einmal die Möglichkeit über Take-away ein wenig Geschäft zu machen.

BWagrar: Was passiert im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH)?
Schweer: Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel verschieben sich die Sortimente hin zu preiswerten Artikeln wie Hackfleisch und Gulasch. Der LEH ist derzeit nicht bereit, seine Angebotspalette um Edelteile zu erweitern. Stattdessen wurden über Ostern Steakaktionen mit südamerikanischer Ware abgedeckt. Das gefällt uns als systemrelevantes Fleischunternehmen, das sich auf die Versorgung des Heimatmarktes konzentriert, natürlich überhaupt nicht. Vion erwartet, dass auch der deutsche Lebensmitteleinzelhandel verstärkt Fleischartikel aus heimischer Produktion vertreibt. Das wäre in dieser schwierigen Zeit solidarisch.

Der Export von Jungbullenfleisch nach Italien und Griechenland ist ebenfalls eingebrochen. Aufgrund dieser Marktverwerfungen ist ein neues Verhältnis zwischen Ein- und Verkaufspreisen entstanden. Jungbullen- und Kuhpreise sind deutlich gefallen. Zudem belastet der Verfall der Preise für Felle und Häute die Fleischunternehmen. Die Gerbereien in Italien als wichtigste Abnehmer der europäischen Häute sind seit Wochen geschlossen. Die Folge ist ein Preisrückgang von 70 Prozent.

BWagrar: Wie läuft es aktuell an den Schlachthöfen in Crailsheim und Buchloe?
Schweer: Die Schlachtvoraussetzungen sind gegeben. Wir haben ausreichend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an Bord. Vom Corona-Virus sind wir hier bisher verschont geblieben. Dennoch verzeichnen wir in beiden Betrieben aufgrund der geschilderten Absatzschwierigkeiten einen Rückgang der Schlachtung und Zerlegung. Sowohl in Crailsheim als auch in Buchloe sind diese Bereiche auf 60 Prozent des Normalniveaus zurückgegangen. Marktanteile haben sich nicht verschoben, die ganze Branche leidet unter dieser Situation auf dem Rindermarkt. Es ist durchaus denkbar, dass Vion in Kürze in beiden Betrieben Kurzarbeit anmelden muss.

BWagrar: Was meinen Sie, wie sich die Schlachtzahlen und der Absatz beim Rindfleisch und damit auch die Preise in den kommenden Monaten entwickeln werden?
Schweer: Milchpreiskürzungen würden die Situation nicht einfacher machen. Denn sinkende Milchpreise führen in der Regel zur Schlachtung zusätzlicher Kühe und damit zur weiteren Belastung des Marktes und der Preise. Die Trockenheit ist ein weiteres Handicap. Die anstehende Private Lagerhaltung (PLH) der EU kann helfen. Beihilfen nur für die Einlagerung von Hintervierteln reichen aber nicht aus. Inzwischen hat die EU aber zugestimmt, dass die Hinterviertel vor dem Einfrieren zerlegt werden können.

Mit der PLH könnten die Rinderbetriebe zunächst etwas Luft bekommen, doch auf Dauer ist das keine Lösung, da nur begrenzte Lagerkapazitäten in den Gefrierhäusern zur Verfügung stehen. Die Gefrierhäuser sind ja schon gut gefüllt vor allem mit Schweinefleisch, das durch die Corona-Krise zwischenzeitlich auf den asiatischen Märkten nicht abgesetzt werden konnte.

Die weitere Entwicklung des Rindfleischabsatzes hängt entscheidend davon ab, wann die Märkte in Deutschland und in unseren europäischen Exportländern wieder öffnen. Ein Hoffnungsschimmer ist die angekündigte Öffnung der Gastronomie Mitte Mai in Österreich. Folgen dann Bayern und Baden-Württemberg, könnte es eine erste Entspannung auf dem Rindfleischmarkt geben. Zu wünschen wäre dann auch die Wiederaufnahme der Burgerproduktion.

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