Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Digitale Podiumsdiskussion

Anpassungsstrategien an den Klimawandel

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Land- und Forstwirtschaft ging es in einer Diskussionsrunde am 23. März, zu der das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) verschiedene Referenten eingeladen hatte. Diskutiert wurden Maßnahmen aus Baden-Württemberg zur Klimaanpassung, der EU-Aktionsplan für Biolandwirtschaft sowie eine neue EU-Forststrategie. Die Gesprächsleitung hatte Isabel Kling, Pressesprecherin im MLR.

Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Artikel teilen:

„Wir müssen unser gestörtes Verhältnis zur Natur in Ordnung bringen. Land- und Forstwirtschaft spielen dabei eine Schlüsselrolle“, mahnte Dušan Chrenek, Hauptberater der Generaldirektion Klimapolitik für die Europäische Kommission im Einstiegsvortrag. Er lobte die ambitionierte Klimapolitik in Baden-Württemberg und stellte die Herausforderungen für ganz Europa vor. Die EU, so Chrenek, habe sich mit ihren Green Deal verpflichtet, klimaneutral zu werden und die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Mit den Strategien „Farm to Fork“ und „Biodiversität“ wolle man die Natur schützen und nachhaltig Lebensmittel produzieren. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, von Düngemitteln und von Antibiotika soll bis 2030 deutlich reduziert werden, gleichzeitig sollen die Ökoflächen europaweit auf 25 Prozent erhöht werden.

Leistungen der Landwirte müssen bezahlt werden

Landwirte sollten für ihre Bemühungen für den Klimaschutz belohnt werden, so Chrenek. Verluste wegen extremer Wetterereignisse bezifferte Chrenek heute schon auf 12 Mrd. Euro. Ein Betrag, der sich bei weiterer Erderwärmung künftig noch deutlich erhöhen dürfte. Um die Klimaschutzlücke zu verkleinern, müsse man zum Beispiel auch auf die Versicherungswirtschaft zugehen. Es könne nicht sein, dass die finanziellen Folgen von Naturkatastrophen von armen und unversicherten Familien und von Landwirten getragen werden müssen. Chrenek sicherte den Mitgliedsstaaten und Regionen die Hilfe der EU-Kommission bei der Anpassung und Umsetzung der Klimaziele zu.

Intelligente Anpassungsstrategien gefragt

"Intelligente Anpassungsstrategien sind die Erfolgsgaranten für eine gute Zukunft“, meinte Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Land- und Forstwirtschaft seien von den Folgen der Klimaänderungen in einem hohen Maße betroffen. Dürren, Wasserknappheit aber auch Extremwetterereignisse zu Ertragsverlusten in der Landwirtschaft und erheblichen Schäden im Wald geführt. Peter Löffler, Sachbearbeiter für Klimawandelanpassung im Forstsektor in der Generaldirektion Klimapolitik bei der Europäischen Kommission, diskutierte mit Dr. Martine Schraml, Referentin für Klimaresilienz im Ackerbau am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg, und Max Reger, Kommissarischer Vorstandsvorsitzender von FortsBW.

Mehr Mischwälder sollen Stabilität erhöhen

Der Druck auf die Waldbesitzer ist enorm: "Wir sind mit unseren Kräften am Ende. Wir merken, dass wir zunehmend keine Wirkung mehr erzielen, in dem was wir tun. Viele Hektare Tannen- und Fichtenwälder sind zerstört", so die Aussagen in einem eingespielten Filmbeitrag. „Der Zustand der Wälder hat sich jüngst weiter verschlechtert, sodass in der aktuellen Waldzustandserhebung mittlerweile 46 Prozent der Waldfläche Baden-Württembergs als deutlich geschädigt eingestuft werden“, sagte Minister Hauk. Mit Blick auf den Klimawandel habe Baden-Württemberg die Waldstrategie 2050 auf den Weg gebracht, die die Leitlinien zur Sicherung eines klimatoleranten und zukunftsfähigen Waldes als bedeutenden Teil von Natur und Landschaft liefert. Wie Max Reger berichtete, werden über FortsBW 320.000 Hektar Wald im Land gepflegt. Die Wäldschäden seien mittlerweile fast überall im Land zu beobachten. Schwerpunkte seien der Südschwarzwald, das Oberrheintal, der schwäbisch-fränkische Wald sowie das Gebiet Tauber-Franken. Betroffen seien alle Baumarten. In vergangenen Jahre musste bereits viel Wald eingeschlagen werden. Im Staatswald wurden rund 1300 Hektar wiederbewaldet, die nächsten fünf Jahre erwartet Reger weitere 5000 Hektar Wiederbewaldungsfläche. Dies sind alles Folgen des Klimawandels. "Eine der größten Herausforderungen vor der der Forstbetrieb steht", so Reger. Ziel ist es einen klimatoleranten Wald aufzubauen. Neben Neupflanzungen, gibt es auch Naturverjüngung. "Wir setzen sehr stark auf Mischungen und auf heimische Baumarten, so Reger. Darunter auch die eher wenig verbreiteten wie Elsbeere, Eßkastanie, Kirschen oder Nüsse. Außerdem sollen neue Baumarten unter wissenschaftlicher Begleitung angepflanzt werden.

Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt werden

Die bestehenden Waldbestände müssen ständig gepflegt und durchforstet werden. Finanziell sind die kommunalen Forstbetriebe und erst recht die privaten Waldbesitzer bei diesen Maßnahmen überfordert. Reger bedankte sich beim Land für die Fördergelder und wünscht sich von der EU ebenfalls weitere Unterstützung mit einer koordinierenden Rolle durch die die Waldbesitzer Planungssicherheit bekommen. Derzeit gibt es parallel die Klimaanpassungsstrategie, die EU-Forststrategie und die Biodiversitätsstrategie. Diese Strategien sollten zusammenpassen und widerspruchsfrei ausgestaltet werden. "Wir spüren, dass die Dinge nicht so richtig in einander greifen und dass vom Waldbesitzer unterschiedliche Dinge erwartet werden", so Reger. Er erwartet ein Bekenntnis zur nachhaltigen Forstwirtschaft als Beitrag zur Produktion langlebiger Holzprodukte.

Schädlingsdruck steigt auch auf den Feldern

Auch im Ackerbau könne man bereits viele Auswirkungen des Klimawandels beobachten, berichtete Dr. Martine Schraml. Die gestiegenen Temperaturen seien das ganze Jahr über erkennbar - mildere Winter und heißere und trockene Sommer. Die Frostgare findet nicht mher zuverlässig statt. Das erhöht die Gefahr, dass sich Schädlinge besser vermehren können (Blattläuse, Zikaden verursachen über das Verzwergungsvirus Probleme im Getreide). Außerdem kommt es zu Zuwanderung von neuen Schädlingen aus dem Ausland. Die Vegetation wird deutlich ins Früjahr verschoben, es kommt gerne zu Spätfrösten, die den Obst- und Weinbau gefährden. Insgesamt nehmen die Niederschlagsmengen ab, es gibt immer mehr Trockenheitssphasen. Das kann sich stark ertragssenkend auswirken. Zudem wächst die Gefahr von Extremwetterereignissen. Um sich an diese Entwicklungen anzupassen, sind Forschungsarbeiten wichtig.

Interesse am Wald von allen Seiten

Peter Löffler berichtete, dass sich auch innerhalb der EU Kommission immer mehr Abteilungen mit dem Wald beschäftigen. Zur bestmöglichen Anpassung an den Klimawandel sei mehr anwendungsorientiertes Wissen gefragt, das auf verschiedenen Plattformen bereitgestellt werden soll. Gestärkt werden soll auch der Austausch zwischen den europäischen Ländern. "Warum soll sich ein Waldmanager in Baden-Württemberg nicht auch mal die Wälder in Spanien oder in Italien anschauen?", meinte Löffler. Großes Thema ist die naturnahe Waldbewirtschaftung, die förderfähig ist und auch in die Strategiepläne der Bundesregierung mit einfließt. Abgebaut werden sollen auch die Barrieren zum Austausch von Saatgut und Pflanzengut. Begleitet wird der Waldumbau von Satelittendaten zur Klimaveränderung. Insgesamt will die EU die verschiedenen Regionen bestmöglich unterstützen.  

Was bedeutet Carbon-Farming?

Ein weiteres großes Thema ist das so genannte Carbon-Farming. Hier handelt es sich unter anderem um die Wiedervernässung der Moore bespielsweise oder im Bereich Landwirtschaft um einen Humusaufbau im Boden. Aber auch die Verstärktung Nutzung von Holz für den Haus- und Wohnungsbau gehört in diesen Bereich. Wird die Kohlenstoffsenkungsfunktion des Waldes gestärkt, ergibt sich ein echter Nutzen fürs Klima. Diese postive Funktion des Waldes sollte über eine Klinmaleistungsprämie honoriert werden, forderte Reger. Auch für die Ökosystemleistungen (Wald als Erholungsraum) sollte es künftig Geld geben. Die Betriebe können vom Holzverkauf allein nicht mehr finanziell überleben. "Wir brauchen mehrere Standbeine", so Reger.  

Wald ist wichtig für die Gesellschaft

Mit der neuen EU-Forststrategie soll eine gute Balance zwischen den vielfältigen Anforderungen an den Wald geschaffen werden. "Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz. Die multifunktionale Rolle von Wäldern wird bei der neuen Strategie im Mittelpunkt stehen", meinte Carmen Preising, stellvertretende Kabinettschefin im Kabinett des Kommissars Virginijus Sinkevicius für Umwelt, Meere und Fischerei in der Europäischen Kommission, und Martin Strittmatter, stellvertretender Abteilungsleiter Wald, Nachhaltigkeit, Biobasierte Wirtschaft im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, diskutierten über die Rolle der Biodiversität und des Waldnaturschutzes in den Strategien von EU und Baden-Württemberg und über die Frage, wie die Europäische Forststrategie die regionalen forstlichen Gegebenheiten berücksichtigen kann. Dass es dem Wald so schlecht geht, war in Baden-Württemberg Auslöser für die Strategie 2050, so Strittmatter. So viele Aspekte und so viele Erwartungen gebe es an den Wald. Was sind die gesellschaftlichen Anfroderungen? Was können wir als Forstwirtschaft tun? Deswegen sind hier viele Bereiche mit eingebunden. Stilllegen, sich selber überlassen oder bewirtschaften? Das ist eine Frage die immer wieder gestellt wird und auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Biodiversität und Waldnaturschutz spielt in der Strategie vom Land ein große Rolle. Schon allein deshalb, weil der Wald eines der naturnahesten Ökosysteme überhaupt ist. Schätze der Natur, für die man die Verantwortung wahrnehmen möchte, so Strittmatter. Dabei gehe es aber nicht um eine großfläche Stilllegung, sondern um eine nachhaltige Bewirtschaftung. Waldbesitzer möchte man motivieren, für den Naturschutz etwas zu tun und dies dann auch bezahlen. Für die Kommunikation und den Know how-Transfer soll ein Beraternetzwerk installiert werden.

Land im Biobereich Vorreiter

Zum Thema ‚Aktionsplan für Biolandwirtschaft – nachhaltig gedacht, zukunftsfähig gemacht‘ sprachen Dr. Wolfgang Burtscher, Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, und Dr. Burkhard Schaer, Geschäftsführender Inhaber der Ecozept GbR. Im Fokus der Diskussion war der für Ende März 2021 angekündigte Europäische Aktionsplan für die Zukunft der ökologischen Erzeugung und das Inkrafttreten der EU-Öko-Verordnung im Januar 2022. Dabei wurde auf die Frage eingegangen, wie eine Durchgängigkeit der verschiedenen Aktionspläne der Handlungsebenen sichergestellt werden kann. Außerdem wurden die Besonderheiten des Ökosektors in Baden-Württemberg thematisiert und dabei die Wachstumspotentiale für die Zielerreichung von 30 bis 40 Prozent biologisch bewirtschafteter Fläche in Baden-Württemberg bis 2030 diskutiert.

Aktiver Beitrag zum Klimaschutz

Im Abschlussgespräch zogen Minister Hauk und Herbert Dorfmann MdEP, Koordinator der EVP Fraktion im Ausschuss für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung im Europäischen Parlament, ein Resümee. „In der nachhaltigen Nutzung unserer Wälder und der klimaangepassten Bewirtschaftung unserer landwirtschaftlichen Flächen liegt der Schlüssel für einen optimalen Beitrag zum Klimaschutz. Das wurde heute deutlich vor Augen geführt. Mit der Waldstrategie 2050, Forschungs- und Fördermaßnahmen wie beispielsweise FAKT sowie dem Aktionsplan ‚Bio aus Baden-Württemberg‘ stellen wir die Weichen für morgen“, betonte Minister Hauk.

Weitere Informationen zur Waldstrategie Baden-Württemberg 2050 finden Sie hier: https://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unsere-themen/wald-und-naturerlebnis/waldstrategie-bw/

Anpassung der Landwirtschaf an den Klimawandel: https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/4_Klima/Klimawandel/Anpassungsstrategie.pdf

„Bio aus Baden-Württemberg“  https://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unsere-themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.