Hohe Getreidepreise zur Erntezeit
- Veröffentlicht am
Wie Hermann Frey, Bereichsleiter Vermarktung, mitteilte, rechnet das International Grains Council mit einer weltweiten Produktion von 2,295 Mrd. Tonnen (t) und bei einem Verbrauch in etwa gleicher Höhe mit keinem Bestandsaufbau bei Getreide. Nachdem schon in der vergangenen Saison entgegen dem erwarteten Überschuss von 20 Mio. t ein Defizit von über 20 Mio. t entstanden war, sind die weltweiten Getreidebestände auf 130 Tage bei Weizen und unter 90 Tage bei Mais zurückgegangen.
Die Preisentwicklung seit dem Ende 2020 sei nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass die Hälfte dieser Bestände in China lagern und für die weltweite Nachfrage nicht mehr verfügbar ist. Die Notierungen der Börse in Paris stiegen bei Weizen bis zu 35 Prozent und für Raps sogar über 50 Prozent.
„Die Märkte werden nach den aktuellen Prognosen daher weiterhin nervös reagieren und schwer berechenbar bleiben“, sagt Frey. „Das stellt Landwirte und Vermarkter vor einige Herausforderungen.“ Die Getreideernte in Europa wird aktuell auf 292 Mio. t geschätzt (Vorjahr 278 Mio.t). In Deutschland geht man von einer Ernte von 42,8 Mio. t aus. Das liegt deutlich unter dem Fünfjahresdurchschnitt und lässt keinen Bestandsaufbau zu.
Ernte in Baden
Die Getreideernte 2021 in Baden ist laut Frey weitgehend abgeschlossen. Sie startete Mitte Juli im Rheintal um zwei bis drei Wochen später als in den Vorjahren und zog sich immer wieder durch Regen unterbrochen über mehrere Wochen hin. Nach problematischen Aussaatbedingungen im Frühjahr durch die Nässe waren auch der Mai und April relativ kühl und nass. Der Pflanzenschutz war nicht immer termingerecht durchzuführen. Dennoch präsentierten sich die Getreidebestände sehr gut, sodass lange Zeit von eine überdurchschnittlichen Ernte auszugehe war.
Diese Erwartungen erfüllten sich fast durchgängig nicht. Frey führte das auf die kühle und feuchte Witterung zur Blüte und Kornfüllungsphase zurück. Bei allen Getreidearten sind relativ kleine Körner zu sehen und damit eine deutlich geringeres Hektolitergewicht (HL) im Vergleich zu den Vorjahren.
Erntebilanz einzelner Kulturen
Zur Ernte der jeweiligen Kulturen äußerte sich der Vermarktungsexperte wie folgt: Bei der Wintergerste schwankte das Ertragsniveau erneut sehr stark zwischen 4,5 bis 7 t/ha und 4,5 bis 8 t bei Winterfuttergerste. Trotz geringeren Erträge und leicht ruckläufiger Flächen (minus 4,7 Prozent in Baden-Württemberg) lag die Erfassungsmenge der ZG Raiffeisen etwa auf Vorjahresniveau.
Der Vollgerstenanteil der Winterbraugerste lag zwischen 80 und 90 Prozent bei teilweise sehr unterschiedlichen Proteinwerten. Dennoch konnte fast die komplette Erfassungsmenge als Braugerste vermarktet werden. Gegenüber 2020 bewegten sich die Preise für Futtergerste von 145 bis 180 Euro/t auf deutlich höherem Niveau. Für Winterbraugerste bei Vorverträgen wird ab 165 Euro/t und bis zu 200 Euro/t für freie Ware in der Ernte bezahlt.
Auch bei der Sommerbraugerste schwankten die Erträge sehr stark zwischen 3 und 6 t/ha. Mit 5 t/ha liegt der Durchschnittertrag in etwa auf Vorjahresniveau. Unter den Aussaat- und Witterungsbedingungen litten die Qualitäten mit einem Vollgerstenanteil von deutlich unter 90 Prozent. Keine Abzüge gab es für die Landwirte bei den Eiweißwerten, die sich relativ stabil bei knapp elf Prozent im Schnitt hielten. Die Ernte musste vielerorts über Trocknungsanlagen erfasst werden.
Wegen des sinkenden Bierabsatzes währen der Pandemie wurden von der ZG Raiffeisen Vorverträge ab 175 Euro/t für die integrierte Produktion angeboten. Ab Juli 2021 stiegen Bierabsatz und Malzexporte wieder deutlich. Für vertragsfreie Ware lagen die Erzeugerpreise bei Braugerste weit über 200 Euro/t.
Enttäuschende Rapsernte
Durchweg sehr uneinheitlich und auf einem enttäuschenden Niveau lagen die Rapserträge in einer Spanne von 2,5 bis 4 t/ha. Sie liegen mit knapp 3,5 t/ha im Durchschnitt etwa 10 bis 20 Prozent unter dem Vorjahr. Mit deutlich kleineren Körnern liegen auch die Ölgehalte ein bis zwei Prozent unter dem Vorjahr. Weltweit schwache Ernten und eine starke Nachfrage trieben bereits zur Ernte 2020 die Rapsnotierungen an der Matif auf mehr als 600 Euro/t.
In den letzten Tagen und Wochen erreichen die Erzeugerpreise für Raps in der Spitze 530 bis 540 Euro/t franko Wasserplatz. Von solchen Preissprüngen, wie sie von keinem Marktteilnehmer erwartet wurden, können die Landwirte nach den Worten Freys nur über das ZG-Mindestpreis-Modell (PAP) ohne Risiko profitieren.
Nach den vermeintlich guten Aufwuchsbedingungen enttäuschen 2021 die Weizenerträge und -qualitäten. Die Erträge lagen mit 5 bis 8 t/ha 10 bis 15 Prozent unter der Ernte 2020. Erhöhte Fusarium- und niedrige HL-Werte prägten die Ernte in vielen Regionen. Die Proteingehalte konnten großflächig nicht an das hohe Vorjahresniveau heranreichen. Nach stetiger Steigerung seit dem August 2000 erreichten die Weizenpreise mit 220 Euro/t franko Wasserplatz zuletzt ein Achtjahres-Hoch.
Bei Dinkel das Wachstum forciert
Mit ihrer 3,5 Mio. Euro-Investition in ihre neue, hochtechnisierte Entspelzungsanlage in Wertheim hat die ZG Raiffeisen für Dinkel die Weichen auf Wachstum gestellt. Sie will mit attraktiven Vorverträgen den Dinkelanbau im gesamten Arbeitsgebiet über die Regionen Neckar-Odenwald und Main-Tauber hinaus forcieren. Die Erfassungsmenge konnte zur Ernte 2021 mit 2500 bis 3000 t mehr als verdoppelt werden. Insgesamt erfasst die ZG voraussichtlich wie im Vorjahr 250 000 t Getreide.
Die Dinkelanbaufläche wurde im ganzen Land nach ersten Schätzungen um etwa 50 Prozent (12.000 bis 15.000 ha) ausgedehnt. Die Dinkelerträge waren mit 6 bis 7 t/ha im Schnitt gut. In der Spitze wurden 8 bis 9 t/ha erreicht. Mit der Akquise neuer Kunden im In- und Ausland wird bei der ZG ein deutliches Steigerungspotenzial für Dinkel gesehen.
Mit allgemein guten Qualitäten wurde die Roggenernte eingefahren. Die Erträge lagen mit 4 bis 6t/ha etwas unter dem Vorjahr. Mit 155 Euro/t liegen die Erzeugerpreise deutlich unter dem Weizenpreis. Bei überregional ausreichen angebotenen Ware bleibt die Nachfrage im ZG-Arbeitsgebiet begrenzt.
Bei Sojabohnen ist 2021 mit einer späteren Ernte zu rechnen. Die Erträge werden mit 3 bis 4,5 t/ha nach aktueller Schätzung deutlich über dem Vorjahr mit 2,7 t/ha liegen. Der Anbau lässt für 2022 wieder eine positive Entwicklung erwarten, nachdem einige Landwirte in diesem Jahr nach unbefriedigenden Erträgen und drei Jahren Trockenheit auf den Anbau von Sojabohnen verzichtet oder die Flächen reduziert haben. Allein im Ortenaukreis waren es etwa 250 ha weniger. Doch wie bei Raps kam es bei den Sojanotierungen zuletzt zu drastischen Preissteigerungen auf fast 500 Euro/t.
Erst Anfang bis Mitte Oktober ist mit einem Erntebeginn bei Mais zu rechnen. Häufig zu ungleiche und lückenhafte Bestände sind auf kältebedingt langsame Feldaufgänge, Staunässe durch Starkniederschläge und Ausfälle durch Drahtwurm- und Vogelfraß zurückzuführen. Den Ausfall kompensiert zum Teil die häufige zu beobachtende Anlage von Zweitkolben. Jedoch wird dies auch zu späterer Abreife und höheren Erntefeuchten führen.
Die vielerorts guten Bedingungen während der Maisblüte und moderate Temperaturen bei ausreichend Wasser führten zu einem guten Einkörnen der Kolben. Die Ertragsaussichten werden deshalb deutlich besser als im Vorjahr bewertet. Nach ersten Vorkontrakten für Mais mit Preisen von 165 bis 170 Euro/ t konnten nach einer regelrechten Preisrally zuletzt an den Wasserplätzen Maispreise bis 220 Euro/t erzielt werden.
Biogetreide flächendeckend erfassen
Infolge des Biodiversitätsstärkungsgesetzes will die ZG Raiffeisen in den kommenden Jahren ein flächendeckendes Erfassungsnetz für Biogetreide aufbauen. In der Ernte 2021 ist dessen Anteil mit etwa 5000 t plus Nacherfassung auf gut zwei Prozent der ZG-Gesamterfassungsmenge leicht angestiegen. Bei der Erfassung von ökologisch angebautem Getreide liegt der Schwerpunkt bei der ZG bei Dinkel. Bei der Vermarktung wird registriert, dass die Preise für Biogetreide nicht analog zum konventionellen Getreide gestiegen sind. Der Abschlag für EU Bioware gegenüber den Verbandswaren habe sich weiter etabliert, stellt Frey fest. Er sieht aktuell Nachfragesteigerungen bei Ölsaaten und Leguminosen.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.