Schnitzel aus dem Ländle sind gefragt
Lebensmitteleinzelhändler kündigen Sortimentsumstellungen an und suchen vermehrt Schweinefleisch aus höheren Haltungsstufen. Wie hoch die Kosten für die Tierhalter sind und was die Kunden für Tierwohlfleisch von ihren Lieferanten erwarten, waren Themen auf der digitalen Fachtagung des Landesbauernverbandes (LBV) am 17. März. Die Gesprächsleitung hatte Ariane Amstutz, LBV-Pressesprecherin.
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Das Kilo Schweinekotelett für 2,99 Euro, ein Kantinenessen kalkuliert mit 2,50 Euro –mit solchen Niedrigpreisen lassen sich die gefragten Tierwohlstandards nicht realisieren. Daran ließ Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen keinen Zweifel. Bei einem Stall von 1000 m2 Fläche nimmt der Deckungsbeitrag pro Tier mit dem Grad der Standards in den einzelnen Programmen immer weiter ab. Der Mehraufwand beiträgt bei Programm-Schweinen aus der Initiative Tierwohl (ITW 2021) rund zwei Euro pro Schwein, für Haltungsstufe 3 müssen 25 Euro zusätzlich erwirtschaftet werden. Allein die Bauinvestitionskosten pro Mastplatz liegen je nach Programm zwischen 60 und 400 Euro. So liegen die Produktionskosten je nach Programm zwischen 170 und 240 Euro pro Mastschwein, wie Feller ausgerechnet hat. Beim Ferkel sind es 76 Euro, mit weiteren Zusatzanforderungen kommt man auf 90 Euro.
Höhere Kosten nicht gedeckt
Ernüchternd ist, dass die Boni, die über die einzelnen Programme bezahlt werden, ökonomisch gesehen nicht ausreichen, um die höheren Kosten zu decken. „Der Lebensmitteleinzelhandel verlangt auf breiter Linie höhere Standards und wir stellen uns schon die Frage, ob das weiter so bleiben kann“, mahnte LBV-Vizepräsident Klaus Mugele angesichts explodierender Kosten, erster Versorgungsengpässe und der Tatsache, dass die staatliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung nach wie vor unklar ist. „Die Nachfrage nach Schweinefleisch aus höheren Haltungsstufen ist zwar da, der Wille der Landwirte auch, wir müssen aber genügend Geld generieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können“, so Feller. „Für Haltungsstufe 3 brauchen wir mindestens 80 bis 100 Euro mehr pro Mastschwein.”
Tierwohl ist ernstgemeint
Ernüchternd ist auch, dass der Preis pro Kilogramm Schlachtgewicht in den letzten 30 Jahren lediglich um 5 Cent von 1,49 auf 1,54 Cent pro kg gestiegen ist – unberücksichtigt der Inflation. Der Blick auf die Notierungen zeigt, wie schwierig es ist, zusätzliche Kosten in der Schweinemast in mehr Wertschöpfung umzusetzen. Verträge mit dem LEH bieten Sicherheit für die Erzeuger, wie beispielsweise über das Wertschätze-Programm von Kaufland, das Dr. Clemens Dirscherl von Kaufland Fleischwaren in Neckarsulm vorstellte. Dirscherl betonte, dass ein höheres Tierwohl fundiert wissenschaftlich begründet und auch im Tierschutzgesetz fest verankert ist. „Oftmals hört es sich so an, als ob sich hier ein paar NGOs (Nichtregierungsorganisationen) Gedanken gemacht haben, was man den Tieren Gutes tun kann“, so Dirscherl. Das sei mitnichten der Fall. Vielmehr habe man neue Erkenntnisse gewonnen über neurologische Zusammenhänge, was Tierwohl ausmacht, wie Schmerz- und Leidempfinden sich auswirken und wann Tiere Glücksgefühle erleben. „Diesen Veränderungen müssen wir uns stellen“, sagt Dirscherl, der über 15 Jahre lang in der Deutschen Tierschutzkommission saß.
Programm-Schweine für Kaufland
Im Wertschätze-Programm gibt es heute deutschlandweit 76 Betriebe, 24 davon sitzen in Baden-Württemberg. Jetzt kämen weitere Interessenten hinzu, bundesweit stünden 157 Betriebe auf der Warteliste, berichtete Dirscherl. Der Bedarf sei groß. Ziel von Kaufland seien 20 Prozent des Frischfleischs aus Haltungsform 3 anzubieten, derzeit liege man bei sieben Prozent, mit dem Schwerpunkt auf Haltungsstufe 2. Das Programm bietet den Tieren 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben, mit Außenklima und Auslauf. Beschäftigungsmaterial ist Stroh. Die Transportentfernung beträgt maximal 250 Kilometer zu den Schlachthöfen in Ulm und Bamberg. Der Bonus für GVO-freie Fütterung liegt bei 14 Euro und wurde zuletzt dreimal in Folge erhöht. „Wir müssen uns schon fragen, ob wir uns zu stark von Futtermittelimporten abhängig gemacht haben”, so Dirscherl.
Mehr Regionalität als Chance
„Wir sehen in mehr Regionalität eine Chance und sind gespannt, wie unsere Kunden das sehen,“ meinte Mugele bei der Vorstellung des dritten Referenten Stefan K. Best. Der Abteilungsleiter Wirtschaftsbetriebe und Weinmanagement der Landesbausparkasse (LBS) Südwest an den Standorten Mainz, Stuttgart und Karlsruhe ist täglich für insgesamt 800 Mittagessen mitverantwortlich. Best ist auch Leiter der Wirtschaftsbetriebe Gemeinschaftsgastronomie unter dem Dach der DEHOGA Baden-Württemberg. Hierzu zählen 26 namhafte Gemeinschaftsgastgeber von Porsche und Daimler über Allianz, Bosch bis zu Stihl oder Kärcher. Insgesamt geht es um 50.000 Mittagessen täglich und einem Einkaufsvolumen von etwa 30 Mio. Euro pro Jahr. Der Anspruch der Firmen nach Nachhaltigkeit und Klimaneutralität macht auch vor den Kantinen nicht halt. Die Leiter der Betriebskantinen müssen beim Einkauf auf Haltungsform, Aufzucht, Transport und Schlachtung achten: „Das interessiert den Tischgast. Darüber müssen wir auch in unseren internen Publikationen berichten“, meint Best. Die LBS nehme 2022 an der Aktion „Schmeck den Süden“ teil, eine Aktion der Marketing-Gesellschaft Baden-Württemberg und des Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Baden-Württemberg e.V.
Die Teilstücke sind knapp
Die Herausforderung bestehe darin, dass die Kantinen mit genügend QZBW-Fleisch beliefert werden müssen. Die Teilstücke sind knapp. Zumal die Einkäufer rechnerisch pro Tischgast im Schnitt nur 2,10 bis 2,50 Euro zur Verfügung haben und sich das QZBW-Fleisch nur mithilfe einer Mischkalkulation leisten können. „Bei der Umstellung auf "Schmeck den Süden" brauchen Sie mehr Geld. Hier ist ein prägnantes Umdenken erforderlich”, so Best. Dabei werden die Essen, die für die Mitarbeiter 4 bis 5 Euro kosten, von den Arbeitgebern als Sozialleistung jedes Jahr mit hohen Beträgen subventioniert. Rolf Michelberger, Ulmer Fleisch, betonte, dass der Bereich Gemeinschaftsverpflegung ein wichtiger Sektor für den Absatz von Schweinefleisch sei. Er sagte aber auch: „Es kann nicht sein, dass, wenn Porsche 5000 QZBW-Schnitzel auf dem Teller hat, sich dies zwei Wochen später nicht mehr wiederholen kann, weil die Schnitzel knapp sind.” Angesichts der derzeitigen Preisexplosionen wird es für den Einkauf immer schwieriger, zu kalkulieren.
Gemeinsam gegen Greenwashing
„Wir müssen gemeinsam verhindern, dass Schmeck den Süden nicht zum Greenwashing wird, wenn das Programm nur noch sporadisch ab und zu mal zum Zug kommen kann.” Best wünscht sich, besser auf heimische Produkte zugreifen zu können. Ziel sei es, den Anteil regionaler Produkte auf dem Speiseplan zu erhöhen. Heute liege man bei etwa 30 Prozent. Laut Mugele werden jede Woche 10.000 bis 15.000 Schweine aus dem Land als 0-8-15-Ware „irgendwie“ verkauft. „Ich sehe hier ein Potenzial für die Abnehmer aus dem Gastro-Bereich, dies zu nutzen”, so Mugele. „Wir brauchen umsetzbare Schritte und dürfen den Bogen nicht überspannen”, sagte Michelberger. Um zu wissen, welche Mengen für Schmeck den Süden gebraucht werden, versprach Best eine Bedarfsliste zu erstellen.
Die Veranstaltung gibt es zum Nachhören unter https://www.youtube.com/watch?v=kEODah71_08
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