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LBV-Milchtagung

Milchmarkt dürfte sich wieder berappeln

Die Perspektiven der heimischen Milcherzeugung wurden auf der Fachtagung am 22. Februar anhand von drei Vorträgen diskutiert. Als Fazit lässt sich festhalten: Aktuell erlebt der Milchmarkt eine deutliche Abkühlung. Auf die Tierhalter kommen in Sachen Dokumentation weitere Pflichten zu. Positiv ist, dass Werbekampagnen für die Milch erste Erfolge zeigen. Die Gesprächsleitung hatte Ariane Amstutz, LBV-Pressesprecherin.

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Die Wertschätzung der Lebensmittel und die draus resultierende Wertschöpfung ist wichtige Grundlage für die Betriebe, um Investitionen zu tätigen und Darlehen zu tilgen, betonte Rosi Geyer-Fässler, LBV-Vizepräsidentin.
Die Wertschätzung der Lebensmittel und die draus resultierende Wertschöpfung ist wichtige Grundlage für die Betriebe, um Investitionen zu tätigen und Darlehen zu tilgen, betonte Rosi Geyer-Fässler, LBV-Vizepräsidentin.Borlinghaus
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"Milchpreise von 60 Cent und darüber, das hätte sich vor zwei Jahren kaum einer vorstellen können“, meinte LBV-Vizepräsidentin Rosi Geyer-Fäßler auf der Tagung in Laichingen. Gleichzeitig seien aber auch die Produktionskosten explodiert, Investitionen müssen getätigt und Darlehen getilgt werden. Geyer-Fäßler lobte die wissenschaftliche Arbeit von Dr. Wilhelm Windisch, der ihrer Ansicht nach die Öffentlichkeit davon überzeugt hätte, dass die Kuh kein Klimakiller ist. „Dafür sind wir dankbar“, so Geyer-Fäßler.

Entscheidend sind die Jahrespreise

Jürgen Geyer vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB), der seit gut 30 Jahren den Milchmarkt und die Preisentwicklung verfolgt, betonte in seinem Vortrag einmal mehr, dass für die Milcherzeuger die Jahrespreise ausschlaggebend sind und nicht der monatliche Auszahlungspreis. Nach im Schnitt 35 Cent, maximal 38 bis 39 Cent, über die vergangenen 20 Jahre, rechnet Geyer für 2022 mit einem amtlichen Milchpreis von im Schnitt 52,5 bis 53,0 Cent für Bayern, netto bei 4,2 Prozent Fett. Ein Durchschnittspreis, der in Baden-Württemberg ähnlich ausfallen dürfte.

Märkte international verflochten

„Die Märkte kooperieren miteinander, egal ob im regionalen Markt oder auf internationaler Ebene”, meinte Jürgen Geyer und zeigte auf, wie Politik den Markt mit beeinflussen kann. Als zum Beispiel in Jahr 2014 gegenüber Russland Wirtschaftssanktionen ausgesprochen (Krimkonflikt) wurden, gab es umgekehrt einen Käse-Exportstopp, der Deutschland hart getroffen hat. 280.000 Tonnen Käse mussten plötzlich anderweitig verkauft werden, was den Milchpreis nach unten zog. 2019 gab es eine Butter-Hausse mit 7 Euro für die Butter, danach kam die Coronapandemie und dann noch der russische Angriffskrieg. „Der Milchpreis ging in Dimensionen hoch, wie wir es noch nie hatten. Ich habe Verhandlungen geführt, da ging der Preis um einen Schlag um vier Cent hoch. Dass wir von 40 Cent Anfang des Jahres auf 60 Cent kommen. Das hätte ich auch nie gedacht”, so Geyer mit Blick auf 2022. Mit der Energiekrise und den Lieferengpässen wurde der Markt heftig durcheinandergewirbelt und zeitweise auch regelrecht lahmgelegt.

Konsumzurückhaltung bereitet Sorgen

Sorge bereitet den Milcherzeugern die Konsumzurückhaltung. Gut ablesen lässt sich dies an den Absatzzahlen für Konsummilch. Konsummilch, deren Verzehr schon vor Corona leicht zurückging, dann wieder anstieg, ist im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent deutlich zurückgegangen. Das entspricht einer Menge von rund 200 Mio. kg Milch, die nun anderweitig vermarktet werden musste. „Damit ist innerhalb eines Jahres die Verwertung einer mittleren Molkerei in Deutschland komplett weggebrochen“, so Geyer. Diese 200 Mio. kg gingen zwar in andere Märkte, allerdings meist nur mit Preiszugeständnissen.

Zu viel Biomlich auf dem Markt

Markant war auch die Entwicklung der Biomilch. Mitte des Jahres 2022 wurden die Verbraucherpreise für Biomilch angepasst. Ein Liter Biomilch kostete zunächst 1,09 Euro und ging dann hoch auf 1,49 Euro oder 1,59 Euro. Daraufhin haben die Verbraucher mit Kaufzurückhaltung reagiert und weniger Trinkmilch gekauft. Unterm Strich wurden 2022 etwa 10 Prozent oder 40 Mio. kg weniger Biomilch verkauft. Im Biobereich ist das eine bemerkenswerte Menge. Gleichzeitig wurde die Biomilcherzeugung insgesamt um 5 Prozent erhöht, was etwa 60 Mio. kg entspricht. Unterm Strich kamen so rund 100 Mio. kg Biomilch auf den Markt, die nicht als Bio vermarktet werden konnten. Diese Mengen mussten über die konventionelle Schiene verkauft werden. Interessant war das Konsumverhalten bei der Weidemilch: Hier ging der Absatz gegenüber dem Vorjahr nach oben. Nach dem Motto: „Bio ist mir zu teuer, aber die kann ich mir gerade noch leisten.“ Gut möglich, dass künftig diese Spezialmilchsorten dem Biomarkt weitere Anteile abnehmen werden.

Weitere Märkte brechen weg

Auch der Buttermarkt ist 2022 um 20.000 Tonnen eingebrochen, weil der Butterpreis mit über 3 Euro für das 250-g-Päckchen im Laden zu hoch war. Ähnlich beim Käse (Schnittkäsen, Hartkäse, Mozzarella, Weichkäse). Auch hier ging der Verbrauch zurück, in Summe waren es 50.000 Tonnen Käse weniger. Das sind rund eine halbe Milliarde Kilogramm Milch, was einer Molkerei von der Größe der Omira entspricht. „Solche Mengen lassen sich nicht einfach kompensieren“, so Geyer. Oft bleibt nur der Export zu vergleichsweise niedrigeren Preisen. Federn lassen mussten 2022 übrigens auch die Milchimitate. Deren Wachstum ging im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurück.

Vermarkter und Handelsketten fahren auf Sicht

Was machen Weiterverarbeiter und der Handel, wenn sie merken, dass der Markt kippt? Sie kauften im Dezember und Januar nur wenig, bis der Preis für die Blockbutter bei rund vier Euro lag: Dann haben die Vermarktungspartner zugeschlagen, was dem Handel einen deutlichen Schub gegeben hat, schildert Geyer die Geschäfte der vergangenen Wochen. Geyer geht davon aus, dass der Kieler Rohstoffwert im Februar unter 40 Cent sinkt. „Da wird es einige Molkereien geben, die sich diesem Trend auch kurzfristig nicht entziehen können. Entsprechend ist es derzeit schwierig, hohe Milchpreise, über mehrere Monate festzuschreiben. Vielmehr fahren alle auf Sicht und entscheiden kurzfristig, weil man nur so  kalkulieren kann. Für längerfristige Abschlüsse seien die Unsicherheiten zu groß.

Prognosen sind schwierig

Dabei erscheinen die Absatzmöglichkeiten auf den globalen Märkten durchaus vielversprechend. Die Milchanlieferung wächst weltweit nicht übermäßig. Die Futterlage könnte sich vielerorts verschärfen, wenn die Trockenheit zurückkommt. „Wir hatten ab Oktober 2022 Steigerungsraten von 5 bis 8 Prozent in der Milcherzeugung bei gleichzeitig rückläufigen Märkten. Das kann sich aber auch schnell ändern, sobald die Nachfrage wieder normaler wird und die Milch möglicherweise wieder knapp wird. „Ich habe keine Glaskugel. Ich kann nicht seriös sagen, wie es in einigen Wochen und Monaten auf dem Milchmarkt weitergeht. Ich denke, dass die Nachfrage deutlich anziehen wird und sich die Milchmengen wieder anpassen“, so Geyer. Markenartikel stehen seiner Einschätzung nach weiter unter Druck. Denn allenthalben wird gespart, die Inflation geht weiter. Der stellvertretende Vorsitzender beim KBV Ulm-Ehingen, Hans Roggenkamp, ist in Sorge, dass der Handel die laufenden Kontrakte aufreißen und neu verhandeln will. Ich hoffe, dass diese Verträge nicht aufgemacht werden“, meinte Roggenkamp.

Aufwendige Dokumentation

Was auf die Betriebe in Sachen Medikamenteneinsatz und Tiermeldungen zukommt, erläuterte Dr. Dagmar Duda-Spiegel, MLR, im Vortrag über die Änderungen des Tierarzneimittelgesetzes und der Umsetzung des neuen Antibiotika-Minimierungskonzeptes. Nach diesem Konzept lässt sich jeder Betrieb so einstufen, dass Verbesserungen angegangen werden können (Kennzahl 1 und Kennzahl 2). Der Aufwand für die Dokumentation scheint hoch. Der Start ist holprig. Das wurde in der Diskussion deutlich. Dabei würden die erbrachten Leistungen in der Schweinehaltung, wo es das Monitoring schon seit vielen Jahren gibt und wo der Einsatz von Antibiotika bereits deutlich reduziert wurde, von der Politik konsequent ignoriert, berichtete LBV-Vizepräsident Hans-Benno Wichert. Stattdessen werde das Monitoring nun noch weiter ausgedehnt, ohne zuvor klare Zahlen auf den Tisch zu legen, so die Kritik. Der Bauernverband habe frühzeitig auf den verschiedenen Ebenen versucht, dieses Thema für die Milchviehhalter zu verschieben, weil bei der Umsetzung noch zu viel unklar ist. Leider sei das nicht gelungen. „Wir haben da alles versucht“, versicherten der stellvertretende LBV-Hauptgeschäftsführer Horst Wenk und der stellvertretende Vorsitzende beim KBV Ulm-Ehingen, Hans Roggenkamp, gleichermaßen.

Initiative bricht eine Lanze für die Milch

Seit Mai 2021 arbeitet Kerstin Wriedt als Geschäftsführerin für die Initiative Milch 2.0, unterstützt wird sie von Projekt-Koordinatorin Mareike Jens. „Die Milch ist Trendbarometer, Kulturgut und Grundnahrungsmittel zugleich“, erlebt Wriedt und beschreibt, wie und wo sie mit Kampagnen unterwegs ist, gestaltet von der Hamburger Agentur fischerAppelt. Ein Ziel der von Landwirten und Molkereien getragenen Initiative ist es, die Präsenz des Themas Milch in den Medien zu erhöhen. Dass die Wochenzeitung "Die ZEIT" Kerstin Wriedt jüngst als „Milchdiplomatin“ betitelte, empfindet die Geschäftsführerin „als eine Jobbezeichnung, mit der ich viel anfangen kann, weil es darum geht, auch Leuten außerhalb der Branche zu vermitteln, woran wir arbeiten.“

Journalistinnen und Journalisten sind interessiert am Thema Milch

Die Initiative versucht die Milch in die unterschiedlichen Redaktionen bei Presse- Funk und Fernsehen hineinzutragen und erlebt dabei, dass eine Wissenschaftsredaktion zum Beispiel eher faktenbasiert an das Thema herangeht, während die Redakteurskollegen vom Feuilleton die Milch eher lieber von der kulturellen und politischen Seite her beleuchten wollen. Statt Klischeebilder vom Bauernhof-Idyll möchte die Initiative moderne, authentische und nahbare Bilder und Milchkühe und Milchbauern verbreiten.

Im Fokus stehen vor allem auch jüngere Menschen

Bemerkenswert sei, dass viele jüngere Menschen glauben, auf Milch verzichten zu können, während ältere Menschen der Milch einen viel höheren Wert beimessen. Deswegen fokussiert sich die Initiative verstärkt auf Jüngere. Die gute Nachricht ist: Neun von zehn Haushalten haben Milchprodukte zuhause und „rund 80 Prozent der Leute sehen sich noch in zehn Jahren definitiv bei der Milch.“ Von einem gesellschaftlichen Ausstieg aus der Milch könne also keine Rede sein. Aber: Die Menschen hätten Fragen. Jeder Vierte, der Milch- und Milchprodukte einkauft, macht sich Gedanken wegen Tierwohl und Klimaschutz. „Das sind die Punkte, wo wir die Menschen abholen müssen. Die Antworten müssen wir geben,“ so Wriedt.

Reichweiten werden ausgebaut

Aktiv ist die Initiative auf Kongressen, auf der Grünen Woche, es werden Journalistenpreise ausgeschrieben und Veranstaltungen organisiert. Über den Kanal „HelloFresh“, die Thermomix-Community oder im eigenen Podcast Let's talk Milch werden die Informationen breit gestreut. Über Instagram und TikTok sollen die Reichweiten ständig weiter ausgebaut werden. „Da bleibt es nicht aus, dass uns Veganer anrufen und sagen, was sie von uns halten. Shitstorm begleitet uns seit Tag eins”, verhehlt Wriedt nicht. Halbwahrheiten und Respektlosigkeit vor allem in der digitalen Welt seien ein Phänomen unserer Zeit. „Beachtlich, was die Initiative 2.0 alles leistet. Das ist wichtig. Wer nicht wirbt, der stirbt”, meinte Hans Roggenkamp, stellvertretender Vorsitzender beim Kreisbauernverband Ulm-Ehingen am Ende der Tagung.

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