Bodenseeobst mit Mehrwert für die Natur
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Unter Moderation von Manfred Ehrle, dem früheren Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Tettnang, nahmen an der Gesprächsrunde teil: Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, KOB-Geschäftsführer Dr. Manfred Büchele, die beiden Praktiker Birgit Locher und Nikolaus Glocker, der Wildbienenforscher Dr. Mike Herrmann, Patrick Trötschler, der stellvertretende Geschäftsführer der Bodenseestiftung und die Journalistin Katja Korf.
Für Erzeuger muss sich Einsatz lohnen
„Im Bodenseeobst steckt ein Mehrwert für die Natur. Doch ein Mehrwert für die Erzeuger wurde bislang nicht geschaffen. Das ist die Herausforderung für die nächsten zehn Jahre“, meinte Patrick Trötschler mit Blick auf Ergebnisse aus dem bereits vor zehn Jahren angestoßenen ProPlanet-Projekt. Zusammen mit der Bodenseestiftung, dem Lebensmittelhändler Rewe und der Obstregion wurde damals in zehn Pilotbetrieben Blühflächen angelegt und Nisthilfen aufgestellt. Heute sind es 120 bis 140 Betriebe, die jedes Jahr auf freiwilliger Basis an dem Programm teilnehmen. „Wir haben viel voneinander gelernt und Erfahrungen über die Beratung weitergetragen“, erklärte Trötschler. Das Projekt war erfolgreich, denn es wurden 117 verschiedene Wildbienenarten gefunden, darunter 25 gefährdete Arten, belegt durch ein Monitoring. „Wir wollen bis in zehn Jahren die umweltfreundlichste Anbauregion sein, aber das muss sich dann auch finanziell für die Erzeuger lohnen. Die nachhaltige Produktion muss ein wichtiges Element des Markenkerns beim Bodenseeobst werden“, warf Trötschler einen Blick in die Zukunft und ermunterte Vertrieb und Vermarktung, kreativ zu werden. Dabei regte er an, den Mehrwert mit Zahlen transparent zu machen.
Eckpunktepapier besser als Volksbegehren
Aufgrund der strukturreichen Landschaft sieht Dr. Mike Herrmann für Wildbienen eine gute Zukunft am Bodensee. Auch weil sich viele um deren Lebensraum bemühten. Blühflächen und Nisthilfen würden von Wildbienen schnell und gut angenommen, wobei letztere nur für 15 Prozent der Arten in Frage kommen, da alle anderen im Boden leben. Die zeitweise Anlage von Blühstreifen aber reiche nicht aus. Herrmann plädierte dafür, die Artenvielfalt durch entsprechende Maßnahmen noch weiter zu fördern, wobei der Mehraufwand den Obstbauern durch Förderprogramme wie FAKT ausgeglichen werden sollte. Angesprochen auf das Volksbegehren meinte der seit 20 Jahren in der Wildbienenforschung tätige Experte, dass dieses aus fachlicher Sicht für den Artenschutz wenig gebracht hätte. Das Eckpunktepapier sei besser, für den Artenschutz und auch für die Landwirtschaft.
Biodiversität im Ladenregal nicht sichtbar
Etwas für die Biodiversität zu tun, ist für den Bioobstbauer Nikolaus Glocker selbstverständlich. Doch manches sei einfacher gesagt als getan. Man müsse stets das Gesamtsystem im Blick haben und dazu gehöre beispielsweise auch der Boden, wo noch vieles unerforscht sei. Der Vorsitzende der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau monierte aber auch, dass die Praktiker keinen Gegenwert für ihr Engagement erhielten. „Bislang ist das nur etwas für Idealisten, denn Biodiversität ist im Ladenregal nicht sichtbar“, meinte er. Die von der Praxis erbrachten Leistungen für den Artenschutz werden laut Birgit Locher noch zu wenig kommuniziert. „Man muss das Gute, das man tut, nach außen tragen“, plädierte die Bäuerin aus Oberteuringen für mehr Öffentlichkeitsarbeit. Dort, wo es möglich ist, sollte der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter reduziert werden. Dies dürfe aber nicht zu Lasten der Qualität gehen. Wie Glocker forderte sie mehr in die Forschung zu investieren, um den Artenschutz voranzubringen, wobei Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen seien. Für beide Produktionssysteme, für die ökologische wie die integrierte Produktionsweise, sollten Wege gefunden werden.
Auf verschiedene Programme, die bereits mit Zielrichtung Biodiversität laufen, verwies Dr. Manfred Büchele. Allerdings mahnte der Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee bei allem Bemühen um den Artenschutz, die Produktion selbst nicht ganz aus den Augen zu verlieren. „Nur Wildbienen reichen nicht. Der Obstbau braucht auch Äpfel zum Verkauf“, meinte Büchele.
Weiterer Forschungsbedarf
„Für Biodiversitätsprogramme hat das Land Fördermittel in Millionenhöhe bereitgestellt“, erklärte Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium Ländlicher Raum und Verbraucherschutz. Damit sollen unter anderem die Ursachen des Artenschwundes genauer erforscht werden, beispielsweise welche konkreten Auswirkungen der Einsatz chemisch-synthetischer Mittel auf Nützlinge und das Bodenleben hat. „Wir müssen noch mehr lernen. Wir gehen den Weg in Richtung mehr Ökologie, aber es ist ein steiniger Weg“, meinte sie. Aufgrund der schwindenden Bedeutung der Landwirtschaft – nur noch ein Prozent der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt – müsse ein verstärkter Dialog mit Umweltverbänden gesucht werden. Parallel dazu sei es wichtig, mehr Verbraucheraufklärung zu betreiben. „Essen ist politisch, denn mit dem Kauf regionaler Lebensmittel nehme ich Einfluss auf die CO2-Bilanz“, meinte die Staatssekretärin.
Die Journalistin Katja Korf, die das Volksbegehren intensiv begleitet hat, berichtete davon, wie sehr dieses die Menschen bewegt hat. „Es war eine emotionale Debatte, mit Existenzängsten auf Seiten der Landwirtschaft, aber auch auf Seiten der Bewohner, die die natürliche Lebensgrundlage schwinden sehen“. Sie erklärte, im Verlauf der Berichterstattung viel über Landwirtschaft gelernt zu haben. Gleichzeitig mache das Volksbegehren deutlich, wie wichtig es sei, dass die Landwirtschaft offen über ihre Arbeit berichte.
Bauer Willi plädiert für mehr Öffentlichkeitsarbeit
„In unruhigen Zeiten für die Landwirtschaft braucht es mehr Mut zur kreativen Kommunikation“, erklärt Dr. Willi Kremer-Schillings, der sich als bloggender „Bauer Willi“ deutschlandweit einen Namen gemacht hat. Auch auf der Fruchtwelt Bodensee war er kein Unbekannter. Zumindest stieß sein Vortrag angesichts voller Stuhlreihen im Foyer der Messehallen auf großes Interesse. Eine Stunde lang erläuterte der aus dem Rheinland stammende Landwirt, der seinen 40 ha Ackerbaubetrieb im Nebenerwerb und in Kooperation mit einem Nachbarn bewirtschaftet, wie er zu seinem Blog und der damit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Landwirtschaft kam. Angefangen hatte alles mit Beschwerden der Nachbarn, als Gülle gefahren wurde. Er verfasste einen öffentlichen Brief, der aber nicht abgedruckt wurde. Daraufhin stellte er ihn ins Netz. Zu einem zweiten Brief sah er sich veranlasst, als sein Nachbar eine Wagenladung Kartoffeln verkaufte und für das Kilo einen Cent bekam. An die Verbraucher gewandt, beklagte er deren Diskrepanz zwischen Reden und Handeln. Der Brief fand starkes Interesse und wurde auf vielen Portalen veröffentlicht. Sogar eine Einladung in eine Talkshow folgte.
Meinung macht der, der den Mund aufmacht
Den Namen „Bauer Willi“ habe er sich gegeben, da dieser einfach und verständlich ist. Und genauso einfach und verständlich will er auch auf Missstände in der Kommunikation über Landwirtschaft hinweisen. „Dabei mögen die Mitmenschen uns Bauern eigentlich. Sie lehnen nur die Art und Weise ab, wie konventionell Landwirtschaft betrieben wird“, sagt er. Doch wie kam es zu dem Stimmungswechsel? Kremer-Schillings, der Mitinitiator der Grünen Kreuze war, bringt es auf einen einfachen Nenner. „Meinung macht der, der den Mund aufmacht. Doch Landwirte reden nicht mehr als nötig. Und in digitalen Medien kommen Landwirte so gut wie nicht vor“, bedauert Kremer-Schillings.
Dabei hätten die Leute keine Ahnung von Landwirtschaft, meint er und belegt dies mit Beispielen aus seinem Umfeld. So verweist er auf eine Verbraucherin, die nach Kartoffelsamen fragt und gibt die Aussage einer Veganerin wider, die nur noch Heumilch trinken will.
Um mehr Verständnis für die Landwirtschaft zu wecken, können manchmal ganz banale Dinge helfen. Der bloggende Bauer berichtet dabei von einer Einladung auf seinen Hof, auf dem er manchem Besucher mit einer Treckerfahrt einen Traum erfüllte. Wichtig auch, im Gespräch eine einfache Sprache zu wählen, denn nicht jeder könne mit Fachbegriffen etwas anfangen. Ein anderes Beispiel ist die Gründung einer Whatsapp-Gruppe, in der ein Landwirt die Anwohner darauf hinweist, wann er Gülle fahren will.
Doch was tun, wenn der Landwirt mit unsachlichen Vorwürfen konfrontiert wird? Auch dafür hat Kremer-Schillings eine Empfehlung. Einfach den Vorwurf in eine Frage zu verwandeln, um so den Fragesteller mit seinem Vokabular zu konfrontieren. Zudem müsse man nicht aus jedem Gespräch als Sieger hervorgehen. Es genüge, die Leute zum Nachdenken anzuregen.
Vermarktung mit Fantasie und Wortwitz
Ferner plädierte er dafür, auch in der Vermarktung mehr Fantasie walten zu lassen. „Werbung darf auch mal augenzwinkernd daher kommen“, meinte er und verweist auf Beispiele wie „Kartoffeln aus Bodenhaltung“ oder „Tomaten aus Anbindehaltung“. Wichtig sei aber stets eine ehrlich Kommunikation.
Auch wenn zahlreiche Aktionen wie das Aufstellen der Grünen Kreuze an der Situation der Landwirtschaft nichts geändert habe, auch nicht in der Wahrnehmung der Politik, drängt „Bauer Willi“ darauf, sich überall einzumischen: „Öffentlichkeitsarbeit sollte sich jetzt professionell aufstellen. Landwirtschaft hat derzeit viel Aufmerksamkeit und diese Gunst der Stunde sollte genutzt werden.“
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