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Fruchtwelt Bodensee

Zeitenwende am Kernobstmarkt

Den Obstbauern weht derzeit ein scharfer Wind ins Gesicht. Massiv gestiegene Kosten und im Gegenzug noch sinkende Erlöse am Markt führen dazu, dass die Produktion rote Zahlen schreibt. Auf der Eröffnung der Fruchtwelt Bodensee in Friedrichshafen wurde die Lage thematisiert.

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Vertreter aus Politik, Handel und Berufsstand verfolgten die Eröffnung der Fruchtwelt Bodensee.
Vertreter aus Politik, Handel und Berufsstand verfolgten die Eröffnung der Fruchtwelt Bodensee.Brigitte Werner-Gnann
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Massiv gestiegene Energiepreise und eine durch die Inflation verursachte Kaufzurückhaltung der Verbraucher haben zu einer Marktmisere im Obstbau geführt. „Wir suchen nach Gesprächen mit Einkäufern des Lebensmitteleinzelhandels, aber die werden an ihrem Erfolg gemessen“, berichtete Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau, in seinem Grußwort bei der Eröffnung der Messe in Friedrichshafen von Bemühungen beim Handel bessere Preise zu erreichen. Ob die von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir geforderte Abschaffung der Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte hilft, darauf wollte Stechmann nicht so richtig bauen. „Aber ein Versuch ist es wert“, meinte er. Weiter berichtete er von Gesprächen mit dem Minister bei seinem Besuch am Bodensee im Oktober. Dort habe er darauf hingewiesen, dass das Ministerium nicht nur für den anvisierten Teil von 30 Prozent Ökoproduktion Verantwortung habe, sondern auch für die übrigen Betriebe. „Wir brauchen Verlässlichkeit und eine Honorierung unserer gesellschaftlichen Leistung sowie der hohen Sozialstandards“, forderte er ein.

Märkte in Schieflage

Was im vergangenen Jahr auf den Märkten passiert sei, spotte jeder Beschreibung. Wenn es um den Preis geht, bleibe die Regionalität auf der Strecke und es werde Obst aus allen Herren Ländern importiert. Er erwarte vom Handel, dass er sich im Frühjahr beim Ordern von Überseeware zurückhalte.

Doch auch wenn die Lage für den Obstbau derzeit sehr schwierig sei, so gelte es das positive Image der Branche zu nutzen. Obstbauern seien ausgewiesene Experten, die verantwortungsvoll mit den Produktionsfaktoren umgehen, meinte er weiter und appellierte an die nächste Generation, ihre Zukunft im Obstbau zu sehen.

Der Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau, Franz Josef Müller, forderte mit Blick auf die Pläne der EU-Kommission zur Reduktion im Pflanzenschutz, dass die Auflagen nicht über das hinausgehen dürften, was im baden-württembergischen Biodiversitätsstärkungsgesetz vorgegeben wird. Die Politik sei aber auch gefragt, um die Züchtung robuster und resistenter Sorten voranzutreiben. Ferner forderte er, bürokratische Hemmnisse bei der Agri-PV zu beseitigen, zumal damit auch eine Reduktion beim Pflanzenschutz möglich sei.

Klare Kennzeichnung der Herkunft

In einer Podiumsdiskussion zum Thema „Zwischen Systemrelevanz und Kostenexplosion – Obstbau in unsicheren Zeiten“ diskutierten unter der Leitung von Manfred Ehrle Staatssekretärin Sabine Kurtz vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium, Thomas Heilig, der Vorsitzende der Obstregion Bodensee, Nico Grundler, der Geschäftsführer vom Obstgroßmarkt Grundler und der Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft sowie Anthony Lee, Sprecher von Landwirtschaft verbindet Deutschland über Ansatzpunkte zur Lösung der Marktprobleme.

Einhelliger Tenor der Gesprächsrunde war, dass die derzeitige Schieflage am Markt nicht einfach zu ändern ist. Heilig kritisierte, dass der Kunde am Ladenregal die Herkunft des Obstes oft nicht erkenne. Die Kennzeichnung müsse klar sein und dabei das Herkunftsland auch in einer gewissen Größe aufs Produkt. Dies gelte auch für das Rohprodukt in verarbeiteter Ware wie zum Beispiel Apfelsaft. „Wir wünschen uns mehr Transparenz im Laden, aber auch darüber, was letztlich vom Preis beim Obstbauern ankommt“, meinte er. Dabei bedauerte er, dass immer mehr Äpfel der Marke Obst vom Bodensee im Handel aus der Originalverpackung verschwinden und als Eigenmarken angeboten werden. Verbraucherkampagnen seien zwar gut und nützlich, aber es gehe zu langsam voran. Zudem könne nicht die gesamte Produktion über die Direktvermarktung mit Kundenkontakt abgesetzt werden. Heilig plädierte dafür, Obst auch wieder stärker saisonal anzubieten. „Ein ganzjähriges Angebot von Blaubeeren verdirbt die Lust auf das Produkt, wenn es eigentlich bei uns Saison hat“, monierte er.

Leidtragende der Wertschöpfungskette

Die meisten Äpfel aus heimischer Produktion gehen beim Lebensmitteleinzelhandel  über die Theke. „Der Kunde bevorzugt unser Produkt, aber eben zu marktgerechten Preisen, wenn es auch einen gewissen Aufschlag gibt“, erklärte Grundler. Derzeit sei der Druck am Markt so hoch, dass die heimischen Obstbauern die Leidtragenden in der Wertschöpfungskette seien, bedauerte er. Doch generell Importware aus dem Regal zu verbannen, sei nicht möglich, auch nicht zur Zeit der Haupternte. So wolle der Handel über sechs Wochen Kirschen anbieten. Diese Zeitspanne lasse sich aber mit der Produktion aus Deutschland nicht abdecken, weshalb Lieferanten vor und nach der Saison nötig sind. Aber der Importeur dränge dann eben auch auf Lieferungen in der Hauptsaison. „Wir spüren derzeit jeden Tag, dass es den Erzeugern nicht gut geht, dass die Erlöse nicht reichen. Dennoch müssen wir mit unseren Handelspartnern gut umgehen, um sie nicht zu verprellen“, unterstrich er.

Mehr Verbraucheraufklärung

Für mehr Verbraucheraufklärung zu den Kosten der Produktion plädierte Lee. Der Sprecher von Landwirtschaft verbindet Deutschland betonte, dass hierzulande mit einem immensen Aufwand und Know-how produziert werde im Gegensatz zu manchen Importländern. Doch am Regal ende die Moral und deshalb halte der Lebensmitteleinzelhandel die Produzenten an der kurzen Leine. Die Politik könne schon gewisse Rahmenbedingungen setzen, wobei der nicht glaube, dass die vom Landwirtschaftsminister Özdemir geforderte Mehrwertsteuerabsenkung hilfreich sein. Sie werde in die Taschen des Handels wandern, befürchtet er. Dabei seien es oft nur Cent-Beträge, die die Bauern für eine kostendeckende Produktion dringend benötigten. Und nicht selten werde völlig ausgeblendet, was alles an der Landwirtschaft hänge, denn es gelte: Stirbt der Bauer, stirbt das Dorf. Aber er gab sich auch zuversichtlich, dass es nach einer Durststrecke von zwei, drei Jahren wieder aufwärts gehe.

Sich auf globale Handelsströme zu verlassen, habe sich angesichts der Schieflage – ob bei Produktionsmitteln, Energie oder Im- und Exporten – als falsch erwiesen, räumte Staatssekretärin Kurtz angesichts der weltpolitischen Lage und dem Krieg in der Ukraine ein. Sie bedauerte, dass der Höhenflug aus der Coronazeit, in der die Verbraucher verstärkt direkt beim Bauern eingekauft oder zumindest eine hohe Wertschätzung für regionale Ware hatte, so schnell verflogen ist. Funktionierende Vermarktungsstrukturen aufzubauen sei eine große Herausforderung. Die Politik versuche dabei zu unterstützen, beispielsweise mit einem Qualitätszeichen, verschiedenen Aufklärungskampagnen oder dem Schulfruchtprogramm. Direkt ins Marktgeschehen wolle und könne sie aber nicht eingreifen. Sie sei aber davon überzeugt, dass Regionalität eine Chance habe, da Globalisierung an Grenzen stoße.

Projekt "Echt Bodenseeapfel"

Zum Abschluss des ersten Messetages stellten die beiden Vorsitzenden der Obstregion, Erich Röhrenbach und Thomas Heilig, in einer Gesprächsrunde mit Geschäftsführer Andreas Ganal das von Praktikern, allen voran Markus Mayer, angestoßene Projekt „Echt Bodenseeapfel“ vor. Dabei soll mit neuen Sorten, die schorfrobust oder gar schorftolerant sind, versucht werden, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Mit der geringeren Krankheitsanfälligkeit ist es allerdings nicht getan. Um am Markt zu punkten, müssen die Sorten auch gut schmecken. Parallel dazu ist eine Verbraucheraufklärung nötig. „Wenn es gesellschaftspolitischer Wille ist, weniger Pflanzenschutz einzusetzen, so können wir das mit den neuen Sorten machen. Doch der Kunde muss diese Sorten dann auch akzeptieren“, betonte Röhrenbach. Er hoffe, dass mit diesem Projekt auch eine Perspektive für die nachfolgende Generation geschaffen werde.

Die zwölf neuen Sorten, von denen einige aus der Züchtung in Weinsberg stammen,  werden derzeit in zwei Anlagen mit jeweils einem Hektar Fläche auf ihre Anbaueignung getestet. Bezuschusst wird das Projekt mit 600.000 Euro durch das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium; die wissenschaftliche Betreuung erfolgt durch das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB).

Neben den Sorten werden weitere Themenfelder untersucht, wie Thomas Heilig mitteilte. So soll ein Konzept ausloten, welche zusätzlichen Möglichkeiten bestehen, um die Biodiversität zu fördern. Ein weiteres Stichwort ist die Nachhaltigkeit, wobei dies die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales umfasst. Erfasst werden soll auch der CO2-Fußabdruck im Projekt. Und schließlich gilt es ein Markenkonzept für die Dachmarke zu entwickeln.

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