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Energiegenossenschaft

Günstige Wärme statt Gewinne

Best Practice: Die Vorstände der Energiegenossenschaft Reichenbach erzählen von ihrem Nahwärmenetz mit Wärme aus Biogas und Hackschnitzeln. Nach fünf Betriebsjahren blicken sie auf manche Schwierigkeit zurück.
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Energiegenossenschaft Reichenbach
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„Das Projekt hat das Dorf zusammengeschweißt“, sagt Frank Blaser, einer von drei Vorständen der Energiegenossenschaft in Reichenbach, einem 700-Einwohner-Dorf, das zur Stadt Bad Schussenried im Landkreis Biberach gehört. Vor fünf Jahren hat die Genossenschaft dort ein Nahwärmesystem aufgebaut: Die Wärme stammt aus einer Biogasanlage am Ortsrand und einer Hackschnitzel-Heizung und damit zu 100 % aus regenerativer Energie. Über ein Wärmenetz werden damit mittlerweile 86 der rund 190 beheizten Gebäude versorgt. Der Großteil davon sind Einfamilienhäuser; doch auch einige Großabnehmer, wie der Kindergarten und das Dorfgemeinschaftshaus, sind angeschlossen.

80 Interessenten

Zusammengeschweißt wurden die Dorfbewohner nicht zuletzt, weil ihr Vorhaben auf unerwartete Schwierigkeiten traf. „Die Genehmigung von städtischer Seite war bei uns ziemlich anspruchsvoll“, meint Blasers Vorstandkollege Siegfried Geiger. Fünf Monate lang hat die Energiegenossenschaft Reichenbach eG (EGR) mit der Stadt um das Recht gerungen, die Leitungen unter öffentlichen Wegen und Straßen verlegen zu dürfen. Die Stadt Bad Schussenried verwehrt sich jedoch gegen den Eindruck, sie habe das Projekt nicht gefördert. Gegenüber der Lokalpresse gab Bürgermeister Achim Deinet an, dass kommunalrechtlich ein Konzessionsvertrag erforderlich gewesen sei. Hierfür verlange die Gemeindeordnung ein Gutachten, dessen Kosten die Stadt übernommen habe. Aufgrund des Gutachtens stellte die Stadt allerdings – aus Sicht der EGR – hohe Forderungen.

„Wir standen kurz davor, das Projekt sterben zu lassen“, blickt Geiger zurück. Erst nachdem die Genossen einen Anwalt eingeschaltet hatten, konnten sie wie geplant bauen. „Der Grund, warum es zur Umsetzung kam war, dass es bei der ersten Umfrage 80 Interessenten waren – und es blieben 80“, so Geiger. Zum Glück sei der Großteil der Bürgerschaft fest hinter dem Projekt gestanden. „Von der ersten Initiative bis zur Umsetzung muss es schnell gehen, sonst springen die Leute ab“, rät Blaser. In Reichenbach dauerte es gut eineinhalb Jahre.

Wärmeverwertung für die Biogasanlage

Angestoßen wurde das Projekt vom Biogas-Landwirt Günter Gnann, der nach einer sinnvollen Wärmeverwertung suchte. Beim Infoabend nach einer Fragebogenaktion kam das Vorhaben gut an. „Gnann wollte bei der Preisbildung außen vor bleiben und favorisierte eine rechtlich eigenständige Lösung für das Wärmenetz“, erzählt Blaser. Eine eingetragene Genossenschaft habe sich bei so vielen Teilnehmern als beste Rechtsform herauskristallisiert. Bei der Gründung prüfte der Genossenschaftsverband die Struktur und das damit zusammenhängende Risiko für die Mitglieder. „Ziel der eG ist nicht, Gewinne zu machen, sondern die Wärme so günstig wie möglich bereitzustellen“, betont der Bankangestellte.

Mit den Interessenten wurde zuerst ein Vorvertrag geschlossen mit Obergrenzen für Anschlussgebühr und Wärmepreis. Für die vom beauftragten Ingenieurbüro errechnete Spitzenlast reichte die Biogaswärme nicht aus. Es wurden zusätzlich ein Hackschnitzelkessel und zwei große Pufferspeicher gebraucht. Auf einem aufgelassenen Fahrsilo am Ortsrand wurde die Heizzentrale errichtet, in der Pufferspeicher, Hackschnitzelkessel und -lager untergebracht sind. „Wir konnten einiges an Eigenleistung einbringen: Vor allem die Verhandlungen mit den Anschlussnehmern wurden alle von uns im Vorstand geführt. Das hat zur Akzeptanz beigetragen, weil die Leute gesehen haben, es sind kompetente Ansprechpartner vor Ort“, schildert Blaser. Den Bau der Wärmeleitung übernahm dagegen komplett eine Baufirma – auch auf Privatgrund; bis hin zu den Heizungskellern. Die Übergabestationen verbleiben im Eigentum der Genossenschaft.

Geringere Kosten, hohe Förderung

Die Kostenberechnung des Ingenieurbüros ergab eine Gesamtsumme von 1,75 Mio. Euro. Wegen der Eigenleistungen und einiger erfolgreicher Nachverhandlungen blieben die Reichenbacher mit insgesamt 1,43 Mio. Euro deutlich unter den veranschlagten Kosten. Auch gelang es den Schwaben, für ihr Projekt mit 61 % eine sehr hohe Förderquote zu bekommen. Zum einen geriet eine Umstellung der Förderrichtlinien von KfW und BAFA zum Vorteil, zum anderen erhielt Reichenbach als „Bioenergiedorf“ eine Zusatzförderung vom Land Baden-Württemberg. Anstatt über eine mehrwertsteuerpflichtige Anschlussgebühr stemmten die EGR-Mitglieder selbst die restliche Finanzierung: Insgesamt 700.000 Euro stellten sie als nachrangige Darlehn zur Verfügung. Neue Anschlussnehmer müssen seit 2015 eine Gebühr von 7500 Euro bezahlen.

Bis September 2014 wurde das 5720 m lange Nahwärmenetz fertiggestellt. Die Leitungsgräben für die Stahlrohre sind 60 cm breit und circa 1,20 m tief. Blaser: „Wir haben gleichzeitig Datenleitungen in jedes Haus verlegen lassen. Über Fernwartung können wir so die Einzelverbräuche überprüfen.“ Der gesamte Netzbetrieb funktioniere zum Großteil über die Fernwartung. Verantwortlich in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht seien die Vorstände. Das Know-how werde unter anderem durch Schulungen laufend aktualisiert. „Wir haben ein ‚Flächennetz‘ mit vielen kleinen Abnehmern“, sagt Blaser. Das sei die denkbar ungünstigste Ausprägung. Der spezifische Wärmeabsatz bewege sich im Bereich der Mindestanforderung der KfW von 500 kWh pro Jahr und Trassenmeter, solle aber in den nächsten Jahren durch mehr Abnehmer verbessert werden. Problematisch in Bezug auf die Netzverluste sei vor allem der Sommerbetrieb, weshalb im Sommer die Vorlauftemperatur reduziert werde.

Biogas im Flex-Betrieb: Hackschnitzeleinsatz nur noch an wenigen Tagen

2016 hat Günter Gnann seine Biogasanlage auf flexiblen Betrieb umgestellt. Anstatt zur Spitzenlastabdeckung wird die Hackschnitzelanlage seitdem nur noch für den „Notfall“ gebraucht: an wenigen extrem kalten Tagen und als Backup, wenn auf der Biogasanlage Wartungs- oder Reparaturarbeiten anstehen. Der Anteil der Biogaswärme konnte somit von rund 75 % auf 96 % gesteigert und in der Folge der Wärmepreis von 7 auf 6 Cent/kWh gesenkt werden. Von der Biogasanlage kann die EGR maximal 4 Mio. kWh Wärme im Jahr beziehen. Über das Nahwärmenetz verkauft sie derzeit circa 2,2 Mio. kWh. Das entspricht 220.000 Liter Heizöl, die nicht verbraucht werden.

Diese Zahl ist in Reichenbach nicht nur blanke Theorie, denn tatsächlich hatten die meisten Abnehmer zuvor mit Öl geheizt. Außerdem wurden ein paar Nachtspeicheröfen ersetzt. Nach rund vier Jahren ist Blaser sehr zufrieden: „Wir kriegen positive Resonanzen aus der Bürgerschaft und von anderen Gemeinden Anfragen, wie man so ein Projekt umsetzt.“ Sukzessive werde das Netz nun erweitert und bei weiterhin positiver Entwicklung prognostiziert er, dass die Genossenschaft in elf bis zwölf Jahren schuldenfrei sei.

Einen Bericht über die Energiegenossenschaft Gussenstadt, Gemeinde Gerstetten, können Sie in BWagrar, Ausgabe 2/2019, lesen.

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