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Bauerntag Ostalb in Heuchlingen

Bauern brauchen mittelstandsorientierte Politik

Die moderne Landwirtschaft hat Zukunftsperspektiven. Damit diese realisiert werden können, müssen die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen allerdings stimmen. Besonders wichtig sind weniger Belastung durch Bürokratie, mehr unterneh-merischer Freiraum und Vertrauen in die Fachkompetenz der Bauern. Das erklärte Joachim Rukwied, Präsident des Landes- (LBV) und des Deutschen Bauernverbandes (DBV), auf dem Bauerntag des Bauernverbandes Ostalb am 6. März 2015 in Heuchlingen.
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Hauptredner Joachim Rukwied: Kämperisch, mit klaren Worten und Forderungen erhält der LBV- und DBV-Präsident auf der Ostalb viel Applaus.
Hauptredner Joachim Rukwied: Kämperisch, mit klaren Worten und Forderungen erhält der LBV- und DBV-Präsident auf der Ostalb viel Applaus.Krehl
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Moderne Ställe bringen höheren Tierschutz

Bei Neubauten werden nur noch Boxenlaufställe errichtet, die mehr Tierschutz als die traditionelle Anbindehaltung bieten, greift Rukwied gleich zu Beginn seiner Rede die Aussagen Webers zur Rinderhaltung auf. Nichtsdestotrotz gäbe es in vielen kleineren Betrieben noch Anbindehaltung.

Bauerntag Ostalb am 6. März 2015 in Heuchlingen (vorne von links): Geschäftsführer Johannes Strauß, Landrat Klaus Pavel, Vorsitzender Anton Weber (2. von rechts), Präsident Joachim Rukwied. © Krehl

In den vergangenen zwei Jahrhunderten sei diese Haltungsform von Rindern Tradition gewesen. Die Bauern hätten damit die Tiere gut gehalten und setzten teils noch heute diese Tradition fort. „Wer das abrupt ändern will, macht unsere kleinen Betriebe kaputt. Das wollen wir nicht!“, ruft Rukwied und erhält kräftig Applaus.

Motivation wichtig für Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft

Auf die Frage Webers eingehend, zeigt sich der Präsident zutiefst überzeugt, dass die Landwirtschaft Zukunft hat. Denn ohne Bauernfamilien, die für Nahrung sorgen, habe das Land, hätte die Bevölkerung keine Zukunft.

Aus der Frage zur Zukunft der Landwirtschaft, die jeder Landwirt für seinen Betrieb stelle, leitet Rukwied Folgefragen ab, zum Beispiel:

  1. Wie werden wir als Berufsstand von der Gesellschaft begleitet?
  2. Welche Rahmenbedingungen setzt die Politik?
  3. Wie entwickeln sich die Märkte?
  4. Welche Chancen im Wettbewerb haben die Bauern?
  5. Was können die Betriebe selbst machen, um zukunftsfähig zu sein?

Perspektiven ergäben sich allein schon aus dem Bevölkerungswachstum von sieben auf acht und mehr Milliarden Menschen, die zu versorgen sind! Dazu werden mehr Lebensmittel benötigt. Also bietet der Markt Chancen. Die Frage stelle sich dabei, ob die hiesige Landwirtschaft in der Lage ist, die Nachfrage bedienen zu können. „Eindeutig Ja!“ sagt dazu der Präsident: „Wir erzeugen Spitzen-Nahrungsmittel, die gesund und nachgefragt sind. Das ist eine Stärke von uns!“ Deshalb gibt er sich optimistisch! „Wir sind bestens ausgebildet und hoch motiviert!“, betont er. Gerade Letzteres sei eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit! „Wir haben die persönlichen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen, um am Markt die Chancen nutzen zu können“, ist Rukwied überzeugt.

Große Resonanz: Der DBV-Präsident versprach Spannung und belebte die Diskssion beim Bauerntag auf der Ostalb © Krehl


Zukunftsfähigkeit braucht Wertschätzung der Gesellschaft

Auf die politischen Voraussetzungen kommend, unterstreicht er: „Die Zukunftsfähigkeit kann nur gelingen, wenn die Gesellschaft uns wertschätzt! Fragt man in der Bevölkerung wirklich nach – und nicht nur auf Sozialen Netzwerken – dann ist unser Beruf stark anerkannt; wir liegen auf Rang drei! Unsere Aufgabe ist es mitzuwirken, wieder ein besseres, realistisches Meinungsbild von unserer Branche auch in den Medien zu bekommen! Die Politik muss uns dabei unterstützen!“

Belastung durch Bürokratie abbauen, fordern die Bauern

2200 Vorgaben für die Bauern gibt es, welche Cross-Compliance bewehrt sind. „Diese könnten mindestens auf die Hälfte reduziert werden“, ist sich Rukwied ganz sicher! Der Präsident spricht direkt die Politiker an: Wir brauchen die Neuorientierung zu mittelstandsfreundlicher Politik!“

Seine Forderung, die Belastung durch die ständig wachsende Bürokratie abzubauen, macht der Bauernpräsident an mehreren Beispielen fest.

Dünge-Verordnung wird Ansprüchen in der Praxis nicht gerecht

Dünge-Verordnung: „Die Novelle wird kommen; wir können sie nicht verhindern“, so Rukwieds realistische Sichtweise. „Sie wird unseren Ansprüchen und Notwendigkeiten in der Bewirtschaftung jedoch nicht gerecht“, analysiert er. „In Baden-Württemberg haben wir Vorbildfunktion im Gewässerschutz. In 30 Jahren sind die Nitratgehalte im Grundwasser um über 30 Prozent gesunken. Das ist aktiver Umweltschutz, nicht nur geredeter wie von Umweltverbänden“, meint der Präsident. Er fordert, zukünftig bei den Meldungen nach Brüssel auf ein repräsentatives Messstellennetz zurückzugreifen. Dann wären 85 Prozent in Ordnung. Hätte die Politik das seinerzeit gemacht, bräuchte man heute keine Dünge-Novelle.

Werde der rechnerische Stickstoff-Überschuss von 60 auf 20 kg N reduziert, könne Gülle nicht mehr fachgerecht verwertet werden. Nach harten Kämpfen sei es gelungen, die Gülleausbringung auf Acker bis 1. Oktober und auf Grünland - mit entsprechender Flexibilität - bis vier Wochen später zu ermöglichen. Geplant war, die Gülleausbringung bereits ab 1. August zu verbieten. „Wir brauchen hier grundsätzlich Flexibilität“, erklärt Rukwied. Bei der Lagerung von Jauche, Gülle und Silage-Sickersaft (JGS) fordert er Bestandsschutz für sämtliche Altanlagen. Der Beifall des Landrats bestärkt ihn in seiner Forderung.

Präsident Joachim Rukwied auf der Ostalb: Kämpferische und überzeugende Rede beim Bauerntag 2015 in Heuchlingen. © Krehl

Ferner soll ein Phosphat-Deckel eingeführt werden. Das habe jedoch mit der N-Ausbringung nichts zu tun und hätte massive Folgen insbesondere für rinderhaltende Betriebe. Diese könnten letztlich betriebseigene Gülle gar nicht mehr verwerten, weil sie Phosphat enthält. Deshalb müssten sie Mineraldünger zukaufen: „Das wäre Unsinn pur!“ spricht der Bauernpräsident Klartext. Die Regierungskoalition müsse hier Bundesminister Christian Schmidt den Rücken stärken. „Die bedarfsgerechte Düngung muss weiter möglich sein!“, fordert Rukwied.

Zulassung von Pflanzenschutzmitteln: Ohne von Pflanzenschutz ist die fachgerechte Produktion von Lebensmitteln nicht möglich. Brüssel würde jedoch die Zulassung massiv erschweren. Würde so auch bei Humanpharmaka vorgehen, müssten man Arzneimittel für Menschen häufig verboten werden. Rukwied: „Dieser Vorschlag muss vom Tisch!“.

Mogelpackung für landwirtschaftliche Betriebe

Mindestlohn: Als „Mogelpackung und schädlich für Bauernbetriebe“ bezeichnet Rukwied das Mindestlohngesetz. Es führe in der Landwirtschaft wirtschaftlich zum Desaster.“ Er habe Verständnis, dass Arbeitnehmer ihre Familie ernähren können wollten. Aber der Mindestlohn müsse auch zur Region passen, aus der die Saisonkräfte stammen. In Deutschland herrsche ein anderes Kostenniveau als beispielsweise in Polen oder anderen Ländern Osteuropas vor. Die Festlegung von Löhnen solle die Politik der Tarifhoheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen, fordert der DBV-Präsident.

Rukwied kritisiert heftig die Dokumentation der Arbeitszeiten. Diese gilt auch für mitarbeitende Familienangehörige: „So ein Unsinn muss vom Tisch“, formuliert er unmissverständlich. Das gelte ebenso für die Dokumentationspflichten bei 450 Euro-Jobs. „Es geht um die Existenz“, verweist er auf die wirtschaftliche Situation und zugleich einen wichtigen Anlass für die Großdemonstration am 2. März 2015 am Bodensee (BWagrar 10/2015, Seiten 6 bis 9).

Launige Worte beim Dank an den Präsidenten: Vorsitzender Anton Weber (links) kündigte nebenbei nach über zwölf Jahren seinen Rücktritt als Kreisvorsitzender an, um das Amt in jüngere Hände zu legen. © Krehl

Flächenverbrauch: Die Petition der Bauern sei nicht sinnlos gewesen. Aber jetzt müsse die Bundeskompensationsverordnung sinnvoll geändert werden. Die naturschutzrechtliche Kompensation mit landwirtschaftlicher Nutzfläche zusätzlich zum Flächenverbrauch müsse ein Ende haben. Die Kompensation könne künftig geldlich erfolgen und so bestehende Naturschutzflächen in ihrer Qualität aufgewertet werden. Das wäre zukunftsorientierter Naturschutz, meint Rukwied.

Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) solle verhandelt werden, um zu einem Abschluss zu kommen, „aber nicht um jeden Preis! Unsere Standards müssen erhalten bleiben“, betont der Präsident.

Zur Zukunftssicherung Änderungen notwendig
Die in Baden-Württemberg relativ klein strukturierte Landwirtschaft hat Zukunft. Davon ist Rukwied überzeugt. Aber einige Dinge müssten sich dazu grundsätzlich ändern.

  1. Die Bürokratie muss reduziert werden. Das will EU-Agrarkommissar Phil Hogan ernsthaft angehen. So schnell wie kein anderer hat dazu der Deutsche Bauernverband (DBV) Vorschläge vorgelegt.
  2. Die Landwirtschaft muss wettbewerbsfähiger werden.
  3. Die von der EU angekündigte europäische Exportstrategie muss realisiert werden. Zwar sind Baden-Württemberg und Deutschland der Kernmarkt. Aber die Wachstumsmärkte liegen außerhalb Europas. Deshalb muss sich die deutsche Landwirtschaft besser und breiter aufstellen, was auch das Russland-Embargo zeigt.


Fazit: Gemeinsam kämpfen

Von der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft auch in Baden-Württemberg ist Präsident Rukwied überzeugt. „Es gibt zwar viele Hürden. Doch wir können diese aus dem Weg räumen, wenn wir als starke Gemeinschaften kämpfen. Dann können wir in Zukunft bestehen. Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen. Ich will meinen Teil dazu beitragen.“

Bauern geben der Kulturlandschaft das Gesicht

„Müssen wir angesichts der massiven Angriffe von Tierschützern resignieren?“ fragt Anton Weber in seiner Ansprache. Ihn macht es nachdenklich, wie das Bildmaterial zustande kommt. Hier gehe es nicht um Tierschutz sondern darum, in bestimmte Sendungen zu kommen. Ziel der Naturschützer sei es, Fläche aus der Produktion zu nehmen. Ihr Idealbild bestünde häufig aus Streuobst, Hecken und Biber. Weber hat viele Patenschaften für Streuobstbäume. Die Nachfrage danach sei jedoch sehr gering, berichtet er enttäuscht.

Vorsitzender Anton Weber bei der Eröffnung © Krehl

„Die Politik macht sich nicht für uns Tierhalter stark“, bedauert Weber. Die Mehrheit der Bevölkerung wolle auch einmal ein Stück Fleisch verzehren. Er erwartet deshalb, „dass die Politik dahinter steht“ und unterstreicht: „Wir geben der Kulturlandschaft das Gesicht, nicht einige wenige, die sich wegen ein paar Biotopen rühmen. Wir pflegen Hunderte von Biotopen!“

„Wir leben in einer Gunstregion in Europa“, meint der Vorsitzende des Bauernverbandes Ostalb. „Wir müssen zusammenstehen und dürfen nicht resignieren.“ Der Durchschnitt der Bevölkerung gäbe „nur rund zehn Prozent für Lebensmittel aus.“ Warum? „Weil wir günstig produzieren, gut und effizient, und weil wir eine gute Ausbildung haben, auch weil uns der Landkreis großzügig bei Schulen und in der Ausbildung unterstützt“, meint Weber.

Vermeintliche Tierschützer machen kleine Betriebe kaputt

Heftig attackiert Weber, auch Vize-Aufsichtsratschef der Hohenloher Molkerei, Anzeigen zur Anbindehaltung in Bayern und schriftliche Nachfragen bei Molkereien, ob sie Milch aus Anbindehaltung verarbeiten. So wollten die Fragesteller wissen, wie groß der Anteil angebundener Tiere an einzelnen Produkten ist und ob die Milcherzeugnisse entsprechend gekennzeichnet werden. Kleine Betriebe mit Anbindehaltung „werden so kaputtgemacht“, spricht der Vorsitzende Klartext: „Dagegen müssen wir uns massiv wehren. Das lassen wir uns nicht gefallen.“

Verlässliche Partner der Landwirtschaft

„Die Mitarbeiter des Landratsamtes sind verlässliche Partner der Landwirtschaft.“ Das betont gleich zu Beginn seines Grußwortes Landrat Klaus Pavel. Das Thema ‚Zukunftsfragen einer modernen Landwirtschaft‘ passe in die heutige Zeit. Im Ostalbkreis bestünde Interesse, wie die Zukunft der Landwirtschaft aussieht. „Was können wir tun, damit wir 2020 so dastehen wie heute?“, fragt Pavel und meint: „Momentan stehen wir gut da.“ Hinsichtlich der Landwirtschaft habe er keine so große Sorge. Den landwirtschaftlichen Betrieben sei es bisher immer gelungen, die Weichen rechtzeitig zu ändern.

Landrat Klaus Pavel (2. von links; rechts daneben Bürgermeister Peter Lang) sagte die Unterstützung der Verwaltung für die Landwirte zu. © Krehl

In den vergangenen hundert Jahren hätten sich beispielsweise die Getreideerträge um 100 Prozent erhöht, die Effizienz sei enorm gesteigert worden, die Tierbestände hätten sich um das Vier- bis zum Sechsfachen erhöht! Der Pflanzenschutzmittel-Aufwand habe sich deutlich um mehr als die Hälfte reduziert. Das müsse man auch einmal sagen. Die Produktivität sei in der Landwirtschaft höher als in anderen Branchen.

Der Preisdruck im Lebensmitteleinzelhandel sei nirgends so hoch wie in Deutschland. Eine Ursache liege in der rasanten Änderung der Strukturen in den vergangenen Jahren. Diese Entwicklung stoße jedoch zunehmend an Grenzen: Baukosten, Pachten und andere Betriebskosten steigen. Deshalb seien verstärkt auch Strategien des inneren Wachstums und der Senkung der Kosten im Gesamtbetrieb gefragt. „Wir können stolz auf die Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe auf der Ostalb sein. Sie sind starke Garanten der Lebensmittelerzeugung und der Pflege der Kulturlandschaft. Aber es bleibt keine Zeit, sich auf den erreichten Erfolgen auszuruhen“, erklärt der Landrat.

„Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) wird uns massiv unter Druck setzen.“ Davon ist Pavel überzeugt. „Für mich besteht etwas die Gefahr, dass die Landwirtschaft bei diesem Deal zu kurz kommt“, rät der Landrat deshalb zum Aufpassen.

„Ich versichere, der Landkreis steht auf Ihrer Seite!“ betont Pavel und meint, das auch für die Gemeinden sagen zu können. „Wir haben immer noch einen starken bäuerlichen Berufsstand auf der Ostalb. Das soll so bleiben!“.

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