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Europaexperte beim Landesbauernverband

Der Brexit ist möglich

Am Donnerstag kommender Woche stimmen die Briten über ihren Verbleib in der Europäischen Gemeinschaft ab. Die Entscheidung steht wenige Tage zuvor Spitz auf Knopf, wie Dr. Nicolai von Ondarza, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin) bei der Mitgliederversammlung des Landesbauernverbandes am Donnerstag, 16. Juni 2016 in Fellbach berichtete.

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Dr. Nicolai von Ondarza ist Gastredner bei der LBV-Mitgliederversammlung
Dr. Nicolai von Ondarza ist Gastredner bei der LBV-MitgliederversammlungFoto: Fischer
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„Die Stimmung kippt gerade“, schilderte Dr. von Ondarza die Stimmung unter den Wählern in Großbritannien. Während lange Zeit die Befürworter eines Verbleibs Großbritanniens in der EU die Nase vorn hatten, zeigten jüngste Umfrageergebnisse einen knappen Vorsprung des Austrittslagers. „Es steht hart auf hart“, kennzeichnete der Wissenschaftler das Meinungsbild. Aus seinem eigenen Standpunkt machte er keinen Hehl: Er hoffe, dass am Ende der gesunde Pragmatismus der Briten die Oberhand behält und sie bei nüchterner Beurteilung zu der positiven Einsicht gelangen, dass ein Verbleib in der EU größere Vorteile hat als ein Austritt.

Kein Ende der Gemeinschaft

Gleichzeitig trat von Ondarza Ansichten auf europäischer Ebene entgegen, der Austritt Großbritanniens sei eine Katastrophe und läute das Ende der Gemeinschaft ein. Selbst bei einem negativen Ausgang des Referendums würden die Briten nicht abrupt aus der EU ausscheiden. Zunächst würden dann Verhandlungen über den Trennungsprozess aufgenommen, und bis die bestehenden Verbindungen auf allen Ebenen neu geregelt wären, könne das rund zehn Jahre in Anspruch nehmen.

Der Gastredner er LBV-Mitgliederversammlung beleuchtete in seinem Vortag zwei Zukunftsszenarien: Wie wird sich die Zusammenarbeit Großbritanniens mit der EU bei einem Verbleib beziehungswiese bei einem Austritt aus der Gemeinschaft weiterentwickeln?

Sonderstatus wird noch ausgeprägter

Ein „weiter so wie bisher“ wird es nach Ansicht von Ondarzas auch bei einem Verbleib Großbritanniens in der EU nicht geben. Dagegen sprächen nicht nur die Zugeständnisse, die Premierminister David Cameron für den Fall der weiteren Mitgliedschaft ausgehandelt habe. Dazu gehört beispielsweise die Zusicherung, dass sich Großbritannien nicht an weiteren Integrationsschritten der EU beteiligen muss, oder dass Arbeitnehmern aus den europäischen Mitgliedstaaten geringere Sozialleistungen gewährt werden müssen als britischen Arbeitnehmern.

Die wirkliche Klammer ist der Binnenmarkt

Insgesamt sieht von Ondarza bei einem positiven Ausgang des Referendums noch nichts erreicht im Sinne einer weiteren Integration der Gemeinschaft. Im Grunde sei Großbritannien nur an den Vorzügen des Binnenmarktes interessiert. Die ausgehandelten Zugeständnisse dagegen würden Europa nur noch weiter auseinander dividieren.

Das zweite Szenario, der Austritt, hat nach Ansicht von Ondarzas weitreichende Konsequenzen, wobei der künftige Status Großbritanniens zur EU zunächst ausgehandelt werden müsse. Dabei spiele die weitere Zusammenarbeit im Binnenmarkt eine entscheidende Rolle. Denkbar wäre eine enge Anlehnung an den assoziierten Status Norwegens. Aber auch eine weitergehende Lockerung der Beziehungen in einem Freihandelsabkommen oder sogar der Status eines außereuropäischen Drittlandes wären denkbar. Jedenfalls seien langwierige und harte Verhandlungen zu erwarten. Gleichzeitig sei vorauszusehen, dass ein Austritt negative Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen mit Deutschland hat.

Immer mehr eurokritischge Stimmen

Unabhängig vom britischen Referendum haben die europaskeptischen Stimmen nach Aussage von Ondarzas in der Gemeinschaft an Bedeutung gewonnen, was sich durchaus als existenzielle Krise Europas deuten ließe. Die Herausforderungen für die Gemeinschaft kämen häufiger und in schnellerer zeitlicher Abfolge. So sei zum Beispiel die Euro-/Griechenlandkrise in den Medien und im Bewusstsein der Bürger schnell und umfassend von der Flüchtlingskrise abgelöst worden; sie existiere jedoch weiterhin und sei auch nicht weniger gefährlich geworden.

Europa habe zwar an Vertrauen eingebüßt, so das Fazit von Dr. von Ondarza, es sei dennoch stärker als häufig dargestellt. Wichtig sei, dass das verloren gegangene Vertrauen wieder zurück gewonnen wird. Das gelinge nicht mit Ankündigungen und umfangreichen weiteren Integrationsschritten, sondern nur mit gut begründeten und ausreichend kommunizierten kleinen Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft. Die Menschen müssten wieder an den „Mehrwert“ der EU glauben.

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