Runde zwei im Branchendialog
Auf Einladung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt wurden am 15.9. in Berlin die brachliegenden Potentiale im deutschen Molkereisektor thematisiert. Nachdem EU-Kommission und Bundesregierung in den vergangenen Monaten verschiedene Maßnahmen erlassen haben, um zumindest ein Signal der Unterstützung in Richtung der Milchbauern zu geben, wurden insbesondere die Möglichkeiten ausgelotet, mit denen der deutsche Milchsektor als Ganzes im internationalen Wettbewerb besser aufgestellt werden kann.
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Teilnehmer waren hochrangige Vertreter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), des Verbandes der Privaten Milchwirtschaft (VBPM) sowie des Milchindustrie-Verbandes (MIV). Wirtschaft und Politik diskutierten die von Brüssel bisher ergriffenen Hilfsmaßnahmen für die Landwirte. Bereits im September 2015 stellte Brüssel den EU-Mitgliedstaaten 500 Mio. € für verschiedene Maßnahmen wie Liquiditätshilfen zur Verfügung. Die im Jahr 2016 eingeräumten 500 Mio. € aus dem aktuellen Paket werden gerade zur Verteilung gebracht, der Schwerpunkt der EU-Mittel liegt auch hier wieder in der Unterstützung der Milcherzeuger. Daneben unterstützt die EU den Milchmarkt mit dem Herauskauf von Magermilchpulver in die Intervention und Zuschüssen zur privaten Lagerhaltung.
Lösung muss gemeinsam gefunden werden
Der Milchbauernpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, nahm teil und begrüßte die Ergebnisse des Gespräches: „Bedeutende Akteure des deutschen Milchsektors haben sich heute bereit erklärt, einen Branchendialog zwischen den großen Genossenschaftsmolkereien und den Landwirten zu etablieren, um eine verbesserte Abstimmung untereinander zu ermöglichen. Wir teilen die Auffassung dieser Molkereien, dass hierbei die Bereiche Absatz- und Innovationsförderung ganz oben auf der Agenda stehen sollten. Auch der vorgesehene Austausch über Instrumente der Risikoabsicherung kann für kommende Krisen nur förderlich sein.“
„Im Gespräch wurde auch deutlich, dass modernere Instrumente in den Lieferbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien in die Praxis zu bringen sind. Derzeit liegt das Preisrisiko in zunehmend schwankenden Märkten ausschließlich beim Milchbauern. Das kann mit Blick in die Zukunft keine befriedigende Lösung für den gesamten Milchsektor sein, wenn flächendeckend eine bäuerliche Milchviehhaltung erhalten bleiben soll. Allgemeinverbindliche Vorgaben sowohl von Seiten der Politik als auch von Branchenverbänden können jedoch bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen im deutschen Milchsektor keine Lösung sein. Dafür sind die strukturellen Unterschiede zu groß“, erklärte Milchbauernpräsident Schmal.
In den kommenden Wochen werden der DBV und die Beteiligten des Molkereisektors mögliche Optionen zur Etablierung eines Branchendialogs erörtern. Hierbei ist unter anderem zu prüfen, ob ein Branchendialog als Branchenverband anerkannt werden muss, um Mittel aus der EU-Absatzförderung abrufen zu können. Der DBV stellte klar, dass ein Branchenverband in Deutschland keine allgemeinverbindlichen Mengenabstimmungen vornehmen kann und sollte.
Molkereisektor verschließt sich nicht mehr in Gänze
Eine Absage erteilt der MIV den Plänen zur Gründung eines Branchenverbandes nach europäischem Recht. „Wir haben genug Verbände und Organisationen in Deutschland. Diese sind für die geforderten Aufgaben bestens aufgestellt“, so der Vorsitzende Peter Stahl. Auch das Thema Lieferbeziehungen ist nicht neu und die Molkereien stehen bereits seit langem in einem intensiven Austausch mit ihren Milcherzeugern, wie die Vertreter der Molkereien berichten konnten. Viele unterschiedliche Modelle kommen dabei in Deutschland derzeit zur Anwendung. „Es hat sich bewährt, dass die Wirtschaftsbeteiligten untereinander Verträge regeln, der Staat sollte sich hier nicht einmischen“, stellt Peter Stahl hierzu fest, „und wir sind dem Minister dankbar, dass auch er hier keine allgemeinverbindlichen Regelungen anstrebt.“
Ein weiterer „Milchdialog“ ist erforderlich und wird unter der Leitung des Ministeriums fortgesetzt. Dabei soll unter anderem die Rolle der Exportförderung mit Hilfe der deutschen GEFA angesprochen werden.
Der Milchindustrie-Verband setzt auch in der derzeitig schwierigen Situation auf die Marktkräfte. Kurzfristige nationale Mengeneingriffe oder ein Zurück zu einer Quotenregelung werden als nicht hilfreich erachtet. So geht die Milchanlieferung bereits europaweit zurück, bevor die Mengenreduktionsprogramme seitens Brüssel überhaupt greifen. „Der Markt funktioniert“, führt Stahl aus, „ich erwarte weiter sich deutlich verbessernde Erlöse und steigende Milchauszahlungspreise in den nächsten Monaten. Das Landwirtschaftsministerium kann uns im Bereich der Absatzmärkte unterstützen, indem offene Veterinärfragen beseitigt und Absatzmärkte für die Molkereien geöffnet.
Landwirtschaftsminister geht auf Situation ein
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt äußerte sich in einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Milchstrukturgespräches vor Journalisten in Berlin:
„Bevor ich zu dem Ergebnis des heutigen Gespräches komme, möchte ich vorab einige Vorbemerkungen zur Einordnungen machen:
Wir als Bundesregierung unterstützten die deutsche Landwirtschaft in dieser schwierigen Phase. Die Bäuerinnen und Bauern können sich auf unsere Hilfe verlassen. Unser Ziel sind vitale ländliche Räume, dafür ist die Landwirtschaft ein wichtiger Schlüssel. Deshalb ist es unser gemeinsames Interesse, die Existenz unserer bäuerlichen Familien zu sichern. Ich habe es bereits mehrfach gesagt: Ein Strukturbruch käme unsere Gesellschaft teuer zu stehen. Dazu haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten eine ganze Reihe von Existenzsicherungsmaßnahmen auf den Weg gebracht:
- Anfang des Jahres hatten wir ein erstes EU-Liquiditätshilfepaket mit fast 70 Mio. Euro für deutsche Landwirte.
- Wir haben die Land- und Forstwirtschaft um zusätzliche 78 Mio. Euro bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung im Jahr 2016 entlastet und werden dies auch 2017 tun.
- Im Moment arbeiten wir mit Hochdruck an der Umsetzung des zweiten EU-Hilfspaketes. Ein erstes 150 Mio. -Programm zur Mengenreduzierung ist in dieser Woche angelaufen. In der zweiten Maßnahme wird Deutschland die EU-Gelder mit Mitteln des Bundes verdoppeln und somit 116 Mio. Euro zur Verfügung stellen.
Wir haben allein jetzt schon Unterstützung in Höhe von mehr als 340 Mio. Euro geleistet oder werden sie noch leisten. Durch die steuerliche Entlastung und Gewinnglättung sowie ein Bürgschaftsprogramm werden wir zusätzliche Unterstützung bereitstellen. Mit über 340 Mio. Euro Unterstützung leisten wir einen starken Beitrag zur Existenzsicherung der deutschen Landwirtschaft. Aber: Mit finanziellen Hilfen allein werden wir die Krise dauerhaft nicht überwinden können. Wir müssen den Ursachen der Milchmarktkrise entgegenwirken. Und hier sehe ich zuerst die Milchbranche selbst in der Verantwortung.
- Wir brauchen zukunftsfähige und anpassungsfähige Marktstrukturen.
- Wir brauchen eine bessere Abstimmung zwischen den Absatzmöglichkeiten von Milchprodukten und dem Rohmilchangebot.
- Und wir müssen bei den Marktrisiken zwischen Erzeugern, Molkereien, Lebensmitteleinzelhandel und Verbrauchern eine bessere Balance finden.
Die notwendigen Strukturanpassungen kann aber nicht nur der Staat regeln. Hier sind die Marktbeteiligten in der Verantwortung. Ich habe deswegen heute die Milchbranche eingeladen, um mir berichten zu lassen, welche Fortschritte die Branche in den letzten Wochen gemacht hat. Ich hatte im Mai den Startschuss für einen Branchendialog gegeben. Erfreut kann ich feststellen, dass sich die Branche trotz mancher Vorbehalte und Diskussionen auf den Weg gemacht hat. Positiv möchte ich bemerken, dass große Teile der Milchbranche in der Frage eines Branchendialoges ein konkretes Stück vorangekommen sind. Die Bereitschaft ist da, gemeinsame Wege bei der Vermarktung im In- und Ausland, bei Markenbildung und Kommunikation sowie auch bei Strukturfragen zu gehen. Das begrüße ich ausdrücklich. Beim Aufbau dieses Branchendialoges werden wir die Beteiligten mit Rat und Tat unterstützen. Ich werde auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen mit der Branche sprechen – sodass wir insbesondere auch die kartellrechtlichen Auswirkungen im Auge haben.
Was ich nicht will, dass wir ein staatliches Regulatorium über Menge und Preise haben, sondern dass sich dieses aus dem Markt und von den Marktteilnehmern heraus entwickelt. Der Staat wird weder Menge noch Preise diktieren können oder wollen.
Wenn unternehmerische Freiheit eingefordert wird, dann muss aber auch die faire Risikoverteilung in der gesamten Branche stattfinden. Ausdrücklich müssen dabei die Bauern von der gegenwärtigen Situation entlastet werden, dass sie das Marktrisiko de facto in großen Teilen alleine tragen. Das hält die Landwirtschaft nicht aus.
Wir werden noch im November zur nächsten Sitzung zusammentreffen. Bis dahin sind Hausaufgaben zu erledigen, die die Branche zugesagt hat, anzugehen. Ich bin sehr froh, dass dieser erste wichtige Schritt gelungen ist. Und dass ich davon ausgehen kann, dass die Branche ihrer Verantwortung für alle in der Wertschöpfungskette auch gerecht wird.“
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