Hat Rübenanbau im Südwesten Perspektiven?
Dr. Hans-Jörg Gebhard forderte in BWagrar 47/2020, Seite 10, die Notfallzulassung für Beizmittel mit Neonicotinoiden. Nachdem diese kurz vor dem Jahreswechsel erfolgte, fragten wir den Landwirt und Vorsitzenden der Zuckerrübenanbauer, wie er die Perspektiven des Rübenanbaus im Südwesten einschätzt und was jetzt politisch anzugehen ist.
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Hans-Jörg Gebhard im Interview
Hat der Rübenanbau im Land Perspektiven?
Dr. Hans-Jörg Gebhard, Landwirt aus Eppingen (Landkreis Heilbronn), ist Vorsitzender des Verbandes Süddeutscher Zuckerrübenanbauer, der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker und des Aufsichtsrates der Südzucker AG. In BWagrar 47/2020 (Seite 10) forderte er die Notfallzulassung für Beizmittel mit Neonicotinoiden. Nachdem diese kurz vor dem Jahreswechsel erfolgte, fragten wir Gebhard, wie er die Perspektiven des Rübenanbaus in Baden-Württemberg einschätzt und was jetzt politisch anzugehen ist.
BWagrar: Herr Dr. Gebhard, der Ruf der Rübenanbauer-Verbände im Einklang mit dem Bauernverband wurde erhört. Kurz vor Weihnachten 2020 wurde die Notfallzulassung für Beizmittel mit Neonicotinoiden erteilt. Reicht das, um die Vergilbungs-Viren und andere Krankheiten in Schach zu halten?
Gebhard: Über die regional begrenzten und in letzter Sekunde gewährten Notfallzulassungen des Beizmittels Cruiser für den Anbau 2021 freuen wir uns einerseits sehr. Sie sind dringend notwendig, weil die viröse Vergilbung vor allem im Südwesten schon 2020 gravierende Ertragsausfälle verursacht hat.
Andererseits lassen die begrenzten regionalen Zulassungen zwei Drittel der Rübenanbaufläche in Deutschland ohne Schutz zurück. Es bleibt nur die vage Hoffnung, dass die Vergilbung nicht auch die übrigen Regionen befällt.
Darüber hinaus kämpfen wir Rübenanbauer mit anderen Krankheiten und Schädlingen. Bis unsere Bemühungen um neue züchterische und anbautechnische Lösungen Erfolg haben, kann es noch einige Zeit dauern. Neue Züchtungstechniken, wie die Genschere, könnten uns da sehr helfen.
BWagrar: Was steht im gerade begonnenen neuen Jahr in der Politik und Wirtschaft selbst an, um den Zuckerrübenanbauern und der gesamten Zuckerwirtschaft im Südwesten eine Perspektive zu geben?
„Die EU-Kommission lässt weiterhin gekoppelte Zahlungen in mehr als der Hälfte der zuckererzeugenden Mitgliedstaaten zu. Fairer Wettbewerb sieht anders aus. Wenn die anderen nicht damit aufhören, wollen wir auch Anbauprämien für Zuckerrüben.“
Gebhard: Über die pflanzenbaulichen Probleme hinaus leiden Rübenanbauer und Zuckerunternehmen seit 2017 auch unter einer Marktkrise. Seitdem liegt der Marktpreis unter der Referenzschwelle von 400 Euro pro Tonne. Dagegen hat die EU-Kommission bisher gar nichts unternommen. Sie lässt unter anderem weiterhin gekoppelte Zahlungen in mehr als der Hälfte der zuckererzeugenden Mitgliedstaaten zu. Fairer Wettbewerb sieht anders aus.
Wenn die anderen nicht damit aufhören, wollen wir auch Anbauprämien für Zuckerrüben. Dabei lohnt sich der Einsatz für die Zuckerrübe auch für den Klimaschutz. Eine regionale Zuckerwirtschaft kann entscheidend zu den Nachhaltigkeitszielen beitragen, etwa in Sachen Energieeffizienz, Nitratabbau oder modernem Pflanzenschutz.
Die Coronakrise hat zudem deutlich gemacht – die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln ist wichtig. Rübenzucker gehört als Grundnahrungsmittel dazu. Das haben auch die Verbraucher in den letzten Monaten erkannt.
BWagrar: Südzucker wirbt im Land um mehr Rübenanbauer. Wie steht es um den Verarbeitungs-Standort Offenau? Was ist zu tun, um ihn nachhaltig zu sichern?
„Wenn es in Europa fairen Wettbewerb gibt, steht Offenau wieder gut da. Hier ist die Politik in hohem Maße in der Pflicht.“
Gebhard: Offenau ist eine moderne Zuckerfabrik in einem leistungsfähigen Anbaugebiet. Durch die oben genannten Probleme hat sie allerdings - wie andere Zuckerfabriken in Europa auch - Anbaufläche verloren, so dass die Kampagnenlaufzeit zuletzt unerfreulich kurz geworden ist.
Deshalb hat der baden-württembergische Rübenanbauerverband gemeinsam mit Südzucker eine „Rübenoffensive“ gestartet. Als erste Maßnahme haben wir ein „Sicherheitsnetz“ eingeführt, das im Falle des Auftretens der Rübenkrankheit SBR (Syndrom niedriger Zuckergehalte) wirtschaftlich stabilisierend wirkt. Weitere werden folgen.
„Und dass mir dieses Werk besonders am Herzen liegt, muss ich sicher nicht extra betonen.“
Wenn es fairen Wettbewerb in Europa - auch im Bereich Pflanzenschutz - und neue Zuckerrübensorten gibt, wird Offenau wieder gut dastehen. Hier ist die Bundes- und Landespolitik in hohem Maße in der Pflicht. Und dass mir dieses Werk besonders am Herzen liegt, muss ich sicher nicht extra betonen.
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