Der Boom geht weiter
Normalerweise findet die Weltleitmesse BIOFACH/VIVANESS im Februar statt. 2022 wird sie ausnahmsweise auf den 26. bis 29. Juli verlegt. Am ursprünglich geplanten Startdatum der Messen am 15. Februar gab es dennoch bereits eine Bio-Branchenbilanz, bei der Messedirektorin Danila Brunner Vertreter der IFOAM und des BÖLW begrüßte. Die Branchen entwickeln sich sehr positiv.
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Neu in der Summer-Edition werden wahrscheinlich Outdoor-Elemente einbezogen. Parallel zur Messe wird wieder ein Kongress stattfinden. Neu dabei ist das Forum Landwirtschaft. Die positiven Effekte der Sommerausgabe: Durch die Verschiebung gehen laut Danila Brunner, Director Exhibitions Biofach und Vivaness, Nürnberg Messe, täglich weitere Ausstellerneuanmeldungen ein. Zur Messe im Sommer werden dann rund 2.500 Aussteller erwartet.
Vorab sprach Danila Brunner bereits mit Vertreter:innen der IFOAM und des BÖLW über die Bio-Branchenbilanz 2020. Politisch werde viel angestoßen für eine enkeltaugliche Zukunft und einen resilienteren Planeten. Neuheiten, neue Konzepte in Handel und Gastro, Transformation durch Digitalisierung, Herausforderung Rohwarenbeschaffung und nachhaltige Verpackungen sind einige der Schlagworte.
Zuwächse in Deutschland
Der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kann in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Jubiläum feiern. Joyce Moewius (BÖLW) teilte die aktuellen Zahlen für Deutschland: Mit 35.716 Höfen wirtschaftet bereits jeder 7. Hof biologisch. Zur ökologisch bewirtschafteten Fläche sind 4,8% dazugekommen, was 81.762 ha entspricht. Etwa zwei Drittel der Bio-Gesamtfläche entfällt auf die Bio-Verband Höfe.
20% der landwirtschaftlichen Betriebe möchten gerne auf die biologische Wirtschaftsweise umstellen. Damit die ambitionerten Bio-Ziele Deutschlands, nämlich 30% der Anbaufläche bis 2030, erreicht werden, wäre allerdings ein jährlicher Flächenzuwachs von 12% vonnöten. Das ist noch nicht erreicht. 2020 betrug die Fläche in Deutschland 10,2%.
Ähnlich sieht es bei der Lebensmittelherstellung aus. Dort ist der Anteil der Hersteller, Abpack- und Gastronomiebetriebe um 7% gewachsen. Seit 2015 sind es 24 % mehr Verarbeitungsbetriebe. Dabei legen die Hersteller verstärkt Wert auf heimische Rohstoffe und regionale Zusammenarbeit. Die Kunden gaben 5,8% mehr Geld für Bio-Lebensmittel aus, nämlich insgesamt 15,87 Mrd Euro und auch die Verkaufsmengen sind 2021 um bis zu 5% gestiegen. Dabei sind die Umsätze bei Biofleisch, Milchalternativen und Butter besonders gewachsen. Bei Pflanzendrinks betrug der Bio-Anteil am Gesamtmarkt 62,4%, bei Fleischersatz 26,6%. Insgesamt beträgt der Bio-Anteil am deutschen Lebensmittelmarkt nun 6,8%.
Bio-Lebensmittel werden an allen Verkaufsstätten des LEH gekauft, aber bei Gemüse, Obst und anderen Frischeprodukten haben die Discounter zugelegt. Bio-Markenprodukte konnten auch ein Plus verzeichnen. Auch die online-Verkaufszahlen von Bio-Lebensmitteln waren wieder hoch.
Situation weltweit
Vom ebenfalls zwanzigjährigen Jubilar FiBL stellte Dr. Helga Willer die weltweiten Zahlen aus dem Jahr 2020 vor, die auch im am Vortag herausgekommenen Buch nachzulesen sind. Wo sonst keine Daten vorlagen, wurden Zahlen von Beratern mit einbezogen. Mit 74,9 Mio ha Gesamtfläche ist ein Zuwachs von 4,1% zu verzeichnen, in 190 Ländern hat der Bioanbau Fuß gefasst. Australien führt die Flächenrangliste mit 36 Mio ha weiterhin sehr deutlich an, aber die lateinamerikanischen Länder wie Argentinien und Uruguay sind im Kommen.
Die meisten Bioproduzenten finden sich in Indien, Äthiopien und Tansania. Deutschland nimmt vor Frankreich weiterhin Platz 2 nach den USA ein, wenn es um den Markt geht, der hierzulande 15,0 Mrd Euro umfasst. Am stärksten wachsen die Märkte in Kanada, China und Deutschland. Für Frankreich lagen Zahlen zur Außer-Haus-Verpflegung vor, die aufgrund der Pandemie auch wegen unterbrochener Lieferketten, Mangel an Verpackungsmaterial, Einschränkungen beim Transport und ausgefallenen Messen von 630 Mio Euro auf knapp über 500 Mio Euro zurückgegangen war.
Den höchsten Pro-Kopf Verbrauch an Bio-Ware hatte wieder die Schweiz, gefolgt von Dänemark, Luxemburg, Österreich und Schweden. Frankreich lag auf Platz 6, Deutschland auf Platz 7 und erst auf Platz 8 und 9 folgen mit den USA und Kanada außereuropäische Länder.
Produktion und Umsatz in Deutschland
Auch Diana Schaak von der AMI sprach von gestiegenen Umsatzzahlen in Deutschland, nämlich 6% mehr Ausgaben für Bio-Lebensmittel und Getränke. Der Naturkosthandel vermeldet rückläufige Zahlen, Direktvermarkter und der online-Handel zeigten sich besonders stark. Jetzt werden 10,8% der Fläche ökologisch bewirtschaftet. Ein Drittel der Hülsenfrüchte sind Öko, ebenso ein Fünftel der Obstfläche. Bei Kartoffeln war ein Plus von 12,4% zu verzeichnen. Von den insgesamt 1,7 Mio ha entfallen 16.000 ha auf den Gemüsebau. Auf Dauerkulturen und Streuobstflächen entfallen 69.000 ha, 880.000 ha sind Biogrünland.
Interessant ist die Entwicklung beim Getreide, wo es jetzt zwar größere Flächen, aber wegen der feuchten Witterung kaum gestiegene Erntemengen zu vermelden gibt: Während die Erntemenge bei Weizen, Roggen, Gerste und Triticale abgenommen hat, ist diese beim Hafer im Vergleich zum Vorjahr um 26% und beim Dinkel um 47% gestiegen. Das hat zur Folge, dass Roggen, Gerste und Triticale knapp sind und Futtergetreide deutlich teurer geworden ist - für tierhaltende Betriebe eine schwierige Situation. Die Produktion von Bio-Rindfleisch ist um 44% gestiegen. Bei Obst, Gemüse und Kartoffeln wurde in den letzten Jahren deutlich mehr produziert, aber die Erntemengen schwanken witterungsbedingt.
Zugenommen hat auch die Anzahl der Bio-Lebensmittelhersteller, und zwar um 7%. Stolze 96.509 Bioprodukte gibt es jetzt auf dem Markt. Der Boom setzt sich fort. Besonders gerne werden auch Pflanzendrinks und Fleischersatzprodukte gekauft. Allerdings ist hier der Markt bei der konventionellen Ware noch weit stärker gewachsen, was auch daran liegt, dass diese mit konventionellen Methoden einfacher zu produzieren sind. Hier gibt es noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten, insbesondere, wenn man mit heimischen Produkten arbeiten möchte. Der Trend zu weniger und bewussterem Fleischkonsum hält an.
Tina Andres (Vorstandsvorsitzende BÖLW) bewertete die Zahlen und forderte Strategien und Finanzierungen, auch mit der Begründung, dass die Kosten ohne Transformation noch höher wären. Nach einer Erhebung des Deutschen Bauernverbandes möchten etwa 20% der Landwirte in Deutschland umstellen und die Politik sollte den Umstellungswilligen eine Perspektive geben. Die Forschung im Biobereich war lange Zeit ein Stiefkind. Um den Rückstand aufzuholen, wären 30% mehr Mittel nötig.
Mehr Bio auch ohne Gesetze
Die IFOAM (Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen) wird dieses Jahr 50 Jahre alt, IFOAM Europe 20 Jahre. IFOAM möchte die Erfahrungen international verknüpfen, wie Geschäftsführerin Louise Luttikholt erwähnte, die auch auf die politischen Ereignisse zurück und positiv in die Zukunft blickte.
Xhona Hysa, IFOAM, zeigte einige Beispiele für politische Rahmenbedingungen, die nicht unbedingt immer nur Gesetze sein müssen. In Burkina Faso beispielsweise kommt ein begleitender Aktionsplan dazu. Einige Länder wie Bhutan verfolgen das Ziel, bis 2035 und möglichst als Erste alles komplett umzustellen.
Amarjit Sahota von Ecovia Intelligence wies darauf hin, dass Bio auch in Zusammenhang mit anderen Nachhaltigkeitsstandards gesehen werden muss, die nicht bio sind und mit denen es gelegentlich verwechselt wird (z.B. Fair Trade). Fleischalternativen seien oft keine Bioprodukte und auch der Trend zu unverpackter Ware könne nicht einfach mit Bio gleichgesetzt werden, auch wenn viele Verbraucher da nicht so genau unterscheiden. Dennoch seien die Beweggründe für solche Label und Trends dieselben wie bei der Biobewegung.
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