Die klimafreundliche Kuh – eine Frage der Haltung
Beim Wiederkäuen scheiden Kühe Methan aus – eines der Treibhausgase, das zur globalen Erderwärmung beiträgt. Um die Klimaziele zu erreichen, sollen landwirtschaftliche Betriebe ihre Treibhausgase deshalb bis 2030 um über 30 Prozent reduzieren. Wie das gehen könnte, darüber diskutierten Anfang Dezember mehrere Experten auf der Aulendorfer Wintertagung. Ein Schlüssel zu einer klimafreundlicheren Milcherzeugung: Langlebige, leistungsstarke Kühe, die effizient ernährt und optimal gemanagt werden.
von Petra Ast, Redaktion BWagrar Quelle Petra Ast, Redaktion BWagrar erschienen am 17.12.2024Beim Wiederkäuen scheiden Kühe Methan aus – eines der Treibhausgase, das zur globalen Erderwärmung beiträgt. Um die Klimaziele zu erreichen, sollen landwirtschaftliche Betriebe ihre Treibhausgase deshalb bis 2030 um über 30 Prozent reduzieren. Wie das gehen kann, darüber diskutierten Anfang Dezember Experten auf der Aulendorfer Wintertagung. Ein Schlüssel zu einer klimafreundlicheren Milcherzeugung: Langlebige, leistungsstarke Kühe, die effizient ernährt und optimal gemanagt werden.
Kühe stoßen pro Tag 400 bis 700 Liter Methan aus. Bei gut zehn Millionen Rindern in Deutschland summiert sich das auf knapp eine Million Tonnen Methan pro Jahr. Sollte man die Rinderhaltung also besser eindämmen, um die Umwelt zu schützen? Wie Prof. Dr. Stephan Schneider von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen findet, sei das zu kurz gedacht. Denn Kühe können grundsätzlich aus Gras, das für den Menschen nicht verdaulich ist, hochwertige Nahrung produzieren: Milch und Fleisch. Umso mehr müsse es demzufolge darum gehen, so betonte es der Referent vor den knapp 100 Zuhörern, die an diesem ersten Freitag im Dezember am Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) vor Ort teilnahmen oder sich online zugeschaltet hatten, die Kühe „klimafreundlicher“ zu machen – egal ob in der konventionellen Stallhaltung oder im ökologischen Landbau. „Wir können Milch mit einem geringeren CO²-Fußabdruck anbieten“, versicherte der Tierernährungsexperte, „wenn wir effizienter mit den Kühen arbeiten und die Tiere möglichst optimal managen“.
Erzeugnisse mit positiver Klimabilanz
Dass dies schon bald zum Gebot der Stunde werden könnte, zeigen Forderungen aus dem sogenannten „Green Deal“ der Europäischen Union (EU), der den Klimawandel international bekämpfen und die Folgen der globalen Erderwärmung für Wirtschaftsunternehmen abmildern will. Für Schneider beinhalten diese Ziele „eine große Chance für die Landwirtschaft“. Denn mehr als bisher sollen Betriebe gefördert und mit Krediten unterstützt werden, die ihre Produkte umweltverträglich und nachhaltig herstellen. Ein Thema, mit dem auch der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in Deutschland und Europa künftig punkten möchte und deshalb gerade dabei ist, Kriterien für die Lieferanten ihrer Produkte zu entwickeln, die die Anforderungen nach mehr Klimaschutz erfüllen.
Die Folgen für die landwirtschaftlichen Betriebe sind absehbar: Auch auf sie wird der Druck wachsen, ihre Erzeugnisse künftig umweltfreundlicher zu produzieren und den CO²-Fußabdruck ihrer Höfe zu senken. In Dänemark ist das bereits der Fall: Das skandinavische Land will eine Steuer auf das von Nutztieren ausgestoßene Treibhausgas Methan erheben. Die Methan-Emissionen von Rindern und Schweinen sollen ab 2030 mit umgerechnet rund 40 Euro pro Tonne CO²-Äquivalent besteuert werden. Hierfür wird Methan über die Treibhausgaswirkung beziehungsweise das Treibhausgaspotential in CO²-Äquivalente (CO²e) umgerechnet. Dieser Betrag soll fünf Jahre später auf 100 Euro steigen. Das sieht eine Vereinbarung vor, die die Regierung Ende Juni dieses Jahres mit Teilen der Opposition, Vertretern der Viehzüchter, der Industrie und der Gewerkschaften geschlossen hat.
Komfort im Stall fördert Nachhaltigkeit
Wie das in der täglichen Praxis aussehen kann, erläuterte Mario Frese aus dem hessischen Mörshausen. Der 44-jährige Agraringenieur bewirtschaftet mit seiner Familie die erste von insgesamt zwei bundesdeutschen Klimafarmen. Initiiert von Nestlé und der Molkerei Hochwald soll unter Beteiligung der HfWU Nürtingen-Geislingen in den nächsten Jahren an Maßnahmen gearbeitet werden, die den CO²-Fußabdruck der Milch verringern – im Stall und auf dem Acker. Seither ist auf dem Betrieb einiges geschehen: Als erstes stockte die Familie nach dem Start des Klimaprojekts im Dezember 2021 ihre Holsteinherde von ursprünglich 135 auf 120 Milchkühe ab. Damit sollte, so erläuterte es Frese, einer drohenden Überbelegung vorgebeugt und der Komfort für die Kühe gesteigert werden.
Denn nur Kühe, die sich in ihrem Stall wohlfühlen, die genügend Platz in ihren Boxen haben, rutschfeste Laufflächen, Luft, Licht und tiergerechte Tränken vorfinden, sind in der Lage, viel Milch zu geben und gesund alt zu werden. Ohnehin ein wichtiges Stichwort: Leistungsstarke Kühe mit langer Nutzungsdauer weisen eine positivere Klimabilanz auf als Kühe, die nur für kurze Zeit Milch geben, den Stall danach verlassen und die Remontierungsrate erhöhen. Warum das so ist? Zu Beginn ihres Lebens kosten Kälber, Rinder und junge Kühe zunächst einmal Geld. Erst später, wenn sie Milch geben, und dies am besten viel, lange und ohne krank zu werden, kommt das investierte Geld zurück. Und nicht nur das: Auch die Klimabilanz solcher Kühe fällt besser aus. Der Grund: Der Anteil nachrückender Färsen sinkt, die Herde wächst nicht unnötig und mit ihr die Emissionen aus solch einem Bestand.
Lange Nutzungsdauer der Kühe verbessert Klimabilanz
Eine Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durch den Vortrag des Milchviehhalters aus dem Schwalm-Eder-Kreis zog: Überall dort, wo sich die Bedingungen für die Tiere verbessern, steigt die Nachhaltigkeit und fällt der CO²-Fußabdruck geringer aus. Ganz besonders macht sich dies in der Aufzucht der Kälber bemerkbar, wie Frese den Zuhörern erläuterte. Angefangen von der Ad libitum-Tränke in den ersten drei Lebenswochen bis hin zur paarweisen Aufzucht in neu angeschafften Kälberhütten mit Abführung des Harns und einem geringerem Strohaufwand: Die Kälber entwickeln sich seitdem besser, nehmen mehr zu und sind weniger krank, fasste Frese seine Erfahrungen zusammen. In mehr Komfort investierte der Milchviehhalter auch bei den Milchkühen: Der Futtertisch in dem 2009 gebauten Liegeboxenlaufstall wurde neu beschichtet, ein Futteranschieberoboter installiert, eine automatisch gesteuerte Stallklimatisierung sowie erhöhte Fressstände mit Abtrennungen eingebaut. Alles mit dem Ziel verknüpft, einerseits die Milchleistungen bei den Kühen zu steigern, sie gesund zu halten und ihre Nutzungsdauer zu erhöhen, andererseits die Remontierungsrate zu senken, und durch die Fressstände und den abgedeckten Güllebehälter die Ammoniak- und gasförmigen Emissionen abzusenken.
Um die Qualität des Grobfutters zu verbessern und die Verluste zu verringern, mischt Frese seit dem Start des Klimaprojektes Silierhilfsmittel in die Gras- und Maissilage. Er erfasst die Trockenmasseaufnahme der Kühe, hat einen intensiven Blick auf das eingesetzte Futter und setzt Futterzusatzstoffe ein. Das Ziel: Höhere Grobfutterleistungen, weniger zugekauftes Kraftfutter, bedarfsgerechte Rationen und ein geringerer Ausstoß an Methan, dem prozentual gesehen wichtigsten Treibhausgas aus der Landwirtschaft.
Gute fachliche Praxis als Leitschnur für das Management
Die Bilanz des Milchviehhalters in Jahr drei der Klimafarm fällt unterdessen durchweg positiv aus: „Der Großteil der Maßnahmen ist eine Symbiose für die Wirtschaftlichkeit unseres Betriebes und langfristig eine tolle Sache“, machte Mario Frese vor den Zuhörern deutlich. Ähnliche Erfolgsaussichten bescheinigt Prof. Dr. Stephan Schneider, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, den Klimaschutzmaßnahmen auf dem hessischen Milchviehbetrieb: Unterm Strich seien die Maßnahmen bei der Haltung und Fütterung der Tiere eine Umsetzung der guten fachlichen Praxis, machte der Fütterungsexperte deutlich. Kurz zusammengefasst: Ein intensiv gemanagter und bedarfsgerecht ernährter Tierbestand in einer komfortablen Stallumgebung. „Das ist angewandter Klimaschutz“, so das Fazit von Schneider, für das es an diesem Dezembertag viel Beifall aus dem Auditorium gab.
„Häufig ist Klimaschutz einfach die konsequente Umsetzung der guten fachlichen Praxis.“ Prof. Dr. Stephan Schneider, HfWU Nürtingen-Geislingen
Als einen festen Bestandteil im Jahresverlauf und eine bewährte Plattform für den Austausch und die gegenseitige Information bezeichnete Michael Asse, Direktor am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW), die nunmehr 62. Aulendorfer Wintertagung, die an diesem ersten Dezemberfreitag zum zweiten Mal nun auch online stattfand. Mit einem Thema, das derzeit vielen unter den Nägeln brennen dürfte: Wie können die Treibhausgase, die eine Milchviehherde rechnerisch in die Luft abgibt, künftig für das Controlling auf den Betrieben genutzt werden? Denn, so führte es Asse in seiner Begrüßung aus, „die Landwirtschaft ist Mitverursacher und Leidtragender des Klimawandels“. Umso mehr könne solch eine Treibhausgas-Bilanz fortan dafür genutzt werden, zu erfassen, wie sich die Erzeugung von Milch auf das Klima auswirkt. Aus ziemlich aktuellem Grund: Denn Baden-Württemberg hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Entsprechend müssten sich die Landwirte, so Asse, in der Pflicht sehen, die Folgen des Klimawandels durch entsprechende Maßnahmen auf ihren Betrieben einzudämmen. Eine Aussage, die Ursula Roth vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) unterstrich: Der Schutz des Klimas sei ein wichtiges Thema, das alle Produktionsbereiche betreffe, und bei dem es darauf ankomme, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen erfolgreich einzudämmen. Hierfür zeigten Forschungsvorhaben, wie das „MethaKuh“-Projekt am LAZBW, Alternativen zur Reduktion der Emissionen von den Betrieben auf.
Die Wintertagung wird in Zusammenarbeit mit der Tierseuchenkasse (TSK) Baden-Württemberg, den Tiergesundheitsdiensten (TGD), dem Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt Aulendorf (STUA-Diagnostikzentrum) und dem Landwirtschaftlichen Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW) veranstaltet.
Im Jahr 2022 waren die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland für die Emission von rund 53,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO²)-Äquivalenten verantwortlich. Das sind 7,1 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Hauptsächliche Quellen sind die Methanemissionen aus der Tierhaltung und Lachgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden, wie das das Thünen-Institut, das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehört, im April dieses Jahres ermittelt hat.
Bei den Emissionen aus der Landwirtschaft betrug der Anteil von Methan (CH4) aus der tierischen Verdauung 48,9 Prozent, während der Anteil von Lachgas (N2O) aus Böden (inklusive der Emissionen durch die Ausbringung von Energiepflanzengärresten) bei 26,7 Prozent lag. Die restlichen 24,5 Prozent der Emissionen entfielen auf das Wirtschaftsdünger-Management, die Lagerung von Energiepflanzengärresten, die Kalkung und Harnstoffanwendung.
Die N2O-Emissionen aus dem Wirtschaftsdünger-Management sowie die CH4-Emissionen aus der Verdauung und dem Wirtschaftsdünger-Management haben seit 1990 abgenommen: 2022 lagen die N2O-Emissionen um 28,6 Prozent niedriger als 1990, die CH4-Emissionen um 29,0 Prozent.
94 bis 95 Prozent der Gesamtemissionen an CH4 und N2O aus der Tierhaltung stammen aus der Verdauung und dem Wirtschaftsdünger-Management (Stall, Lager) von Rindern und Schweinen, 2 bis 3 Prozent entfallen auf Geflügel, Schafe, Ziegen und Pferde. Diese Zahlen sind über die Jahre weitgehend konstant (2022: Milchkühe 51,8 Prozent, übrige Rinder 34,3 Prozent, Schweine 8,9 Prozent, übrige Tiere 3,1 Prozent). Beim Rest der Gesamtemissionen (2022: 2 Prozent) handelt es sich um N2O-Emissionen, die im Boden aus der Deposition von Stickstoff entstehen, der zuvor als NH3 und NO aus den Ställen und Wirtschaftsdüngerlagern emittiert wurde.
Der Rückgang der Emissionen gegenüber 1990 resultiert vor allem aus dem Strukturwandel Anfang der 1990er-Jahre, wodurch die Rinderbestände bis Mitte der 2000er-Jahre zurückgingen. Seit den 2010er-Jahren führt eine weitere Abnahme der Tierbestände und seit 2015 ein Rückgang der Menge an ausgebrachtem synthetischem Dünger zu einem erneuten Rückgang bei den Emissionen.
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