Weniger reden, mehr handeln
Versorgungssicherheit ist keine Selbstverständlichkeit. Für ihre Gewährleistung sorgen die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland. Zeit, dass die Politik dies anerkennt. Nach Joachim Rukwied, Präsident im Deutschen Bauernverband, vor allem durch Taten, wie er beim Deutschen Bauerntag 2025 in Berlin deutlich betonte.
von Silvia Rueß erschienen am 27.06.2025„Mehr Politikwechsel wagen“ – lautete das Motto des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zum Deutschen Bauerntag 2025 in Berlin. Und die Lösung, wie der Wechsel vollzogen werden kann, präsentierte DBV-Präsident Joachim Rukwied beim Bauerntag auf dem Silbertablett. In seiner Grundsatzrede bot er dem neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer an: „Wir Bauern und Bäuerinnen werden die Politik nicht blockieren. Im Gegenteil: Wir werden Angebote machen“, so Rukwied. Das gelte für den Naturschutz, das Tierwohl und vor allem für eine gleichwertige Politik für Stadt und Land. Als starker Berufsstand sei das ein großartiges Angebot an die Politik. „Ich hoffe, Sie nehmen an“, formulierte Rukwied in Richtung des neuen Landwirtschaftsministers, der auf dem Deutschen Bauerntag offiziell das erste Mal zu den Bäuerinnen und Bauern sprach.
Für Rukwied sind die Bäuerinnen und Bauern nach wie vor maßgeblich an der Friedenssicherung beteiligt. Zum einen als Erzeuger sicherer und vielfältiger Lebensmittel, aber auch als Demokraten. Letzteres ist vor allem entscheidend für eine Welt, die sich derzeit massiv ändere. Mit Sorge blickt Rukwied auf die jüngsten Entwicklungen in Nahost. Nuklearanlagen wurden bombardiert – und möglicherweise erfolge die Blockade wichtiger Handelsrouten. Auch der immer noch herrschende Krieg in der Ukraine sei längst kein regionales Thema mehr. Die weltweite politische Lage sorge dafür, dass Unsicherheiten zunehmen und damit Zukunftsängste in der Bevölkerung wachsen. Das spalte die Gesellschaft und es entwickle sich eine Tendenz zur Radikalisierung. Diese Extreme sieht Rukwied am rechten, aber auch am linken Rand der Gesellschaft. „Das macht mir Angst“, so der DBV-Präsident vor den rund 500 Delegierten und Gästen im Saal des Berliner Titanic Hotels.
Entscheidend sei daher, dass die Politik nun Aufbruchsignale setze. Warme Worte reichen dabei längst nicht mehr. „Es muss sichtbar werden“, forderte der Präsident. Es gelte nun, die Ärmel hochzukrempeln und nach vorne zu blicken – die Wahl habe gezeigt, dass es nur noch diese eine Chance gebe. Dazu bedürfe es die Anstrengungen der ganzen Gesellschaft, nicht nur aus den politischen Reihen.
„Wir sind bereit, uns einzubringen. Wir können die notwendige Kehrtwende schaffen. Wir Landwirte können Wirtschaft und Unternehmertum“, so Rukwied – und zwar nicht nur für Deutschland sondern für Europa.
Der wirtschaftliche Aufschwung steht dabei ganz oben auf der Agenda. Jede Familie, die kein Einkommen habe, muss sparen. Das sorge für weitere Abwärtsbewegungen, stellte der DBV-Präsident fest. Daher brauche es dringend Entlastungen bei der Steuer und bei der überhandnehmenden Bürokratie. Entscheidend sei, dass schnellstmöglich dafür gesorgt werde, dass wieder investiert werde, damit Deutschland und auch Europa wieder eine Booster-Funktion erfüllen.
Europa müsse wieder an die Verhandlungstische zurück. „Wir waren immer informiert“, stellt Rukwied nüchtern fest, „in jüngerer Zeit sind wir das nicht mehr.“ „Wir müssen wieder beispielsgebend sein für andere Regionen“, wünscht sich der Präsident.
Gegen Einzelfonds in Europa
Mit dem Blick durch die agrarpolitische Brille, fängt Rukwied auch bei Europa an. Hier habe es jüngst ein Treffen gegeben um die Zukunftsfragen der europäischen Agrarpolitik zu diskutieren. Die europäischen Bauernverbände haben dabei ihre Situation aufgezeigt und nochmals deutlich gemacht, dass Versorgungssicherheit zur Friedenssicherung gehört und daher für das Agrarbudget ausreichend Geld zur Verfügung stehen muss. Ein stabiles und höheres Agrarbudget ist Voraussetzung für Frieden. „Aus der gemeinsamen Agrarpolitik ist Europa entstanden.“ Sie sei das Fundament, da Europa nach wie vor zu 70 Prozent aus dem Ländlichen Raum bestehe. Er lehnt daher die Umstrukturierung des Mehrjährigen Finanzrahmens in einzelne Fonds ab. Das würde viele Unsicherheiten für die Gemeinsame europäische Agrarpolitik bringen.
Die von Hansen vorgeschlagene Neugestaltung der Gemeinsamen Marktordnung für den Milchsektor lehnt Rukwied für Deutschland ab. Damit werden die aktuellen unternehmerischen Freiheiten eingeschränkt, so der Präsident. 750 bis 900 Millionen Euro hatten die deutschen Milchbauern in den vergangenen drei Jahren (im Vergleich zu Frankreich) dadurch mehr in der Tasche. „Wir wollen auch künftig frei entscheiden können“, so sein Appell.
Was die europäischen Themen Farm to Fork und Green Deal betrifft, ist Rukwied weiterhin auf dem Standpunkt, dass sich Europa davon befreien und mehr auf Wettbewerbsfähigkeit setzen sollte. Gleichzeit betont er: In Sachen Natur- und Artenschutz wolle man nach vorne gehen. Die Klimaveränderungen seien zu elementar, um hier nicht ins Handeln zu kommen. Die Maßnahmen sollten allerdings stets mit unternehmerischem und praktischem Blick erfolgen können und nicht vom Schreibtisch aus verordnet werden. „Brüssel will vorschreiben, wann wir aussäen sollen und wann wir ernten sollen“, so Rukwied mit Blick auf das geplante Bodenüberwachungsgesetz der EU. Das sei kein Thema, welches bürokratisch festgelegt werden kann. Er hofft, dass die neue Bundesregierung hier eine klare Position beziehen wird und nicht weiter auf Enthaltung setzte.
1Nationale Agrarpolitik
Bei der nationalen Agrarpolitik gab Rukwied dem Thema Tierhaltung eine besondere Bedeutung. Der Sektor erlebe in Deutschland eine Standortverschiebung in der Produktion. „Hier brauchen wir Aufbruchsignale“, formulierte Rukwied in Richtung der aktuellen Bundesregierung. Eine Lösung sieht er in einem Investitionsprogramm für Tierhaltung. Allerdings als neues Geld. 1,5 Milliarden Euro fordert Rukwied für 2026 von der Politik, um die Tierhaltung neu zu beleben. Dazu eine verschriftlichte Planungssicherheit von mindestens 20 Jahren, damit sich Betriebe trauen würden, zu investieren. Forderungen formuliert er auch bei den Gesetzen. Zum Beispiel beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. „Das ist Murks. Man muss ein neues Blatt nehmen, neu anfangen und 2027 damit beginnen“, so Rukwied.
Verbesserungen wünscht er sich auch, was Pflanzenschutzmittel angehe. Ohne weitere Notfallzulassungen müsse der Verbraucher in Deutschland ab dem kommenden Jahr auf ausländische Ware zugreifen. „Hier sind viele Mittel erlaubt“, beschreibt Rukwied eine Ungerechtigkeit. Auf Dauer würden Notfallzulassungen auch nicht ausreichen. „Wir brauchen grundsätzlich ein neues Zulassungsverfahren“, so Rukwied und wünscht sich eine europäische Lösung. Auch Forderungen zur Düngeverordnung sowie eine Sonderregelung beim Thema Mindestlohn für saisonale Arbeiten sieht Rukwied als Hausaufgabe der Regierung. Bei letzterem stelle sich nicht die Frage, warum die Landwirtschaft gegen den Mindestlohn ist. Die Frage sei: Ob man weiterhin deutsche Produkte wie Erdbeeren, Spargel, Äpfel oder Wein genießen wolle.
Das Klima schützen
Eine klare Position hat Rukwied zum geplanten Naturflächenbedarfsgesetz. Es soll die Flächenansprüche des Naturschutzes absichern. Der DBV-Präsident gibt zu bedenken, dass das Wirtschaftssystem auch auf dem Begriff Eigentum basiert. Das dürfe nicht nur verpflichten, sondern muss auch auch gesichert sein. Ansonsten falle die Basis für die Wirtschaft und damit auch für die Demokratie.
Zum Abschluss appellierte Rukwied an die Bundesregierung: Mehr als 190 Vorschläge zum Bürokratieabbau liegen aktuell im BMLEH. „Die müssen endlich bearbeitet werden“, so Rukwied. Der aktuelle Ordnungsrahmen nehme den Landwirten die Luft zum Atmen. „Wir wollen Ergebnisse sehen“, so Rukwied.

Im Einklang mit den Bauern
Der Bundeslandwirtschaftsminister will Ergebnisse liefern. Beim Deutschen Bauerntag fühlt sich Alois Rainer direkt „zu Gast bei Freunden“, wie er sagt und verspricht gleich zu Beginn seiner Ansprache, für die Bäuerinnen und Bauern in diesem Land hart zu arbeiten. „Ohne euch gibt es kein Leben“, so Rainer und gibt an: „Ich will ein Minister für Wertschätzung und Wertschöpfung sein.“ Dass es in der Wertschätzung Herausforderungen geben kann – das sei Demokratie. Er betont allerdings, dass es Grenzen gibt, beispielweise, wenn Einbrüche in Höfe stattfinden oder Sachbeschädigungen erfolgen. „Das muss ordentlich bestraft werden“, so Rainer. In seiner 51-tägigen Amtszeit konnte er viele Gespräche führen und hat viele Informationen erhalten. Für gute Entscheidungen brauche es allerdings diesen regelmäßigen Austausch. Seine Basis sieht er daher im Vertrauensaufbau und verspricht den Delegierten auf dem Bauerntag, ein Teamplayer zu werden. Rainer hat sich daher vorgenommen, hinauszugehen und mit den Menschen zu sprechen. Danach will er Lösungen finden. „Unser Land ist es das Wert“, verspricht Rainer.
Mit Blick auf die Landwirtschaftspolitik ist Rainer stolz, was die ersten 50 Tage bereits geleistet wurde: Die Steuerentlastung beim Agrardiesel ist in vollem Umfang zurück und erste Erfolge beim Bürokratieabbau wurden erzielt. Stolz sei man auch, dass im aktuellen Haushalt die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ erhalten bleiben konnten. „Wir wollen keine Vorschuss-Lorbeeren. Dafür sind wir noch zu kurz im Amt“, betonte Rainer und erläuterte seine künftigen Pläne. Als eine seiner großen Aufgaben betrachtet er, dass es in Deutschland weiter Tierhaltung geben kann. In kaum einem anderen Land werde so sehr auf das Tierwohl geachtet wie hier, erkennt Rainer an und will daher die Forderung nach mehr Geld unterstützen. Eine zusätzliche Steuer auf tierische Produkte für Verbraucher lehnt er zur Finanzierung für den Umbau der Ställe ab.
Ein besonderes Anliegen ist dem neuen Minister, dass es künftig keine deutsche Überregulierung bei europäischen Auflagen geben soll. Hier brauche es den fairen Wettbewerb. Beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten will sich Rainer massiv für die Null-Risiko-Variante für Deutschland einsetzen. Ebenso bekennt er sich zu einem „Nein“ fürs EU-Bodengesetz. „Wir wollen das nicht“, betonte Rainer. Sein Ziel sei ein gut ausgestattetes EU-Agrarbudget. Im Idealfall mit dem mittlerweile etablierten Zwei-Säulen System der GAP, die er als zentrales Instrument zur Unterstützung der Landwirtschaft betrachtet.
„Jeder vierte Euro wird in der Landwirtschaft durch den Export verdient“, so Rainer. Made in Germany stehe für herausragende Produktqualität und Erzeugungsweise. Er plane in absehbarer Zeit eine Strategie zu entwickeln, bei der der Bauernverband eingeladen sei, mitzuarbeiten.
Unter großem Applaus wurde Rainer von den Bauern verabschiedet, der neuerlich Versprach, vor allem den Dialog zu suchen und im nächsten Schritt alle 190 Vorschläge des Bauernverbandes zum Bürokratieabbau intensiv zu prüfen. Eine Stabsstelle sei dafür bereits eingerichtet.
Umweltminister sucht den Dialog
Auch Carsten Schneider, Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, betrachtete seinen Auftritt auf dem Deutschen Bauerntag als Auftakt für einen intensiven Dialog, den er in den kommenden vier Jahren fortführen will. Er ist der Meinung: Landwirtschaft und Naturschutz gehören zusammen. Sie bedingen einander, weshalb sie gemeinsam gedacht werden müssen. „Sie sind die Ersten, die spüren, dass sich das Klima wandelt“, so Schneider zu den Bäuerinnen und Bauern. Es sollte ein gemeinsames Interesse zwischen Landwirtschaft und Naturschutz sein, hier eine Lösung zu finden. Diese Interessensgebiete sollten daher nicht gespalten werden. „Spaltung gebe es schon zu viel“, so Schneider und appellierte an Rukwied: „Lassen Sie uns die Gemeinsamkeiten suchen.“
Ein gutes Beispiel hierfür seien Plattformen wie die Zukunftskommission Landwirtschaft oder ähnliche Arbeitsgruppen. Schneider will an diesem Weg festhalten und stets alle Betroffenen an den Tisch holen. Im ersten Schritt gehe er mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium in engen Schulterschluss und übernehme beispielsweise die Hoheit über die FRANZ-Betriebe. Er plant, weiter die Synergien zu hervorzuheben: Beispielsweise die Förderung von Bestäubern. Beteiligungsformate sollen hier weitere Felder erschließen und er hofft, dass es ausreicht, auf freiwillige Maßnahmen zu setzen.
In der Diskussion um den mehrjährigen Finanzrahmen will er sich ebenfalls dafür einsetzen, dass die GAP eine eigenständige Säule bleibe. Umweltschutz und Landwirtschaft müssen sich gemeinsam im EU-Haushalt wiederfinden – nicht zuletzt, da Umweltleistungen der Landwirtschaft honoriert werden müssten.
Schneider hat Interesse daran, die Landwirtschaft in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken. Nicht nur als Versorger, sondern auch als Gestalter des Ländlichen Raumes. Er sieht vor allem als gemeinsame Basis das Interesse an einer freiheitlichen Demokratie. Seinen Auftritt auf dem Deutschen Bauerntag nimmt er als Auftakt für den intensiven Dialog in den kommenden vier Jahren.
Der Deutsche Bauernverband veröffentlicht zum Deutschen Bauerntag den Online-Geschäftsbericht 2024/25 „Mehr Politikwechsel wagen“. Angesichts globaler Krisen fordert der DBV eine Politik, die die Landwirtschaft als Rückgrat der Versorgungssicherheit anerkennt. Laut DBV-Präsident Joachim Rukwied und Generalsekretär Bernhard Krüsken ist die Landwirtschaft „das Ergebnis engagierter und leidenschaftlicher Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte“. Angesichts wachsender Herausforderungen fordert der DBV einen echten Politikwechsel. Die neue Bundesregierung müsse jetzt die richtigen Weichen stellen, um Reformstaus zu überwinden und Vertrauen zurückzugewinnen. „Wir brauchen eine Politik, die nicht nur reguliert, sondern gestaltet – die auf Kooperation statt Ordnungsrecht setzt, auf Dialog statt Misstrauen. Es gilt, das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückzugewinnen“, konstatieren Rukwied und Krüsken. Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau, wirtschaftliche Stabilität, Innovation und unternehmerische Freiheit – das sei das Gebot der Stunde. Auch Gastautor Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, äußert sich im Bericht optimistisch: „Die Überzeugungsarbeit hat sich gelohnt!“ – mit Blick auf geplante Maßnahmen zum Bürokratieabbau sieht er Chancen für einen wirtschaftspolitischen Richtungswechsel. Der Online-Geschäftsbericht bietet einen umfassenden Überblick über die agrarpolitischen Aktivitäten des DBV gemeinsam mit seinen Landes-, Kreis- und Ortsverbänden. Den vollständigen Geschäftsbericht 2024/25 mit allen Details, Erfolgen und Forderungen finden Sie hier: www.bauernverband.de/der-verband/geschaeftsbericht
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