
Neue Tierseuche auf dem Vormarsch
Nach dem schweren Einbruch durch die Blauzungenkrankheit (BTV) im Sommer des vergangenen Jahres droht nun schon die nächste Rinderseuche: EHD. Ob Deutschland genügend auf einen Ausbruch der epizootischen hämorrhagischen Krankheit (EHD) vorbereitet ist, darum ging es vor kurzem bei einem Online-Seminar des Pharmaunternehmens Ceva Tiergesundheit.
von Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart Quelle Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart erschienen am 05.08.2025Nachdem sich der Erreger der epizootischen hämorrhagischen Krankheit (EHDV-8) seit dem Herbst 2023 im benachbarten Frankreich stark ausgebreitet hat – allein zwischen Juni vergangenen Jahres und dem Mai dieses Jahres gab es dort 3800 Ausbrüche – steigt nun auch in Deutschland die Sorge vor einem Ausbruch. Bei EHD handelt es sich um eine vektorübertragene Viruserkrankung, die vor allem Rinder betrifft. Sie wird durch Gnitzen (kleine Mücken der Gattung Culicoides) übertragen, also dieselben, die die Blauzungenkrankheit übertragen, erläuterte Katharina Bente von dem Düsseldorfer Pharmaunternehmen Ceva Tiergesundheit bei einem Seminar, das sich Ende Juni zahlreiche online zugeschaltete Zuhörer nicht entgehen lassen wollten. Als Überträger kommen zehn Arten der Gnitzen in Frage, darunter die Gattung Culicoides obsoletus, die durch die größte Krankheitswahrscheinlichkeit (Prävalenz) – auch für Nordeuropa – auffällt.
Die Mücken fliegen laut Bente, Tierärztin und Vetservice Managerin Rind bei Ceva Tiergesundheit, bis zu fünf Kilometer pro Tag. Mit Rückenwind könnten es auch mehr als 100 Kilometer pro Tag sein. Die Gnitzen verbreiten sich über die Meere. So gelangten die Mücken beispielsweise von Sizilien nach Spanien. In der warmen Jahreszeit sind die Insekten aktiver. Im Süden von Frankreich, berichtete Bente, waren die Gnitzen von Ende Januar bis in den später Dezember hinein aktiv.
Unspezifische Symptome
Ausgelöst wird EHD durch das Orbivirus, das eng verwandt mit dem BTV-Virus ist. Von dem krankheitsauslösenden Virus sind aktuell sieben Serotypen bekannt. Momentan aktiv in der Europäischen Union ist der Serotyp 8, der vor allem erwachsene Rinder krank machen kann. Circa zehn Prozent der Rinder erkranken an EHD, rund ein Prozent stirbt statistisch gesehen an der Viruserkrankung. Wie sehr sich die Krankheit auswirkt, hängt dabei in erster Linie von den einzelnen Betrieben und ihren Tieren ab, machte die Tierärztin deutlich. Die Inkubationszeit dauert im Schnitt fünf Tage, es handelt sich um variable, unspezifische Symptome, die bei den Rindern auftreten, und die den Blauzungen-Symptomen sehr ähnlich sind.
So kommt es bei dem plötzlichen (perakuten) Auftreten der Krankheit beispielsweise zu sehr hohem Fieber und ausgeprägten Lungen-, Hals- und Kopfödemen bei den Rindern. Bei einem akuten oder mäßig schnellen (subakutem) Verlauf der Erkrankung leiden die Tiere dagegen unter den folgenden Symptomen: • Fieber, Lethargie, Appetitlosigkeit. Als Folge davon geht die Milchleistung zurück • Geschwüre (Ulzera) in Maul, Nase und Magen-Darm-Trakt • Gerötete Augen (Konjunktivale Hyperämie) und gerötete Maulschleimhaut • Lid-und Bindehautödeme • Hochgradig Nasen- und Augenausfluss • Lungenödem, Flüssigkeitsansammlungen zwischen Brustkorb und Lunge (Pleuraerguss) • Blutung (Hämorrhagien) verschiedener Organe, Störungen der Gerinnung • Aborte • Schmerzen im Bewegungsapparat: langsame Bewegungen, Lahmheiten • Teilweise auch Zitzen betroffen • Als Komplikationen treten auf: Nierenversagen, Kalziummangel (Hypocalcämie) und Ausschuhen
Um tierhaltende Betriebe, Tierärzte und Behörden im Kampf gegen die ansteckende Krankheit zu unterstützen, ist das Düsseldorfer Pharmaunternehmen Ceva eine Partnerschaft mit CZ Vaccines eingegangen und stellt den neuen EHD-Impfstoff in den betroffenen Ländern zur Verfügung. Das Serum ist ab sofort in Deutschland und Österreich gegen die Epizootische Hämorrhagische Krankheit (EHD) zugelassen und wird ab Herbst 2025 bei der Ceva Tiergesundheit GmbH erhältlich sein. Wie Inga Oestereich, Produktmanagerin Ruminants bei Ceva Tiergesundheit, hierzu ausführte, handelt es sich dabei um den ersten Impfstoff gegen EHD in Europa. Das Serum, so Oestereich, verhindere das massive Auftreten der Viren im Blut der Rinder, die sogenannte Virämie, und schützt die Tiere dadurch vor einer Ansteckung. Geimpft werden können Kälber ab einem Alter von zwei Monaten. Für eine wirksame Grundimmunisierung sind zwei subkutane Impfungen im Abstand von drei Wochen nötig. Immun gegen das Virus seien die Jungtiere 21 Tage nach der zweiten Impfung. Wie lange diese Immunität anhält, sei derzeit nicht bekannt, erläuterte die Ceva-Managerin. Die Wartezeit für Milch und Fleisch beträgt indes null Tage.
Unterschiedliche Regeln in Europa
Ob und wie die Rinder gegen das EHD-Virus geimpft werden müssen oder ob die Impfung freiwillig ist, ist in Europa derzeit nicht einheitlich geregelt. So bleibt es Rinderhaltern in Deutschland, Österreich, Spanien, Portugal, den Niederlanden, der Schweiz, auf den Kanalinseln Guernsey und Jersey selbst überlassen, ihre Tiere gegen das Virus zu impfen. In Frankreich ist die Impfung ebenfalls freiwillig. Wurde jedoch eine Schutzzone eingerichtet, und befindet sich der Betrieb darin, enthalten diese Rinderhalter einen finanziellen Ausgleich für die Impfung. Anders sieht es in Belgien aus: Dort ist die Impfung gegen das EHD-Virus für Rinder ab sechs Monate vorgeschrieben. Bis zum September dieses Jahres werden die Kosten hierfür teilweise von der belgischen Regierung übernommen. In Luxemburg ist die Impfung zwar ebenfalls freiwillig, weil es sich aber um eine vorbeugende Strategie handele, werden die Kosten vom Staat übernommen, führte Oestereich aus.
1Wie das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) in Stuttgart auf Anfrage mitteilt, ist die Seuche EHD hierzulande bisher nicht aufgetreten. Wegen der vektorbedingten Übertragung und der erhöhten Vektoraktivität in der warmen Jahreszeit könne es, so die Einschätzung des MLR, allerdings in der kommenden Zeit jederzeit zu einem Eintrag kommen. Die EHD-Infektionen stellen laut der Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institut (FLI) vom 15. Mai 2025 eine ernsthafte Bedrohung für die europäische Nutztierhaltung dar, insbesondere in Ländern wie Deutschland, wo die Krankheit bislang nicht aufgetreten ist. Das Risiko der Übertragung von EHD nach Deutschland durch Windverdriftungen von Gnitzen, kombiniert mit legalem Handel, wird für die Monate Mai bis Oktober als hoch eingeschätzt (https://www.openagrar.de/receive/openagrar_mods_00107588?q=Risikoeinsch%C3%A4tzung%20EHD).
Die Erfahrung mit der Blauzungenkrankheit (BT) habe dabei gezeigt, dass die einzige Möglichkeit, Tiere wirksam vor einer Infektion zu schützen und klinische Symptome zu vermeiden, eine Impfung ist. Diese Einschätzung gelte laut MLR auch für Infektionen mit EHDV. Der EHD-Impfstoff Hepizovac der spanischen Herstellerfirma CZ Vaccines S.A.U. wurde hierfür vor kurzem in einem zentralisierten Verfahren gemäß Art. 44 der Verordnung (EU) 2019/6 zugelassen. Die Zulassung gilt für die gesamte EU. Mit einer Verfügbarkeit des EHD-Impfstoffes auf dem deutschen Markt könne nach derzeitigem Stand allerdings erst ab August beziehungsweise September 2025 gerechnet werden.
Generell sind Unternehmer (Tierhalter) gemäß Art. 10 der Verordnung (EU) 2016/429 unter anderem verantwortlich für die Gesundheit der von ihnen gehaltenen Tiere. Sie stehen somit in der Pflicht, das Risiko für die Ausbreitung einer Tierseuche zu minimieren. Aus diesem Grund müssen sie ihren Tierbestand fortwährend beobachten und bei jeder Art von Auffälligkeiten Besuche durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt veranlassen, damit eingehendere Untersuchungen und erforderlichenfalls Probenahmen zur Untersuchung im Labor angestellt werden können (Art. 24 und 25). Bestehen Gründe für einen Verdacht oder der Nachweis einer EHD-Infektion, müsse dies so bald wie möglich dem zuständigen Veterinäramt gemeldet werden (Art. 18).
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