
Künftig 90 statt 70 Tage geplant
Saisonarbeitskräfte sollen ab dem kommenden Jahr 90 anstatt wie bislang nur 70 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden können. Das sieht ein Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums vor. Die IG BAU äußerte Kritik an der geplanten Fristverlängerung.
von age erschienen am 20.08.2025Die neue Regelung soll für Erntehelfer auf Obst-, Gemüse- und Weinanbaubetrieben gelten, sofern diese zwischen 1. März und 31. Oktober eines Kalenderjahres arbeiten. Die Maßnahme war bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigt worden.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums hat die Gesetzesänderung zum Ziel, die Landwirtschaft zu entlasten und dadurch auch den Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse in Deutschland zu erhöhen. Die Regelung ziele daher auch nur unmittelbar auf die Landwirtschaft ab und gelte nicht für Angestellte in von den Betrieben unterhaltenen Restaurants oder Herbergen.
Dem Referentenentwurf zufolge schöpfen aktuell weniger als 100.000 Saisonarbeitskräfte die zeitlichen Grenzen der kurzfristigen Beschäftigung aus. Sollte die Grenze wie vorgesehen um 20 Tage erhöht werden, seien Mindereinnahmen über die Sozialversicherungszweige verteilt in Höhe von jährlich 150 Millionen Euro zu erwarten.
Die 70-Tage-Regelung auf 90 Tage zu verlängern ist schon seit Längerem eine Forderung aus der Agrarbranche. Wegen des steigenden Mindestlohns sehen die Verbände den heimischen Anbau von Obst, Gemüse und Wein in Gefahr. Dass Union und SPD nun bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlasten wollen, war daher im Vorfeld begrüßt worden.
Kritik von der IG BAU
Nach Ansicht der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) geht der Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums dagegen „in die vollkommen falsche Richtung“. „Die sozialversicherungsfreie Zeit gehört eher gekürzt, am besten ganz abgeschafft“, sagte Christian Beck vom IG BAU Bundesvorstand.
Während die Agrarbetriebe entlastet würden, hätten Erntehelfer und -helferinnen keine oder nur eine sehr schlechte soziale Absicherung, monierte er. Für Saisonarbeitskräfte, die meist aus dem osteuropäischen Ausland nach Deutschland kämen, fehle so der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Die privaten Gruppenkrankenversicherungen, die oft vom Arbeitgeber abgeschlossen werden, böten nur einen stark eingeschränkten Versicherungsschutz.
Etwa deckten diese chronische Krankheiten wie Diabetes nicht ab. Als weitaus schlimmer stuft Beck allerdings die Tatsache ein, dass die Behandlungskosten vorgestreckt werden müssten. Oft handele es sich dabei um größere Summen, bei denen die Mindestlohnempfänger in Vorleistung gehen müssten. In Streitfällen könnten sie sogar auf den Kosten sitzen bleiben. „Da wird dann am Ende vom Lohn nicht mehr viel übrig bleiben“, warnte der Gewerkschafter.
Beck gab außerdem zu bedenken, dass Erntehelfer auch nicht in die Rentenkasse einzahlen: „Gerade wenn für den Saisonbeschäftigten diese Arbeit auf unseren Feldern ein Teil des jährlichen Haupteinkommens abdeckt, ist es umso wichtiger, hier Rentenanwartschaften anzusammeln“. Andernfalls sei Altersarmut vorprogrammiert.
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