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Ingo Ehrenfeld baut im Landkreis Heilbronn Minikiwis an

Eine Exotin im Obstbau

Minikiwis sind Exoten und brauchen es deshalb schön warm? Jein. Winterliche Minusgrade ertragen sie gut. Zwar schätzen die Verwandten der Kiwi warme Sonnenstrahlen und mögen keinen Spätfrost. Trotzdem würde Obstbauer Ingo Ehrenfeld sie eher an einen Nordhang pflanzen.
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Reif sind diese Minikiwis noch nicht. Zur Erntezeit im September und Oktober nehmen die Beeren eine leicht rötliche bis braune Farbe an.
Reif sind diese Minikiwis noch nicht. Zur Erntezeit im September und Oktober nehmen die Beeren eine leicht rötliche bis braune Farbe an.Petsch
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Die Wenigsten haben sie probiert. Kaum jemand baut sie hierzulande an. Obstbauer Ingo Ehrenfeld beschritt Neuland als er 2009 anderthalb Hektar Minikiwi ( Actinidia arguta ) pflanzte. Da es keinen Beratungsdienst gab und gibt, startete der Obstbauer auf eigene Faust und nach bestem Wissen und Gewissen mit dem Anbau. Die Rankpflanze wird auch als Kiwibeere, Babykiwi, Kiwiberry oder Beerenkiwi bezeichnet.

Zum Thema
Biobetrieb Ehrenfeld KG/Obsthof Ehrenfeld
  • Betriebsleiter: Ingo Ehrenfeld
  • Kulturen: Zehn Hektar Minikiwis, 40 Hektar Kernobst und 25 Hektar Grünspargel
  • Mitarbeiter: Drei Festangestellte plus Familie
  • Adresse: Mittlere Gasse 17, 74239 Hardthausen
  • Telefon: 07139/76 89
  • E-Mail: info@obsthof-ehrenfeld
  • Internet: www.obsthof-ehrenfeld.de

Gesunde Vitaminpakete

Minikiwis schmecken wie große Kiwis und können mit Schale verzehrt werden. Die etwa zwei bis drei Zentimeter großen, in der Reife oft rötlichen Beeren enthalten sehr viel Vitamin C. „Am allerbesten ist der Geschmack", findet Ehrenfeld. „Das ist mal was komplett anderes."

Gesund sind Ehrenfelds Kiwibeeren auch, weil sie nicht sehr krankheitsanfällig sind. „Man muss sie nicht spritzen. Wir behandeln sie gar nicht", sagt der Obstbauer. Er findet, dass es dafür eigentlich ein Label „komplett unbehandelt" bräuchte.

Früher holte der Landwirt in jedem Bedarfsfall noch eine einzelbetriebliche Ausnahmegenehmigung nach § 22(2) Pflanzenschutzmittelgesetz für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein. Die exotische Frucht wird so selten angebaut, dass es bislang keine offiziellen Empfehlungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Minikiwis gibt. „Für die Indikation Kiwi ist kein einziges Pflanzenschutzmittel zugelassen”, weiß auch Arno Fried vom Landratsamt Karlsruhe. Er leitet die Sonderkulturgruppe des Landwirtschaftsamts und ist für den Pflanzenschutz im Obstbau zuständig. Grundstoffe wie Kalkmilch und Backpulver oder Pflanzenstärkungsmittel wie Weißanstrichmittel und Wundwachsprodukte können jedoch angewendet werden.

 

„Bei der Minikiwi gibt es nur Vollgas oder gar nicht.”

Ingo Ehrenfeld

 

Wegen des geringen Pflanzenschutzbedarfs der Minikiwis und aufgrund des aufwendigen Genehmigungsprozesses stellte Ingo Ehrenfeld seine Minikwis auf biologische Bewirtschaftung um. Seit 2019 tragen sie das Biosiegel. Der Obstbauer verzichtet seither komplett auf Pflanzenschutzmittel. Die Kultur vertrage Herbizide ohnehin nicht besonders gut. „Also spritze ich lieber gar nicht. Das hat auch seine Wertigkeit. Null Pflanzenschutz finde ich schon geil. Bei den Äpfeln müssen wir dagegen oft fahren. Das nervt mich dann ein bisschen", bekennt Ehrenfeld. Lediglich Kirschessigfliegen und Schildläuse können zum Problem werden. Gegen die Fliege können die Früchte leicht unreif geerntet werden und anschließend geschützt nachreifen.

Der Ursprung der Idee

Auf die ungewöhnliche Frucht ist Ehrenfeld während seines Gartenbaustudiums in Weihenstephan gestoßen. In den hochschuleigenen Lehr- und Versuchsgärten prägte er sich die Pflanzenarten ein. „Und da waren dann an einer Hecke ein paar Minikiwis als Sichtschutz gepflanzt. Die Beeren haben mir sehr lecker geschmeckt. Da hab ich dann eine Semesterarbeit drüber geschrieben. Weil es das nicht gab, dachte ich, das wäre eine Nische, die man belegen kann", erinnert er sich. Und deshalb pflanzte er 2009 anderthalb Hektar Minikiwis der Sorten ‘Weiki’ (Weihenstephaner Kiwi) und ‘Julia’ auf dem elterlichen Betrieb in Hardthausen nahe Heilbronn. Den Anbau erweiterte der junge Landwirt schnell auf zehn Hektar, um die entdeckte Nische komplett zu füllen.

Er erkannte schnell, dass ‘Julia’ sich mit ihren kleinen Früchten nicht für den Erwerbsobstbau eignet. 500 Pflanzen musste er deshalb gleich wieder roden. Nur fünf Stöcke dieser Sorte stehen heute noch auf seinen Feldern. ‘Weiki’ dagegen trägt reichlich und zuverlässig, wenn sie nicht erfriert.

Wie ein Weinberg angelegt

Wie in einem Weinberg wachsen die Rankpflanzen in Zeilen bei einem Pflanzabstand von 2,60 Metern zwischen den Reihen und 1,70 Metern in der Reihe. So kann Ehrenfeld bereits vorhandene Maschinen einsetzen. Da Minikiwis wie ihre großen Verwandten zweihäusig sind, ergänzt alle neun Pflanzen ein männliches Exemplar die Damenriege.

Vier bis fünf Jahre dauert es, bis die Ranken in den vollen Ertrag gehen. Anfang Juni öffnen sich dann die Blüten. Zwei Mal jährlich schneidet Ehrenfeld das Laub: Etwa zwei Wochen nach der Blüte (Mitte Juni), damit die Früchte ein bisschen größer werden und nach Bedarf, wenn die Ruten Gefahr laufen, ineinander zu wachsen. Bei bis zu sieben Metern Längenwachstum im Jahr kann es sonst schnell passieren, dass die Zeilen über der Fahrgasse zusammenwachsen. „Wenn man dann mit dem Laubschneider kommt, können große Wunden entstehen oder ganze Pflanzen herausgerissen werden”, erklärt der Landwirt.

Während der Vegetationsruhe werden die Ruten geschnitten. Da die fruchttragenden Triebe der Minikiwi am letztjährigen Holz entsprießen, tauscht der Landwirt jedes Jahr nur zwei bis drei der ältesten Ruten zur Verjüngung aus. Das Ziel sind acht Ruten je Minikiwi, die an Drähten festgebunden werden.

Eine harte Probe

Dieses Jahr stellen die Minikiwis ihren Besitzer auf eine harte Probe. Fast ein dreiviertel Hektar der Rankpflanzen gingen nach und nach zu Grunde. Die Ursache: unbekannt. „Die Minikiwi ist für mich die Frau unter den Obstsorten. Ich verstehe sie einfach nicht", scherzt Ehrenfeld. Möglicherweise platzten bei den wechselhaften Temperaturen im Winter die Stämme. Die Pflanzen trieben normal aus. Sie sahen gesund aus, bis sie innerhalb weniger Tage plötzlich komplett abstarben. Dass sich kaum jemand mit den Kiwibeeren auskennt, empfindet der Landwirt als die größte Herausforderung.

 

„Die Minikiwi ist für mich die Frau unter den Obstsorten. Ich verstehe sie einfach nicht."

Ingo Ehrenfeld

 

Minikiwis mögen leicht saure Böden. Davon abgesehen sind sie recht anspruchslos. „Wenn der pH-Wert steigt, wächst sie trotzdem. Nur wenn der Boden zu kalkhaltig ist, bekommt sie gelbe Blattchlorosen", erklärt Ehrenfeld. Bei ihm stehen die Rankpflanzen auf leicht saurem Lösslehm und Schwemmlandboden. Der Landwirt wollte den Exoten zusätzlich etwas Gutes tun, indem er sie in seine wärmste Lage am Südhang pflanzte.

„Heute weiß ich, dass der Nordhang besser wäre, weil sie dann später austreiben", berichtet er. Denn wie die großfruchtige Kiwi ( Actinidia deliciosa ) gehören Minikiwis zur Pflanzenfamilie der Strahlengriffelgewächse. Ihre wilden Verwandten klettern in Wäldern an Bäumen hoch und blühen, bevor das Blätterdach des Waldes voll ausgeprägt ist. Deshalb treiben sie meist schon Mitte März bei den ersten Sonnenstrahlen, was sie in Deutschland sehr anfällig für Spätfröste macht.

Das käme auch dem Schlaf des Landwirts zugute. Dieses Jahr setzte er in zwölf Nächten die Frostschutzberegnung in Gang. Vorsichtshalber ließ er sie früher und länger laufen, als es die Temperaturen zwingend nötig machten. Bereits ab 0 °C können Frostschäden an den austreibenden Minikiwis entstehen. „Ich hab dann nachts immer das Handy an und hoffe, dass die Frostwarnstation geht", berichtet Ehrenfeld. Im Winter können die exotischen Pflanzen auch bis zu -20 °C Frost vertragen. Nach Ehrenfelds Erfahrung vertragen sie jedoch eher bis zu -15 °C.

Trotz allem konnte er nach dem letzten, kalten Winter nur die Hälfte der Ernte retten. Der Rest ging ein. „Bei der Minikiwi gibt es nur Vollgas oder gar nicht. Entweder sie wächst oder sie stirbt ab", macht der Obstbauer deutlich. „Ich hab eigentlich jeden Fehler gemacht, den man so machen kann", stellt er rückblickend fest. Gerade wegen dieser Erfahrung ist Ehrenfeld heute ein gefragter Fachmann.

Ohne Beregnung läuft nichts

Nicht nur bei Frost, sondern auch im Sommer wollen die Minikiwis beregnet werden. Wie praktisch, dass der Biobetrieb direkt am Kocher liegt, wo er Wasser entnehmen darf. Vor allem, wenn es nach dem Hacken heiß wird, brauchen die Pflanzen Wasser. Denn bei der Bodenbearbeitung nimmt man den Flachwurzlern Einiges an Wurzelmasse.

Ideal ist das Hacken zwar nicht, aber mit der Zeit hätten sich die Minikiwis daran gewöhnt. Herbizide stehen als Alternative zum Hacken ohnehin nicht zur Wahl. Das ganze Jahr über muss das Unkraut in der Anlage klein gehalten werden. Sobald es die Fruchtstände der Minikiwis erreicht, können Reibeschäden an den empfindlichen Beeren entstehen. Allzu zimperlich mit seinen Exoten ist Ehrenfeld beim Hacken trotzdem nicht. Früher sei er vorsichtiger gewesen. Inzwischen hackt er nach dem Motto „Augen zu und durch". „Die Pflanze, die es überlebt, überlebt es. Die, die es nicht überlebt, überlebt es nicht", sagt er trocken.

Den Handel überzeugen

Die Vitaminbomben werden im September und Oktober leicht unreif gepflückt. In Handarbeit kann eine Person bis zu zehn Kilogramm in der Stunde erntet. Die Kiwibeeren kommen dann ins Kühlhaus und werden dort bei 0° C für maximal zwei Monate gelagert, bis sie in der betriebseigenen Packanlage verpackt und anschließend verkauft werden.

Wenn alles gut geht, liefern die etwa 4000 Pflanzen pro Hektar an die 40 Tonnen Früchte – und das etwa 50 Jahre lang. Bisher erntete Ehrenfeld je nach Jahr insgesamt zwischen 20 und 80 Tonnen Minikiwis. Das ist dieselbe Menge, die in ganz Belgien produziert wird – von 30 Erzeugern.

Bei diesen Mengen genügt es nicht, die Früchte im Hofladen und auf Wochenmärkten zu verkaufen. Deshalb steckt Ehrenfeld viel Zeit in die Kundenakquise, informiert über die Beeren und bietet Kostproben an. Denn die Kiwibeeren erklären und verkaufen sich nicht von allein. Einmal angefixt, signalisierten zwar viele Händler Interesse, seien aber vorsichtig mit den Bestellmengen.

Am schwierigsten sei es, bei den Händlern Verständnis dafür zu wecken, dass der Landwirt im Februar noch keine Liefermengen garantieren kann. Wie die Ernte ausfallen wird, lässt sich allenfalls zur Blütezeit sagen. „Oft sitzen im Handel Menschen, die mit der grünen Branche gar nichts mehr zu tun haben. Am liebsten wären ihnen Schrauben, die man einfach bestellt und bei denen man nicht aufpassen muss", bemerkt Ehrenfeld. Der direkte Kontakt zum Handel bringt es auch mit sich, dass der Landwirt bei der Ernte Liefertermine einhalten muss. Dadurch entstehen besonders heftige Arbeitsspitzen während der Erntezeit, für die Ehrenfeld Saisonarbeiter beschäftigt.

Preisgekrönte Kreationen

Für den Verkauf müssen die Früchte hart – also unreif – ausgeliefert werden. Dann schmecken sie noch nicht so gut, nehmen aber weniger Schaden beim Transport. Beim Kunden reifen die Minikiwis, neben einen Apfel gelegt, innerhalb weniger Tage nach.

Aus den Früchten, die sich nicht für den Verkauf eignen, lässt Ehrenfeld Saft pressen. Daraus entstehen der „Smookili" – ein Smoothie-Kiwilikör – und der Minikiwibrand, den ein Kollege im Ort für Familie Ehrenfeld brennt. Auf den Flaschen prangt Ehrenfelds stilisiertes Gesicht. Vom Württembergischen Brennerverband erhielt der Smookili die Silberne Preismünze.

Als Glühweinalternative war der aufgewärmte Smookili ein richtiger Renner auf Weihnachtsmärkten. Zusammen mit Lennart Geist, einem preisgekrönten Barkeeper aus Karlsruhe, hat der Landwirt auch schon zwei erfrischende Sommerdrinks auf Basis des Minikiwi-Likörs entwickelt. Doch die Corona-Pandemie legte die Bemühungen, in der Barszene Fuß zu fassen, vorerst auf Eis.

Zurzeit baut die Familie Ehrenfeld die Eventgastronomie am Hof aus. Wenn alles fertig ist, können die Besucher direkt vor Ort ungewöhnliche Minikiwi-Leckereien wie Spirituosen aus der hauseigenen Brennerei oder Eis probieren. Das erste Hardthausener Minikiwi-Eis, kreiert von der Eismanufaktur Peppe Gelato vom Bodensee, gibt es schon heute im Hofladen zu kaufen.

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Superfood Minikiwi
Die Minikiwi gilt als Superfood und das nicht ohne Grund. 100 g Kiwibeeren enthalten durchschnittlich 50 mg Vitamin C, vereinzelt auch bis zu 400 mg. Zudem spenden die Beeren große Mengen an Vitamin E: 100 g decken etwa 50 Prozent des Tagesbedarfs. Hinzu kommen reichlich Mineral- und Ballastoffe sowie Spurenelemente. Zugegeben, die verwandte großfruchtige Kiwi enthält mindestens genauso viele wertvolle Inhaltsstoffe. Die kleine Kiwi überzeugt dafür mit einem etwa doppelt so hohen Gehalt an gesunden Farbstoffen (Karotinoide, Chlorophyll und Anthocyane) und reichlich Polyphenolen. Beeindruckend ist beispielsweise der mit 0,93 mg je 100 g außergewöhnlich hohe Luteingehalt. Die Frucht soll Herzkreislaufleiden, Tumoren und der Zellalterung vorbeugen.
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