Landhandel spürt Bio-Konkurrenz
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Wilhelm Lohrmann kann nicht gerade über Langeweile klagen. Die Globalisierung gehört für den Landhändler aus Rosenfeld längst zum Tagesgeschäft. Wetterphänomene bestimmen die Preisbildung rund um den Globus, auch zu Hause in seinem Unternehmen im Zollernalbkreis. Doch Landhändler sind lernfähig. Sie haben gelernt mit neuen Situationen umzugehen, wie der Vorsitzende der VdAW-Fachgruppe Landhandel Baden-Württemberg bei der Mitgliederversammlung Ende Januar in Kirchheim/Teck berichtete. Die Landhandelsbetriebe vernetzen sich und sichern sich an den internationalen Warenterminbörsen gegen Preisschwankungen ab.
Gegenwind aus der Umweltpolitik
Schwieriger ist die Absicherung gegen politische Einflussnahme: „Richtlinien, Verordnungen und Gesetze greifen massiv in unsere Arbeit ein“, beklagte der gestandene Kaufmann vor rund 40 Berufskollegen im Vortragssaal im zweiten Stock des Bildungszentrums Deula Baden-Württemberg. Beispielhaft führte er das Gezerre um die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat an. Alle vier zuständigen EU-Behörden hatten das Mittel für die Verlängerung der Zulassung freigegeben. Ausgerechnet aus dem deutschen Umweltministerium kommt Gegenwind. Dieses Verhalten kritisierte Lohrmann als „Ignoranz“ der Politik gegenüber jenen, „die für das tägliche Brot sorgen“.
Dass den Regierenden auch das Gespür für Marktentwicklungen abgeht, erklärte der Fachgruppenvorsitzende anhand eines anderen Themas. Seit dem breitflächigen Preisverfall für Getreide, Milch und Schweine suchten mehr Landwirte ihr Glück in der Biolandwirtschaft. Das Land Baden-Württemberg unterstütze diese Bewegung mit einer finanziellen Umstellungsförderung. Doch für Lohrmann ist das Verhalten des Landes nicht konsequent, weil gleichzeitig der Absatz vernachlässigt werde. Diesen einseitigen Eingriff in den Markt bekomme der private Landhandel zu spüren. Durch den Bio-Umstieg brechen dem Landhandel im Bezugs- und Absatzgeschäft Umsätze weg, ohne dass die Branche auf einen ähnlichen Ausgleich wie die Landwirte hoffen könne.
Berufspolitiker Alois Gerig (61) nahm die pauschale Kritik an der Politk mit einem Schmunzeln auf. Vor seinem Wechsel 2009 in den Bundestag hatte der Landwirtschaftsmeister aus Höpfingen im Neckar-Odenwald-Kreis 25 Jahre als Geschäftsführer den Maschinenring Odenwald-Bauland geleitet. Auch aus dieser Zeit kann er sich noch gut an die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Praktikern und Politikern erinnern. Gerig sieht sich dennoch als Fürsprecher einer bäuerlichen Landwirtschaft. Allerdings haben Praktiker aus der freien Wirtschaft im Bundestag Seltenheitswert. Der Nebenerwerbslandwirt bezeichnet sich selbst als „Exot“ im Parlament, weil die meisten Mitglieder Beamte oder Juristen sind.
Verbündete und Mehrheiten
Um die Interessen der Landwirtschaft in die Gesellschaft zu tragen, empfiehlt Alois Gerig den Landwirten, sich Verbündete zu suchen und gemeinsam mehr Marketing zu betreiben. Die Stichworte Glyphosat und Massentierhaltung seien im Zusammenhang mit der Landwirtschaft negativ besetzt. Dabei zeige gerade die privatwirtschaftlich finanzierte Initiative Tierwohl, dass Landwirte bereit sind, höhere Standards zu akzeptieren. Gerig räumte ein, dass die Bevölkerungsgruppe der Landwirte inzwischen so klein ist, dass sie nach seiner Erfahrung wohl nicht mehr für jede Partei interessant ist. Es sei aber sinnlos, auf die Demokratie zu schimpfen. Sie habe Deutschland den Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg gebracht. Um in der Demokratie Interessen durchzusetzen, brauche es keine Polemik, sondern Mehrheiten.
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