Agrarhandel unter Zugzwang
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Highlight der Veranstaltung war eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Quo vadis internationaler Agrarhandel“, die von Dr. Klaus-Dieter Schumacher, Markt- und Politikberater der Branche, professionell moderiert wurde. Wo geht die Reise hin und wie sieht die Zukunft der Wertschöpfungskette aus? Diesen Fragen stellten sich Ruth Rawling, bis vor kurzem Vizepräsidentin für Öffentlichkeitsarbeit von Cargill, Hubertus Paetow, Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern und Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), Michael Gutting, geschäftsführender Gesellschafter der Sachsenmühle Alsleben GmbH sowie Stefan Vogel, Leiter
Agrarmarktanalysen der Londoner Rabobank.
Veränderung wird nie langsamer sein als heute
Einig sind sich die Experten, dass es ein „weiter so“ nicht geben wird. Alles müsse auf den Prüfstand. Das bisherige Wachstum auf der Nachfrageseite, zusätzlich getrieben durch die Ethanolwirtschaft, werde sich so nicht fortsetzen. Der Getreidehandel stünde weiterhin unter dem Zwang, effizienter zu werden, etwa in der deutschen Silostruktur, angesichts der großen Volumina, die weltweit zu bewegen seien, auch mit Blick auf neue Getreideanbaugebiete in
Russland oder steigender Fleischnachfrage in China.
Die Landwirtschaft sei gefordert, nicht nur Kalorien bereit zu stellen, sondern auch den weiter gehenden Anforderungen der Verbraucher nach individueller Vielfalt zu entsprechen. Das seien tendenziell Nischen, so
wie der Anbau heimischer Bohnen, Erbsen und Lupinen, wie es die Eiweißstrategie der Bundesregierung vorsehe. Denn ob die mit Raps konkurrieren könnten, werde der Markt entscheiden, nicht die Politik.
Den „einen Verbraucher“ gäbe es nicht mehr, was am Beispiel Backwaren festzumachen sei: Habe es vor 40 Jahren fünf Varianten an Brot und Brötchen im Angebot gegeben, seien es heute bis zu 200 Artikel, was sich auf den Rohstoffmarkt in kleinteiligen Kontrakten und auf die Preisfindung niederschlüge. Dabei sein sei alles, ob eine
höhere Marge dabei herauskäme, eher fraglich. Experimentierfreudig Netzwerkverbindungen innerhalb der Wertschöpfungskette herzustellen im Sinne von nachhaltiger Kooperation und Rückverfolgbarkeit über Blockchains statt vertikaler Integration, konsequent Vertrauen und Reputation aufzubauen bis hin zum Verbraucher sowie dessen Wünsche auszuloten und zu respektieren, sei das Gebot der Stunde.
Wenn das erreicht würde, brauche es keine eigene Onlineplattform und der Agrarsektor liefe nicht Gefahr, die Konkurrenz von Google und Amazon fürchten zu müssen. Die Veränderung werde künftig nie langsamer sein als heute. Daher sei es besser, sie anzunehmen und zu umarmen statt ihr auszuweichen.
Der VdG – mehr als eine Interessenvertretung
Gegründet 1868 zählt der Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse heute mit seinen fünf hauptamtlichen Mitarbeitern rund 120 Mitglieder. Nach wie vor fasst er deren Interessen zusammen und klärt auf, damit Politik entscheiden kann. Laut Satzung unterrichtet und unterstützt der VdG seine Mitglieder in allen branchenrelevanten Fachfragen. Stand früher die Informationsbeschaffung im Vordergrund, ist es heute das Filtern, Selektieren und
Aufbereiten der Informationsflut auf das, was für die Branche wichtig sein könnte, um das Meinungsbild zu schärfen. Der Verein ist in mehreren Sektionen organisiert: Markt und Agrarpolitik, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit.
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