Gute Flächen werden weltweit knapp
„Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2050“ lautet das Thema, über das Otto Körner landauf, landab spannende Vorträge hält. Im Juli dieses Jahres war der Leiter des Bildungszentrums Triesdorf Gastredner beim Maschinenring Oberschwaben auf dessen Jahresversammlung.
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Schon heute leben 70 Prozent der Weltbevölkerung in großen Städten, berichtete Otto Körner vor rund 100 Mitgliedern und Gästen im Dorfgemeinschaftshaus in Boms bei Bad Saulgau. Zu solchen Megacities gehörten zum Beispiel Sao Paulo in Brasilien mit rund 24 Millionen Einwohnern oder der Großraum Shanghai mit rund 25 Millionen Menschen. Besonders erwähnenswert ist Kinshasa. Die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, das ehemalige Léopoldville (benannt nach dem belgischen König während der Kolonialzeit) gehört zu den am schnellsten wachsenden Großstädten der Welt. Ursprünglich angelegt für etwa 50.000 Einwohner rechnet man für Kinshasa im Jahr 2050 mit einer Bevölkerung von 35 Millionen Menschen. Heute schon ist Kinshasa mit mehr als 15 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Afrikas. „Da wird es ein riesiges Ernährungsproblem geben“, warnt Körner.
Vorräte nehmen ab
Der Blick auf die weltweite Weizenerzeugung zeigt, dass die Vorräte abnehmen. Insgesamt sind etwa 420 Mio. t Weizen auf dem Weltmarkt verfügbar. „Da reichen 10 oder 20 Prozent mehr oder weniger, um die Märkte durcheinanderzuwirbeln“, so Körner. Er hofft jedoch, dass wenn die Logistik und die Lieferketten wieder funktionieren, sich die Märkte beruhigen werden, mittelfristig. Längerfristig erscheint die Lage besorgniserregend. Bis zuletzt seien sowohl die Erzeugung als auch der Verbrauch ständig weiter gestiegen. In den Jahren 2012 bis 2017/18 gab es zwar noch Überschussjahre, doch danach wurde die Versorgungslage tendenziell schlechter. Die Vorräte seien von 30 auf 26 Prozent gefallen.
Mehr Menschen, weniger Flächen
Zur Einschätzung der Versorgungslage sind die verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen der zentrale Punkt. Insgesamt gibt es weltweit rund 3,5 Mrd. ha Grünland, 1,5 Mrd. ha Ackerland und jede Menge Wald (4,1 Mrd. ha). Waren es im Jahr 1950 etwa 2,5 Mrd. Menschen auf der Welt, sind es heute schon über 7,5 Mrd. Laut UN-Prognose dürften es im Jahr 2050 knapp 10 Mrd. sein. Gleichzeitig sind die Ackerflächen von 1950 an bis heute von 1,3 auf nur 1,5 Mrd. ha gestiegen. Das heißt: „Da kommt kaum was dazu“. Früher waren es immerhin noch 5000 m2 Ackerfläche pro Kopf der Bevölkerung, heute sind es nur noch 2000 m2, Tendenz fallend. In China zum Beispiel, ein großes Importland für Nahrungsmittel, sind es heute schon nur noch 800 m2 pro Einwohner. „Wenn man davon ausgeht, dass die Bevölkerung pro Jahr weltweit um 80 Mio. Menschen wächst, bräuchten wir deutlich mehr Ackerflächen und Grünland zusätzlich“, so Körner.
Wo gibt es überhaupt noch Flächen?
Doch Flächenreserven sind rar. Es gibt sie in den Steppengebieten der Mongolei oder Kasachstan, in Südamerika sowie in den Savannengebieten in Afrika oder in den ökologisch wertvollen Regenwäldern. Aber sowohl die Steppen als auch die Regenwälder sind nur bedingt geeignet als Ackerland. Die Steppengebiete haben eine Humuskrume von 10 cm. Einmal umgebrochen und ungeschützt daliegend, reicht ein Unwetter oder eine Trockenheit, um den Humus zunichtezumachen. Regenwald hat man die letzten Jahrzehnte bereits rund 37 Mio. ha gerodet und zu Ackerland umgewandelt. Wegen des Klima- und Artenschutzes sollte dieser Wald nicht weiter abgeholzt werden. Das zeigt, wie schwierig es ist, neues Ackerland zu gewinnen.
Flächenverluste im großen Stil
Flächenverluste hingegen gibt es im großen Stil jeden Tag. Zwar werden in Deutschland nur noch 50 Hektar am Tag zugebaut, vor wenigen Jahren waren es noch über 80 Hektar. In China soll die tägliche Flächenversiegelung bei über 1000 Hektar liegen. „Wenn das so weitergeht, haben wir in 20 Jahren etwa 10 Mio. ha Fläche zugebaut. Und da stehen wir in den ärmeren Ländern erst am Anfang“, warnt Körner. Das noch größere Problem sei die Verwüstung. Pro Jahr nehmen nämlich die Wüstengebiete wegen Trockenheit um 10 bis 20 Mio. ha zu. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Ackerflächen unaufhaltsam weiter. Zum Beispiel wird mehr Ackerfutter für Aquakulturen benötigt. Im Jahr 2026 werden es 40 bis 60 Mio. t Fisch aus Aquakulturen stammen, etwa die gleiche Menge wie klassisch aus dem Meer. Um unsere Hunde und Katzen in Deutschland zu ernähren, werden allein schon 600.000 ha Ackerfläche benötigt. In den USA und in Südamerika spielt die Ethanolgewinnung (30 Mio. ha Ackerland) eine wichtige Rolle. Bei uns gewinnt das Biogas zur Energieversorgung wieder neu an Bedeutung. „Die Hälfte aller Biogasanlagen der Welt stehen in Deutschland“, so Körner. Und: „Mit der bayerischen Gülle könnten wir ein Atomkraftwerk ersetzen.“
Viele Faktoren entscheidend
Sollte die Flächenverfügbarkeit weiter abnehmen, müsste man die Erträge gewaltig steigern, um die Verluste auszugleichen. Aber das wird nur bedingt gelingen. Was also tun? Um die Ernährung für die Menschen zu sichern, könnte man die Energiegewinnung auf Ackerflächen einstellen. Auch mit einer veganen Ernährung ließen sich Flächen sparen. „Rechnerisch könnten hier weltweit 100 bis 160 Mio. ha freigesetzt werden. Das wären sieben bis zehn Prozent der Ackerflächen. Wir bräuchten aber eigentlich 400 Mio. ha”, so Körner.
Tierhaltung bleibt wichtig
Die Tierhaltung lässt sich nur bedingt einschränken. Denn sie ist in vielerlei Hinsicht wichtig. So werden von den 3,5 Mrd. ha Grünland zwei Mrd. ha als Weiden und Futterflächen genutzt. 86 Prozent aller Futtermittel sind für den menschlichen Verzehr ohnehin nicht geeignet. Dazu gehören Sojaextrakt, -expeller, Rapsschrot und -kuchen (Abfallprodukte aus der Ölherstellung) sowie Kleie, Schälprodukte und vieles mehr.
Ökoanbau braucht mehr Fläche
Die konventionelle Landwirtschaft gegen die ökologische auszuspielen: davon hält Körner wenig. Ertragssicherheit, weniger CO2-Verbrauch pro Einheit bei den Kühen oder beim Getreide, das sind Vorteile der konventionellen Landwirtschaft. „Wenn wir alles öko machen, brauchen wir deutlich mehr Fläche”, so Körner. Anderseits erscheint der Ökoanbau mit seiner Kreislaufwirtschaft sowie dem geringeren Energie- und Ressourcenverbrauch an so manchem Standort von Vorteil.
Weniger Verluste mit Smart Farming
Körners Vision für 2050 ist: Im Jahr 2050 gibt es keinen Hunger mehr, weil wir es geschafft haben werden, bedarfsgerecht zu düngen, unterstützt von moderner Technik. „Wir haben keine Probleme mehr mit verunreinigtem Trinkwasser oder mit Unkräutern, weil sie von solarangetriebenen Robotern ausgelesen werden und weil Drohnen über die Äcker fliegen und einen Pilzbefall oder eine Nährstoffknappheit erkennen”, hofft Körner. Man darf gespannt sein, inwieweit diese Vision in Erfüllung gehen wird.
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