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Süddeutsche Wollerzeugergemeinschaften

Schäfer stricken an der eigenen Marke

Schafwolle ist ein wertvolles Produkt, für das Schafhalter angemessen bezahlt werden wollen. Süddeutsche Schäfer wollen das mit ihrer Marke Locwool erreichen.
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Das Ziel ist klar: ein kostendeckender Verkaufspreis von mindestens drei Euro für das Kilo Rohwolle. Der Weg dahin ist allerdings nicht einfach. Dass Dieter Mack einmal selbst mit den Einkaufsabteilungen namhafter Modehersteller telefonieren würde, um vernünftige Preise für die Wolle seiner Schafe auszuhandeln, hätte der Vorsitzende der baden-württembergischen Wollerzeugergemeinschaft lange Zeit kaum für möglich gehalten. Bis vor drei Jahren war das auch nicht nötig.

Die Vermarktung erfolgte damals zentral über die Erzeugergemeinschaft an verschiedene Händler. Die Rohwolle wurde zeitnah nach dem Scheren von den Händlern abgeholt zu Preisen, von denen die meisten Schafhalter nicht begeistert waren, aber auch keinen akuten Handlungsbedarf sahen. Während die Verkaufspreise weiter in den Keller wanderten und die Produktionskosten stetig stiegen, war 2019 für viele Erzeuger eine Schmerzgrenze erreicht.

Zurück zum Erzeuger

Dieter Mack, sein Kollege Martin Brickel von der bayrischen Wollerzeugergemeinschaft und Wilhelm Pflanz, Professor für Tierhaltung der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, begannen, sich mit der Materie zu beschäftigen. Ihre Überlegung: Wenn über die bestehenden Absatzkanäle kostendeckende Preise nicht mehr zu erzielen sind, dann muss die Vermarktung eben wieder zurück in die Hände der Erzeuger gelangen.

Mit Fördergeldern aus Bayern und Baden-Württemberg und der Unterstützung der Hochschule gründeten die beiden benachbarten Wollerzeugergemeinschaften die eingetragene Marke Locwool. Loc steht als Kurzbegriff für lokale Wolle, abgeleitet vom englischen local. Das Logo mit Schaf steht samt Homepage, Flyern und Werbe-Wollbroschen für heimische Qualität. Mit ihrem Plädoyer für die Wolle süddeutscher Schafe ist Locwool seit 2020 am Markt. Seither zeigt sich für die Initiatoren, wie komplex die Marktlage ist.

Im Gespräch mit Textilproduzenten und Zwischenhändlern begegnet Schafhalter Mack genau jenen Strukturen und Argumenten, die zum Preisverfall in den letzten Jahren geführt haben. Einkäufer von Textilverarbeitern haben feste Vorgaben, wie viel sie für Rohstoffe ausgeben dürfen, und diese Ausgaben bleiben gleich, auch wenn sich die Aufbereitung verteuert. Die Wolle eines süddeutschen Schafs wird im Ausland gewaschen, bevor sie in Deutschland etwa zu einem Kleidungsstück weiterverarbeitet wird. Steigen die Preise für Diesel, Strom und Löhne, dann darf die aufbereitete Wolle nicht mehr kosten als zuvor.

Damit die Rechnung aufgeht, bekommen die Schafhalter für die Rohwolle entsprechend weniger Geld. Daran ändert auch das Locwool-Logo zunächst nicht viel.Und doch sind die Initiatoren überzeugt von ihrer neuen, kollektiven Marke. Wilhelm Pflanz betont: „Wir haben es doch eigentlich leicht. Wolle ist ein wunderbares Produkt, wir müssen nur den Wert vermitteln, den sie hat. Locwool gibt der süddeutschen Wolle ein Gesicht, und das sollte die Vermarktung deutlich erleichtern.“ Dennoch sind die Verhandlungen zäh.

Es sind zunächst kleine, regionale Manufakturen, die sich auf die Marke Locwool mit ihrem Preisniveau einlassen. Die Schafhalter versprechen sich Marktvorteile durch den Aufbau einer lokalen Wollaufbereitung. Wenn Locwool nicht nur auf süddeutschen Schafweiden gewachsen, sondern auch vor Ort sortiert, gewaschen und kardiert wurde – so die Hoffnung – dann wäre aus einem regionalen Rohstoff ein regional weiter verarbeitetes Produkt geworden, das seinen Platz am Markt leichter finden könnte.

Die Hoffnung ist nicht unbegründet, doch der Weg zurück zu einer inländischen Wollaufbereitung ist lang und teuer. Wilhelm Pflanz rechnet mit zehn bis 30 Jahren. So bleibt Locwool Kollektivmarke und Forschungsprojekt zugleich. Die Marke bietet einen Rahmen, in dem Hochschule und Wollerzeuger miteinander sondieren, was funktioniert und was nicht. Ob eine Wollwäscherei in Bayern, eine Zertifizierung nach den internationalen Richtlinien des Responsible Wool Standard (RWS), eine Zusammenarbeit mit großen und kleinen Modelabels – all die vorhandenen Ideen schließen sich gegenseitig nicht aus – ganz im Gegenteil: Um die Wolle der süddeutschen Schafhalter vollständig kostendeckend am Markt unterzubringen, wird es einen langen Atem und eine breite Mischung aus vielen Ideen brauchen.

Die Kollektivmarke hilft

Bis Locwool dieses Ziel erreicht, ist jeder Erzeuger gefordert, selbst Absatzwege zu finden, die zu seinem Betrieb passen. Dabei kann das Dach der kollektiven Marke hilfreich sein. Denn im Gespräch mit Großkunden hat man, wie die Erfahrung von Dieter Mack zeigt, die Chance, nicht nur als Einzelunternehmer, sondern im Namen einer großen Gruppe von Erzeugern aufzutreten und so vielleicht nicht umgehend alle angestrebten Verhandlungsziele zu erreichen, aber zumindest leichter Gehör zu finden.

Und nicht zuletzt können im Rahmen der gemeinsamen Marke viele wertvolle Erfahrungen von Einzelnen zu einem kollektiven Erfahrungsschatz zusammenfließen, der als Ideenpool und als Basis einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Wollvermarktung für alle zur Verfügung steht.

Locwool steht für lokale Wolle aus Süddeutschland; markeninterne Qualitätskriterien, die über die gesetzlich vorgegebenen Standards hinausgehen, gibt es bislang nicht. Vielmehr handelt jeder Wollerzeuger die über gesetzliche Standards hinaus reichenden Anforderungen an Sauberkeit, Feinheit, Tierwohl etc. mit seinen Kunden individuell aus, sobald er seine Ware nicht mehr vollständig in die kollektive Vermarktung über die Erzeugergemeinschaft an Händler einfließen lässt. Die Mitglieder beider Verbände dürfen Locwool ohne Zusatzkosten für eigene Marketingaktivitäten nutzen. Eine Garantie für kostendeckende Preise bietet Locwool nicht. Eine Weiterentwicklung der Marke ist in den nächsten Jahren auf verschiedenen Ebenen anvisiert. Die Internetadresse: www.locwool.de

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